Computertelefaxschreiben ohne Unterschrift vom 12. Mai 2003

 

Herrn

Manfred Hirtz

Haferbreite 6

31693 Hespe

Faxnummer (0721) 151 36 99 14

Betr.: Internetveröffentlichung TATORT BUNDESWEHR

Bezug: mündliche Vereinbarung vom 8.d.M

 

Sehr geehrter Herr Hirtz,

Gern erteilen wir Ihnen die kostenfreie Erlaubnis, TATORT... auf Ihrer Internetseite zu publizieren. Bitte vermerken Sie jedoch ausdrücklich, daß jeder, auch auszugsweise, Abdruck der besonderen Genehmigung des Köhler Verlages Winzingen bedarf.

Wir bedanken uns sehr für Ihr Interesse an unserer Publikation, wünschen Ihnen Erfolge Ihrer wichtigen und mühsamen Arbeit und verbleiben mit freundlichen Grüßen, auch an Herrn Rasch,

KÖHLER VERLAG

WINZINGEN

(i.A. gez. Schwarzenberger)

Anlage Begleittext

 

TATORT BUNDESWEHR — Der Tod der Fliegerärztin Dr. Christine Bauer

und andere Unklarheiten bei den deutschen Streitkräften

Köhler Verlag Winzingen. 312 Seiten m. Fotos. € 13,70(0). ISBN 3-935277-21-0. Rezensionsexemplare bitte bei Köhler Verlag Winzingen. Hornbergstraße 2, D-73072 Donzdorf-Winzingen. Fax 07162/203985. E-Mail: koehlerverlag@autoren-online.com anfordern.

Ein Blick hinter die Kulissen lässt erschreckend deutlich werden, wie es um die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr bestellt ist. Nicht nur durch Unterfinanzierung, auch durch Missmanagement, Verschwendung und Missbrauch von Steuergeldern ist die Einsatzfähigkeit der Truppe stark gefährdet.

Der oft peinliche Spagat von Politikern in der Frage von Auslandseinsätzen der Bundeswehr (von Somalia über Osttimor bis Afghanistan) deren ideologischer Grundgedanke in der Landesverteidigung liegt, schreit förmlich nach erforderlichen Reformen und Gesetzes Die Aufgaben der Bundeswehr, bezogen auf den geleisteten Eid der Soldaten, sind nicht mehr durchführbar. Das Konzept von Befehl und Gehorsam und die Nichtakzeptanz von Nichtdurchführbarkeitsmeldungen übertünchen auch in dieser Hierarchie erfolgreich die Überforderung der Militärs.

Wie bei vergangenen Protestkundgebungen durch Bundeswehrsoldaten in der Hauptstadt Berlin deutlich wurde, sinkt mit der finanziellen Schlechterstellung und der veralteten Ausrüstung und Bewaffnung auch die Attraktivität und die Motivation.

Die durch die Gesetzgebung bestehenden Schwierigkeiten, die Bundeswehr grundlegend zu reformieren, sind bekannt, aber die Frage nach wirtschaftlichem Denken, vielleicht auch beim Staat, bleibt offen.

Unwirtschaftliches Denken und Verzweiflungsverkäufe von Liegenschaften und Gerät wurden angeordnet. Wie vor wenigen Monaten in der Presse zu lesen war, lässt man die Bundeswehr weiterhin mit längst veralteten Hubschraubern fliegen und verkauft die modernsten, über die die Truppe derzeit verfügt —9 Hubschrauber vom Typ BO 105, die zum Spottpreis von 100.000 DM pro Stück verschleudert wurden. Der Käufer, ein deutscher Immobilienmakler, hat sofort erkannt, dass er, mit wenig Aufwand, bei Weiterverkauf ins Ausland mehrere Millionen verdient. Unter der Überschrift Schnäppchen bei der Bundeswehr belächelt die Presse dieses Geschäft. Hätte man die Hubschrauber als Ersatzteilreserve behalten, wären neue hohe Ausgaben vermeidbar gewesen, und das Unglück von Kabul im Dezember 2000, das sieben Soldaten das Leben kostete, wäre wahrscheinlich nicht geschehen.

Gespannt erwarten pfiffige Geschäftsleute den nächsten Ausverkauf. Aber nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind berechtigte Zweifel an den Führungsqualitäten bei der Truppe angebracht, z.B. unter dem Aspekt der Menschenführung. Wie ebenfalls der Presse zu entnehmen war, hat sich eine Bundeswehrärztin und Pilotin, stationiert im bayerischen Penzing beim LTG 61, im Alter von 51 Jahren wegen Mobbing das Leben genommen. Nach jahrzehntelangem Dienst bei der Bundeswehr und uneingeschränkt sorgfältiger Tätigkeit beginnt 1998 eine Hetzjagd auf Frau OFA Dr. med. Christine Bauer. Mit aller Energie und Ver- zweiflung wehrt sich die ehemalige Vorzeigesoldatin und wendet sich auch an Verteidigungsminister Scharping. Auch bei ihm findet sie kein Gehör. Im Gegenteil — ein Verfahren wird unter vorgeschobenen und fadenscheinigen Begründungen abgelehnt!

