Winfried Nachtwei, MdB                                           Berlin/Münster, 26.7.02

Mitglied des Verteidigungsausschusses                     030-227-72567, Fax -76016

                                                                                                 winfried.nachtwei@bundestag.de

 

Herrn

Manfred Feddern

Manfred Hirtz

Herwart Saling

 

 

z.K. an Helmut Wieczorek, MdB, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses

            Peter Rasch, Bund zur Unterstützung Radargeschädigter

            KollegInnen der Berichterstattergruppe 

 

 

Unabhängige Expertenkommission zur Radarstrahlenproblematik

 

Sehr geehrte Herren,

 

ich danke Ihnen für das an verschiedene Kollegen und mich über Herrn Hirtz und Herrn Feddern weitergeleitete Schreiben von Herwart Saling.

 

Als Mitglied des Verteidigungsausschusses habe ich seit Januar letzten Jahres mit der Radarstrahlenproblematik zu tun. Ich besuchte verschiedene Protestveranstaltungen des „Bundes zur Unterstützung Radargeschädigter“ in Berlin und setzte mich angesichts der gegen das Ministerium erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe dafür ein, seitens des Ausschusses zu intervenieren. Der Verteidigungsausschuss setzte eine Berichterstattergruppe „Radarstrahlenproblematik“ ein, in der ich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mitwirkte.

Nach intensiven Sachverhaltsaufklärungen veranlasste uns die ausführliche Anhörung von Vertretern des Bundes zur Unterstützung Radargeschädigter am 10. Juni im Bundestag (nicht im BMVg), über den Verteidigungsausschuss dem Verteidigungsministerium die Einberufung einer „externen, unabhängigen Expertenkommission“ zu empfehlen. In dem einstimmig von allen Fraktionen (SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, PDS) unterstützten Beschluss heißt es:

„Die unabhängige Expertenkommission sollte vom Bundesministerium der Verteidigung in Abstimmung mit dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzt werden und Experten aus Forschungszentren, Arbeitswissenschaftlichen Instituten, Berufsgenossenschaften, aus den befassten Ressorts sowie weiteren Bereichen umfassen. Den Vertretern der Betroffenen wird hinsichtlich der Zusammensetzung der Kommission ein Vorschlagsrecht eingeräumt.“

Auftrag der Kommission ist:

- „zur Aufklärung der früheren Arbeitsplatzverhältnisse unter Einbeziehung der dafür bereits gebildeten Arbeitsgruppen und vorliegenden Zwischenberichte beizutragen,

- eine Expertise zu den in den Wehrdienstbeschädigungsverfahren zu Grunde zu legenden Belastungswerten abzugeben,

- gegebenenfalls zusätzliche und neue Erkenntnisse zur gesundheitlichen Auswirkung bei Strahlenbelastung durch Radargeräte aufzubereiten und

- dazu den wissenschaftlichen Sachstand zur Möglichkeit einer Gesundheitsgefährdung durch ionisierende Strahlung und HF-Strahlung festzustellen, die Ursachen und Verbreitung strahleninduzierter bösartiger Neubildungen in der Bevölkerung zu bewerten und die versorgungsmedizinischen Aspekte von Strahlenschäden zu untersuchen“.

 

Auf seiner Sitzung am 3. Juli verabschiedete der Verteidigungsausschuss wiederum einstimmig eine Gemeinsame Vorschlagsliste für die Besetzung der Expertenkommission. Die Liste hatten die Mitglieder der Berichterstattergruppe einmütig aus den Vorschlägen des Ministeriums, des Bundes und aus den eigenen Reihen zusammengestellt. Von den 14 Personen waren vier – darunter der Kommissionsvorsitzende - aus der Liste des Bundes.

 

Ihre offenbar ungeprüft aus „inoffiziellen Informationen“ übernommenen Feststellungen und Vorwürfe sind in mehrfacher Hinsicht falsch:

- Die Kommission soll unabhängig sein. Von „paritätischer Besetzung“ war im o.g. Beschluss keine Rede, erst recht sollte sie nicht aus Mitgliedern des BMVg und Bundes bestehen. Letzteres würde dem Unabhängigkeitsgebot völlig zuwider laufen!

- Die Abqualifizierung der Zusammensetzung der Kommission mit „10 zu 4 (BMVg-BzUR)“ als absehbar voreingenommen weise ich ausdrücklich zurück. Sie unterstellen damit den zehn anderen Kommissionsmitgliedern von vorneherein Ministeriumsabhängigkeit – und allen Fraktionen im Verteidigungsausschuss, eine „abhängige“ Kommission auf den Weg gebracht zu haben.

 

Ich bedauere außerordentlich, dass Sie – Herr Saling -diese falschen Vorwürfe ungeprüft zur Grundlage massiver öffentlicher Proteste machen. In diesem Zusammenhang die Bundesrepublik „Bananenstaat“ zu nennen, ist maßlos.

 

Das Leiden vieler ehemaliger Radarsoldaten und ihrer Angehöriger verdient nicht nur unser Mitgefühl. Vor allem muss der – ehemalige – Dienstherr seiner Fürsorgepflicht glaubwürdig nachkommen. Dafür setzen sich alle Fraktionen im Verteidigungsausschuss gemeinsam ein.

Deshalb begrüße ich unverändert das Engagement des Bundes zur Unterstützung Radargeschädigter.

 

Mit Ihrer Art Schnellschuss haben Sie dem Anliegen der Radargeschädigten geschadet. Das bedauere ich.

 

Um in Zukunft solches „friendly fire“ zu vermeiden und ggfs. zielgenaueren Protest zu gewährleisten, schlage ich Ihnen vor, dass Sie bei weiteren „inoffiziellen Informationen“ zunächst telefonisch bei einem Mitglied der Berichterstattergruppe – z.B. bei mir – die Sache gegen checken.

 

Insofern hoffe ich auf kritische Kooperation im Dienste der gemeinsamen Sache.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

gez. Winfried Nachtwei