Selbst die zahlreichen Initiativen aus dem Kameraden- und Freundeskreis (Unterschriftensammlung von Piloten) an die Wehrbeauftragte, mit der Bitte, Frau Dr. Bauer als Flieger in Penzing zu belassen, werden ignoriert. Als die bei „ihren Piloten außergewöhnlich beliebte Fliegerärtztin erkennen muss, dass sie ihren aussichtslosen Kampf und damit ihre Verwendung als Pilotin verlieren wird, sieht sie keinen anderen Ausweg, als den Freitod zu wählen.

Kameraden, Freunde und Kollegen. die versuchen, der Sache weiterhin nachzugehen, um die Hintergründe an die Öffentlichkeit zu bringen und die Ärztin posthum zu rehabilitieren, müssen sehr schnell einsehen, dass dies „von oben offensichtlich nicht erwünscht ist. Mit subtilen Mitteln und Argumenten, wie „Pflicht zur Verschwiegenheit und Feststellungen wie, dem deutschen Volk könnte Schaden zugefügt werden, wird allen Beteiligten recht eindrucksvoll gezeigt, dass kein Interesse an der Aufklärung der Affäre besteht.

Nur eine einzige Politikerin, eine Ärztin und ein Polizist wagen weiterhin, mit großem Nachdruck an der Aufklärung und zur Rehabilitation von Frau Dr. Bauer mitzuwirken.

Die hier angesprochene Problematik steht beispielhaft für weitere Missstände, die Eva Christ veranlasst haben, die Probleme Im Verteidigungsbereich in ihrem neuen Buch anzusprechen.

 

TATORT BUNDESWEHR ist das zweite gesellschaftskritische Buch, das Eva Christ geschrieben hat und das im Köhler Verlag erschienen ist und in gewisser Weise eine Fortsetzung und Konkretisierung von DEUTSCHLAND, DEINE SCHWÄCHEN...: Das ebenfalls im Köhler Verlag Winzingen erschienene Buch von Eva Christ,  DEUTSCHLAND, DEINE SCHWÄCHEN... Ärzte, Juristen, Banker, Mitmenschen und andere Enttäuschungen, schildert ausführlich ihre Erfahrungen im Laufe ihres Lebens. Mit schonungsloser Offenheit spricht sie über ihre Gefühle, ihren Ärger, ihre Ängste und ihre Hoffnungen.

DEUTSCHLAND, DEINE SCHWÄCHEN... Ärzte, Juristen, Banker, Mitmenschen und andere Enttäuschungen . Mit einem Beitrag von Dr.med. Hannes Kapuste: Menschen, die keinen Arzt mehr flnden Köhler Verlag Winzingen. 356 Seiten, € 13,70 (D). ISBN 3-935277-15-6. Rezensionsexemplare bitte bei Köhler Verlag Winzingen anfordern (Anschrift s. oben)

 

 

Eva Christ erklärte in einem Presseinterview:

„Ich fühle mich ein wenig erleichtert, seit ich dieses Buch geschrieben habe. Mein großer Wunsch ist es, viele Menschen zum Nachdenken anzuregen. Ich scheue mich auch nicht vor öffentlichen Diskussionen mit Ärzten, mit der Pharmaindustrie und mit Politikern und bin gern bereit, entsprechende Beweise über meine Erlebnisse und Erfahrungen vorzulegen.

DEUTSCHLAND, DEINE SCHWÄCHEN..., ein Erfahrungsbericht, beschreibt, wie schmal der Grad zwischen „normalem Leben und völliger Verzweiflung in unserem Gesellschaftssystem verlaufen kann. Seelisch, moralisch und finanziell ausgebeutet, hat die Autorin auf ihrer Suche nach Hilfe und Gerechtigkeit erfahren müssen, welche Schwachstellen unsere medizinische Versorgung aufweist; dass Recht nicht Gerechtigkeit bedeutet; und mit wieviel Erfolg sich „wohlmeinende Zeitgenossen, im Rahmen der Gesetze bewegend, ihren Mitmenschen straffrei Schaden zufügen können.

Das Buch ist ein Versuch, in einer Zeit, in der jeder weiß und fast jeder leider auch akzeptiert, dass Politiker nicht nur vor Wahlen Unwahrheiten sagen, mit Nachdruck und in aller Deutlichkeit auf bestehende Missstände hinzuweisen.

Nach einer besonders schweren Krebserkrankung veränderte Frau Christ 1994 ihr Leben. Von den Ärzten schon aufgegeben, begann sie in der ihr eigenen Art den Kampf gegen die heimtückische Krankheit. Sie sammelte weltweit Erfahrungen in den Bereichen Naturheilkunde, Ganzheits- und Komplementärmedizin und entwickelte sich zu einer Kapazität auf dem Gebiet der Onkologie. Mit ihrem profunden Wissen war es ihr möglich, Wege aufzuzeigen, die aus der Sackgasse der Einseitigkeit schulmedizinischer Heilmethoden herausführen. Unermüdlich widmete sie sich fortan, ohne Rücksicht auf sich selbst zu nehmen und unter erheblichem Einsatz eigener finanzieller Mittel, krebskranken Menschen. Der Erfolg ihrer Methode gab ihr recht und die Möglichkeit, vielen Kranken zu helfen.

Auch der Krieg in Kroatien konnte sie 1995 nicht davon abhalten, einem Hilferuf zu folgen. Sie flog nach Zadar, um ein krebskrankes Kind zu retten. Die kleine Carla konnte in Deutschland erfolgreich behandelt werden. Professor Daniel Schweitzer (Enkel von Albert Schweitzer), den Eva Christ während ihrer Einsätze für Krebskranke kennen lernte, hat sie besonders beeindruckt und geprägt. Er wurde ihr Vorbild, und sie ist davon überzeugt, dass Schweitzer mit seinen Vorträgen und Darstellungen seiner Forschungsergebnisse über die Zusammenhänge von Medizin und Natureinflüssen, die „Schulmedizin“ eines Tages zum Umdenken bewegt.

 

Über die Autorin:

Das Lebensmotto von Eva Christ ist

 

Schenke den Menschen ein Lächeln, und sie lächeln zurück.

Gib der Welt positive Gedanken und sie gibt dir das Positive wieder.

 

Obwohl sich dieses Motto nicht immer verwirklichen lässt, glaubt sie an das Gute im Menschen. Mit ihrem Denken und Handeln hofft sie, zumindest ein klein wenig die Denk- und Lebensweise ihrer Mitmenschen im positiven Sinn beeinflussen zu können.

Dass es Grenzen und Ausnahmen gibt, musste sie leidvoll in der eigenen Ehe erfahren. Nach über 20 Jahren gab sie es auf, immer neues Vertrauen zu schenken — um schließlich doch wieder hintergangen und betrogen zu werden. Unmittelbar vor ihrer Krebsoperation, sozusagen den Tod vor Augen, übertrug sie ihre Firma auf ihren Ehemann — und verlor dadurch ihre materielle Existenz.

Ihr kam zugute, dass sie ein Mulitalent ist, u.a. eine Kämpfernatur und sie sagt, wer bereit ist, zu kämpfen, findet ein weites Feld dazu in diesem unseren Land. Diese leidvolle Erfahrung musste Eva Christ bei ihrem Kampf gegen die eigene Krankheit und bei der Hilfe für erkrankte Mitmenschen machen.

Unflexible aufgeblasene und verknöcherte Strukturen in Staat und Verwaltung, Pfründedenken. Kompetenzgerangel bei den „Göttern in Weiß, übermäßige Profitorientierung bei der übermächtigen Pharmaindustrie sowie völlig unzeitgemäße Gesetze, zum Teil aus Kaisers und Hitlers Zeiten, lassen selten Möglichkeiten zu, neues Denken zu subventionieren und zu etablieren.

Eva Christ, geboren 1956 in Saarbrücken, lebt seit 1976 in Bayern. In der Zeit zwischen Psychologie Studium und verschiedenen Jobs erkannte sie eine Marktlücke, wagte den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete eine schnell florierende Firma, die sie von 1979 bis 1998, als Inhaberin, erfolgreich leitete. Nebenher arbeitete sie als Modell und — schrieb nebenbei seit 1994: UND HEXEN GIBTES DOCH— ein Märchen für Kinder und Erwachsene, das zum positiven Denken anregen soll. Weiterhin stammt aus ihrer Feder die zeitkritische Erzählung INTERNETFLIRT.  Eva Christ schrieb außerdem zahlreiche Gedichte und war auch als Liedertexterin erfolgreich, z.B. mit Barfuss im Schnee, gesungen von Elmar Gunsch, oder dem Rapp Ein Münchner im Himmel— mit dem bekannten Torwart Sepp Maier.

 

 

Würfel: KV
 
Die Einbandseite zeigt Frau Dr. Christine Bauer

 

 

 


Eva Christ

 

 

 

 

 

TATORT

BUNDESWEHR

 

 

 

 

 

 

 

Der Tod der Fliegerärztin Dr. Christine Bauer und andere Unklarheiten bei den deutschen Streitkräften

 

 

 

 

 

KÖHLER VERLAG
KÖHLER TASCHENBUCH

Gesellschaft und Politik

Band 6002

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek – Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Na­tionalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im In­ternet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

ISBN 3-935277-21-0

 

 

 

 

Das Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.

 

 

 

Für Änderungen des €-Kurses behält sich der Verlag die Anpassung des aufgedruckten Preises vor.

 

 

Das Einbandfoto zeigt die Fliegerärztin Dr. Christine Bauer

 

Der Inhalt des Buches gibt die Meinung der Verfasserin, nicht die des Verlages wieder.

 

 

 

 

© Köhler Verlag Winzingen

ISBN 3-935277-21-0

 

 

 


Vorwort

 

 

Probleme innerhalb einer großen Institution wie der Bundeswehr sind normal. Sie wären sicherlich lösbar, wenn die Verantwortlichen – Politiker wie Vorgesetzte – dies...möchten. Eva Christ beschreibt in ihrem neuen Buch TATORT BUNDESWEHR diverse Mißstände. Ein Teil hiervon basiert auf der in den 90er Jahren von mir und zwei Kameraden erstellten Dokumentation Die Petition – unerledigt, in der die Problematik der Laufbahn BO 41 fliegender Besatzungen auf Kampfflugzeugen der deutschen Luftwaffe dargestellt wurde.

Um eines klar und deutlich zu sagen: Deutschland braucht auch in Zukunft eine funktionierende und effektive Luftwaffe. Mit dem Tornado steht ihr ein komplexes Einsatzmittel zur Verfügung. Zudem wird in Kürze – mit dem Eurofighter – eines der modernsten Kampfflugzeuge der westlichen Welt in den Truppendienst gestellt. Flugzeugführer und Waffensystemoffiziere, die diese Waffensysteme bedienen, müssen die besten Flieger der Gesellschaft sein. Sie müssen auch be­reit sein, zur Lösung von Konflikten Kampfeinsätze zu fliegen – unter Einsatz ihres eigenen Lebens.

Die Grundproblematik der fliegenden Besatzungen ist jedoch bis heute nicht gelöst – teilweise wurden Verbesserungen wieder rückgängig gemacht (Versteuerung der Fliegerzulage). Erhebliche Probleme im Bereich Nachwuchsgewinnung, Motivation sowie Kündigungen von voll ausgebildeten und einsatzfähigen Piloten/Besatzungsmitgliedern sind haus­­gemacht. Um es einfach auszudrücken: Die materielle Vergütung wird den geforderten Leistungen in keiner Weise gerecht. Die – lösbaren – Probleme sollten den Verantwortlichen bekannt sein. Werden sie nicht grundlegend gelöst, wird die Luftwaffe mit mittelmäßigen Besatzungen in die Zu­kunft fliegen.

Es ist zu hoffen, daß das vorliegende Buch den einen oder anderen Verantwortlichen erreicht und positive Einflüsse auf die Gestaltung einer leistungsfähigen und positiv motivierten Luftwaffe nimmt. Dies muß das Ziel sein. Eva Christ lei­stet dankenswerterweise hierzu ihren Beitrag – im positiven Sinn für unsere Streitkräfte.

 

Dipl.-Ing. Hubertus von Grolman

Major a.D.

Ex-Flugzeugführer auf Starfighter F-104 und TORNADO

 

Seeshaupt im September 2002

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was willst du – ein Buch über Probleme der Bundeswehr schreiben? Du hast ja Mut! Wenn dir das nur keinen Ärger bringt. — Du willst die Regierung kritisieren? — Du wirst keinen Verlag finden, der das Buch veröffentlicht. — Denke daran, daß die Medien es nicht mit der Wahrheit halten. Gerade die sind politisch gesteuert. — Du begibst dich in große Gefahr!

Nicht nur einmal habe ich solche und ähnliche Sätze gehört, immer dann, wenn ich über meine Arbeit gesprochen habe.

Es liegt mir nicht, Liebesromane oder Krimis zu schreiben. Mein Interesse gilt meiner Heimat, meinem Land, seinen Men­schen und der Politik, die in diesem Land gemacht wird.[1] Ich möchte erkennen, begreifen, handeln und das Leben nicht blind hinnehmen müssen. Ich möchte nicht hinter vorgehaltener Hand schimpfen und kritisieren, sondern offen und direkt aussprechen, was mir und anderen in diesem Land mißfällt und schadet.

Ernsthafte Probleme gibt es hierzulande inzwischen mehr als genug. Politiker streiten sich und lügen, was das Zeug hält, aber sie sind meist unfähig, dringliche Aufgaben ernsthaft anzugehen und ihre Pflichten wahrzunehmen. Es ist drin­gend notwendig, über Reformen nicht nur zu diskutieren. Un­ser immer mehr kränkelndes politisches System muß schnell reformiert werden.

In der freien Wirtschaft ist es ausgeschlossen, daß ein Bäcker den Beruf des Haardesigners ausübt. Kein Metzger schafft es, als Meister in der Autoindustrie zu arbeiten. Dafür sorgt schon die Handwerksordnung. Selten hat ein Arzt das Potential, ein Großunternehmen zu leiten. In der Politik sind solche „Karrieren“ durchaus möglich. Jeder kann plötzlich alles, und jeder weiß alles – er braucht nur Kandidat oder, noch besser, gewählt zu werden. Keine spezifische Intelligenz oder Ausbildung, keine Erfahrungswerte und kein Führungspotential sind notwendig, ein vergleichsweise großes Land wie die Bundesrepublik Deutschland zu regieren – es genügen vollauf Theoretiker, die niemals oder kaum praktische Erfahrungen in der freien Wirtschaft gesammelt, die oft bestenfalls während des Studiums und am Schreibtisch Wissen über die Führung einer Firma, über das Arbeiten im handwerklichen Beruf, über das reale Leben auf den Straßen und in den Betrieben gesammelt haben.

Ob unser Verteidigungsminister geeignet ist, sein schwieriges Amt zu bewältigen? Bei seinem Besuch im November 2002 bei der Flugzeugstaffel in Lagerlechfeld stellte er die Frage: „Wie viele Leute sitzen eigentlich im Tornado?“ Vielleicht hat er sich ja die Antwort gemerkt.

Bestimmt wäre ich nicht als Verteidigungsminister geeignet. Doch ich kann mit offenen Augen durchs Leben gehen und Er­fahrungen sammeln, Erfahrungen, die mir zeigen, wie einfach es wäre, zeitgemäße Änderungen zum Wohle des Staates und ihrer Menschen zu bewirken.

Unsere überzogene Bürokratie trägt viel Schuld an der Entwicklung, die unser Gemeinwesen genommen hat. Kluge Köpfe, die sich ihre Arbeit teuer bezahlen lassen, so daß anderenorts dringender benötigte finanzielle Mittel fehlen, haben im Lauf der Jahre ganze Systeme geschaffen, die zu anhaltenden Papierkriegen führen, die teils offenkundiger Schwachsinn sind, häufig jedoch auch zum Wahnsinn führen, und das Wich­tigste des Gemeinwesens, der Mensch, bleibt auf der Strecke. Im Fall der Deutschen Bundeswehr sind diese Menschen vorrangig die Soldaten und ihre Familien.

Nicht Waffen und andere Technik allein machen eine Armee schlagkräftig. Ohne Soldaten gäbe es keine Bundeswehr. Beherzigt das die Regierung? Berücksichtigt sie, daß es die Menschen sind, die eine funktionierende und verläßliche Bundeswehr ausmachen?

Vieles liegt bei der Bundeswehr im argen, wie ich feststellen mußte. Vieles müßte zeitgemäß verändert werden. Zum Beispiel mangelt es nicht an Geld, sondern an dessen sinnvoller Verteilung...

 

 

 

Die Bundeswehr

 

 

Was wissen wir vom Alltag in der Bundeswehr, von ihren Soldaten oder von ihrer militärischen und politischen Führung? Von Zeit zu Zeit hören wir von einer Diskussion oder von einer Reform. Die Medien berichten über Bundeswehreinsätze im Rahmen von Mandaten der Vereinten Nationen (UN) oder über finanzielle Probleme in unserer Armee. Was wir nicht erfahren: Themen wie Geldverschwendung und Fehlplanung, unprofessionelle Führung und Mobbing werden von der militärischen Leitung mit Duldung ihrer politischen Vorgesetzten „unter der Decke gehalten“. Aber nicht nur das. All dies wird sogar unterstützt und mit dem Versuch juristischer Winkelzüge gerechtfertigt. Kritiker werden mundtot gemacht.

In Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland – also unserer Verfassung – heißt es:

 

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

 

Und, dazu passend, in Artikel 5:

 

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

 

Doch wie unantastbar ist die Würde der Menschen in Deutschland tatsächlich? Eine Frage, die sich wohl inzwischen viele Menschen in dieser Republik stellen – die Liste der oben an­geführten Beispiele ließe sich beliebig und ohne Mühe fortsetzen.

– Arbeitslose, die verzweifelt eine Stelle suchen, um ihre Familien selbst und in ausreichendem Maße ernähren und versorgen zu können; Menschen aber auch, die mehr und mehr an dem Gefühl verzweifeln, die nicht mehr benötigten „Unterdogs“ und „Schmarotzer“ der Gesellschaft zu sein

– Kranke, die von ihren Ärztinnen und Ärzten nicht mehr im tatsächlich benötigten Maße und nach dem heutigen Stand der Forschung mit Medikamenten versorgt werden können, wenn das sogenannte Budget des jeweiligen Mediziners erschöpft ist, oder wenn sie von vornherein erst gar nicht zur Behandlung angenommen werden

– Arbeitnehmer und Rentner, von denen die einen stets einen nicht unerheblichen Teil ihres Einkommens in die Rentenversicherung zahlen bzw. gezahlt haben. Die sollen immer mehr einzahlen und später immer weniger herausbekommen, und immer weniger von den anderen beschert die Rente einen wirklich geruhsamen Lebensabend

– viele Menschen, die von der ohne jeden Zweifel notwendigen Pflicht zum Sparen bei Bund, Ländern und Kommunen betrof­fen sind, während gleichzeitig Millionen, nein Milliarden an Steuergeldern verschwendet werden und es in den Parteien und unter ihren politisch und juristisch Verantwortlichen im­mer mehr Korruptions- und Spendenaffären gibt

 

Wie steht es um die grundgesetzlich verbriefte Meinungsfreiheit? Wen, vor allem, welchen Politiker, interessiert außerhalb von Wahlkämpfen unsere Meinung? Sicher, wir haben das Recht, den Politikern unsere Meinung, unsere Sorgen und Vor­schläge in Petitionen kundzutun. Doch was sich daraus entwickelt, wenn sich beispielsweise Soldaten der Bundeswehr an den Petitionsausschuß des Bundestages wenden, wird hier noch ein Thema sein.

Für unsere Politiker scheint es ein besonders heikles Thema zu sein, wenn Soldaten der Bundeswehr, immer wieder auch als Bürger in Uniform bezeichnet, ihre Meinung sagen und An­regungen geben möchten. Zwar hat die Politik für die Probleme und Sorgen, aber auch Anregungen der Soldaten außerhalb des normalen ordentlichen Dienstweges die Einrichtung des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages geschaffen. Doch dient dieser, trotz aller „Sonntagsreden“ – auch seiner selbst – eher als politisches Alibi.

Soldaten berichten von schlechtem Material, noch schlechterer Ausbildung, von heruntergekommenen Kasernen, von einem Arbeitgeber – der Bundesrepublik Deutschland –, der seinen Fürsorgepflichten nicht nachkommt, und manches mehr.

Soldaten der Bundeswehr: Mündige Bürger in Uniform oder Opfer von Lüge, Mobbing und Geldverschwendung?

 

 

 

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

 

 

Im Juni 2000 umriß der damalige Wehrbeauftragte des Bundestages, Dr. Wilfried Penner, vor dem Zentrum Innere Führung in Koblenz die Aufgaben seines Amts, wie sie sich ihm selbst darstellten. Den Ausführungen, die an dieser Stelle in Auszügen wiedergegeben werden, kann man wohl zustimmen. Die Realität sieht anders aus.

 

Aus der Rede des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Dr. Wilfried Penner, vor dem Zentrum Innere Führung in Koblenz am 15. Juni 2000:

 

„Ich will einige Bemerkungen zu meinem Verständnis vom Amt des Wehrbeauftragten machen. Zuvörderst, es gibt keine vergleichbare Institution in unserem Staate, die rechtlich so fundamentiert ist. Der Wehrbeauftragte leitet seine Tätigkeit direkt aus der Verfassung ab. Er wird, wie es der Art. 45 b des GG[2] statuiert, vom Bundestag zur Wahrung der Grundrechte und als Hilfsorgan desselben bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle berufen. Das ist eine sogenannte institutionelle Garantie für das Amt des Wehrbeauftragten in der Verfassung, die nicht durch nachgeordnetes Recht, auch nicht durch Gesetz, beseitigt werden kann.

...

Für einen Juristen höchst schmeichelhaft ist die Bemerkung des namhaften CSU-Abgeordneten und nachmaligen Justizministers Dr. Richard Jäger, nach der der Wehrbeauftragte ‚der Kronanwalt des Parlaments und der deutschen Soldaten sei‘.

...

Und wenn der Wehrbeauftragte dabei, wie es der bedeutende Verteidigungspolitiker Fritz Erler postuliert hat, ’alles, was die Bundeswehr angeht, sehen, riechen, hören, schmecken soll‘, so ist das eine Deutung, mit der ich einiges anfangen kann und die auch für meine Amtsführung Orientierung werden kann. Allerdings ist die Tätigkeit des Wehrbeauftragten nicht bloß auf den Brief- oder Kummerkasten der Bundeswehr und seiner Soldaten fixiert, die Zielaufgabe bleibt die Wahrung der Grundrechte der Soldaten und der Inneren Führung unter den besonderen Bedingungen der Armee.

...

Allerdings: Nicht jede Bitte und noch so gut begründete Anregung ist erfüllbar, und das sage ich auch offen und unmißverständlich. Und: Der Wehrbeauftragte ist nicht der Neben-, Über- oder Unterverteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, und schon gar nicht hat er die Kompetenzen des Parlaments. Geradeheraus: Die politischen Entscheidungen über die Zukunft der Bundeswehr treffen und verantworten Bun­desregierung und Parlament. In diesem vorgegebenen Rahmen hat der Wehrbeauftragte mit Anregungen und Bemerkungen und Sachwalterfunktion seinen Platz; und weil die Institution des Wehrbeauftragten so beispiellos fest politisch und rechtlich verankert ist – wie kaum eine zweite staatliche Institution –, hat er auch den selbstverständlichen Anspruch darauf, gehört und beachtet zu werden. Der Wehrbeauftragte muß wissen, was in der Bundeswehr geschieht, das ist unverzichtbar für seine Arbeit. Seine Informationsmöglichkeiten sind umfassend.

...

Anregungen von Politikern, Institutionen oder normalen Bürgern können ebenso bedeutsam wie Eingaben der Soldaten selbst sein. Hinzu kommt das immer lückenloser werdende Medieninteresse, das natürlich vor der Bundeswehr nicht halt­macht und auch nicht vor der Tätigkeit des Wehrbeauftragten. Ich werde die Augen offenhalten, registrieren und behalten, um den Angelegenheiten der Bundeswehr und ihrer Soldaten Gehör zu verschaffen, beim Parlament, bei der Bundesregierung oder beim Souverän selbst.

...

Ging es in früheren Jahren darum, zumindest in die Nähe des bekannten 3-%-Anteils am Bruttosozialprodukt zu kommen, so hat sich dies seit einigen Jahren auf 1,5 % derselben Bezugsgröße eingependelt. Und das, obwohl Kriseneinsätze hin­zugekommen sind, immer neue Aufgabenfelder auch mit Auswirkungen auf die Bundeswehr politisch festgelegt worden sind (man denke nur an die intensive Europäisierung deutscher Sicherheitspolitik ohne Lockerung der Bündnisverpflich­tungen im übrigen) wie auch das immer größer werdende In­vestitionsdefizit mit unübersehbaren Folgen für die Funktionstüchtigkeit der Bundeswehr insgesamt.

...

Aus der Sicht des Wehrbeauftragten sind folgende Aspekte über die Zukunft der Bundeswehr besonders zu beachten:

1. Die Soldaten in Sonderheit haben Anspruch auf Planungssicherheit. Die unentschiedene Lage darf nicht zum Dauerzustand gerinnen; Zeit genug ist verstrichen. Dem großen Ratschlag muß baldmöglichst die Entscheidung folgen.

2. Im Interesse der Soldaten und der Bundeswehr muß die Entscheidung eine Perspektive haben und nicht bei jedem Wind­hauch unter den Vorbehalt jederzeitiger Veränderbarkeit geraten. Dazu gehört nicht nur, aber auch, eine solide Finanzausstattung – und dies auf längere Sicht.

3. Es geht nicht an, den Soldaten treues Dienen für das Vaterland abzufordern und sie bei der Ausstattung mit Gerät auf die Vergangenheit oder Zukunft zu verweisen, weil die Gegenwart zu trübe ist. Und da wir gerade dabei sind: Die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den Soldaten ist kein vernachlässigenswertes Anhängsel; die Fürsorgepflicht des Staates korrespondiert direkt mit den soldatischen Pflichten.

...

Eine Gelegenheit wie diese darf der Wehrbeauftragte nicht verstreichen lassen, ohne sich zum Thema Innere Führung zu äußern. Gerade an diesem Ort verbietet es sich, umfassend Gesagtes zu bekräftigen und zu wiederholen. Wo, wenn nicht hier, wird Innere Führung gedacht, praktiziert und gelehrt. Es ist an diesem Ort so etwas wie selbstverständliche Gewißheit, daß Innere Führung das ideologische Integral des demokratischen Rechtsstaates unter den besonderen Bedingungen der Armee, ihrer Führer und Soldaten ist.

Und das sind und bleiben die wesentlichen Elemente:

1. Die uneingeschränkte Kontrolle der Streitkräfte durch das Parlament.

2. Die Einbettung der Streitkräfte in die rechtsstaatliche Ordnung.

3. Die Verwirklichung wesentlicher staatlicher und gesellschaftlicher Werte und Normen in den Streitkräften.

4. Der Gehorsam gegenüber den Gesetzen bei der Ausübung der Pflichten und bei der Inanspruchnahme der Rechte.

5. Das Leitbild des ‚Staatsbürgers in Uniform‘

50 Jahre nach ‚Erfindung‘ der Inneren Führung steht fest: Ethische Maßstäbe, historisch-politische Bildung, professionelle Ausbildung und zeitgemäße Menschenführung müssen ohne Einschränkung jederzeit die prägenden Merkmale des Staatsbürgers in Uniform bleiben. Was die Zukunft betrifft: Dazu hat schon einer der Gründerväter der Inneren Führung, General a.D. de Maizière, gesagt:

‚Innere Führung ist...ein dynamisches Konzept, immer in Entwicklung, nicht in revolutionären Sprüngen, aber in ständiger Evolution. Innere Führung muß ‚aktuell‘ sein...‘ Das ist nach wie vor richtig. Deshalb darf man die Grundsätze der Inneren Führung nicht als statisches System begreifen; sie sind vielmehr ständig im Begriff, sich zu verändern und weiterzuentwickeln, eben, weil Politik und Gesellschaft einem ständigen Wandel unterworfen sind; oder, um es mit Adorno zu sagen: ‚Gesellschaft ist ein Zustand, in dessen Wesen es liegt, ein Prozeß zu sein.‘

Was heißt das konkret? Der erweiterte Auftrag der Bundeswehr, die Öffnung der Streitkräfte für Frauen, die Bundeswehrstrukturreform, die verstärkte Beachtung von Wirtschaftlichkeitsaspekten als Bestandteil des militärischen Führungsvorgangs und die Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft, sind Beispiele politischer und gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, welche die Bundeswehr als offenes soziales Subsystem erklärtermaßen mitvollziehen soll.

Der soziale Wandel hat zu einem Wandel der Werte geführt, der auch die Soldatenfamilie erfaßt und verändert. Familiäre Belange erhalten gegenüber dienstlichen Forderungen ein höheres Gewicht als früher. Das macht die Familie aus militärischer Sicht zunehmend zu einem ‚Störfaktor‘. Die Mobilitätsbereitschaft der Soldatenfamilie geht zurück. Kriterien für die Umzugsbereitschaft sind immer weniger Beförderungs- und Karrieregesichtspunkte als vielmehr ‚Familienverträglichkeit‘ und andere soziale Faktoren wie beispielsweise der Erhalt ihrer sozialen Verkehrskreise.

Die klassischen Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung sind ergänzt worden mit Aufträgen im Rahmen völkerrechtlicher Mandate. Sie umfassen u.a. Aufgaben, wie das ‚Pazifieren‘, ‚Schützen‘, ‚Helfen‘ und ‚Retten‘, die multinational wahrgenommen werden. Zwar ist Außenpolitik nach wie vor primär Interessenpolitik, der Streitkräfteeinsatz folgt aber ver­mehrt auch altruistisch-idealistischen Grundmotiven, was auch dazu beigetragen hat, daß die Bundeswehr eine breitere Zustimmung in der Bevölkerung gewonnen hat.

Wenn sich aber Aufträge oder gesamtgesellschaftliche Umstände ändern, so wird sich auch das Prinzip der Inneren Führung fortentwickeln. Es ist eine Klammer zwischen den Bürgern und den Soldaten.

Die neuen Aufgaben und Werte müssen rückgekoppelt werden zu den Bürgerrechten und -pflichten. Das Parlament wird schließlich auch durch die Soldaten gewählt.

Hier liegen die Herausforderungen einer Diskussion und Weiterentwicklung der Grundsätze der Inneren Führung, die als Konzept der Wirksamkeit freiheitlich-demokratischer Vorstellungen von Menschenwürde und Grundrechten auch in den Streitkräften unverzichtbar ist und an der ich im Rahmen meines gesetzlichen Auftrages gerne mitwirken möchte.

Post dictum: Es geht nicht, daß der eine Soldat den vollen Sold erhält und der andere weiterhin nur 86,5 %; schließlich ist die DDR seit zehn Jahren Geschichte.“

 

 

Seit 1999 lebte ich in der Nähe von Landsberg am Lech. Zu dieser Zeit war ich mit einem meiner ersten zeitkritischen Manuskripte beschäftigt, als ich in der Presse von Dr. Christine Bauer, Fliegerärztin in Penzing bei Landsberg, erfuhr. Ich kannte diese Frau bereits aus früheren Zeitungsberichten. War sie nicht einst die Vorzeige-Soldatin der Bundeswehr gewesen?

Mein Interesse, mich in die Materie zu vertiefen, wuchs. Seit vielen Jahren war ich mit Soldaten der Deutschen Bundeswehr bekannt und befreundet. Meine Kontakte erstreckten sich über ganz Deutschland, eben auch nach Penzing, Lagerlechfeld und in die Bereiche Traunstein, Schongau und Murnau.

Ich wollte mehr über die Bundeswehr erfahren, die mir stets das Gefühl der Sicherheit gegeben hatte.

Das erste Treffen mit einem Tornado-Piloten freute mich besonders, denn er war ein guter Freund, den ich Jahre nicht gesehen hatte, da er nach Norddeutschland versetzt worden war.

„Was – du glaubst an ein sicheres Waffensystem der Bundeswehr? Dann sage ich dir, was ich mir erhoffe. Ich hoffe, so bald wie möglich in die USA verlegt zu werden. Ich bemühe mich, meinen Vorgesetzten von den Lippen zu lesen und das zu erreichen, was viele wollen, einen hohen Dienstgrad, gesichertes Einkommen und eine zufriedene Zukunft mit meiner Familie. Deshalb bleibe ich bei diesem Zirkushaufen und sage immer schön ja. Fliegen ist meine Leidenschaft, und solange ich hier und da meine Test- und Übungsflüge durchführe, geht es mir einigermaßen gut. Denke ich aber daran, einmal in ein Krisengebiet befohlen zu werden oder aber in den Kriegseinsatz zu kommen, gebe ich mir vorab die Kugel.

Wir mit unserem Bestand schaffen in einem solchen Fall nicht einmal einen gescheiten Start, viel weniger noch einen Einsatzflug. Die holen uns runter wie Fliegen. Was Schnelligkeit, Höhe und Waffensysteme anbelangt, nenne ich dir nur ein Beispiel: ‚Holzschwert gegen Laserstrahl‘. Wir haben keine Chance gegenüber anderen, wir haben das Schlechteste und Älteste, das es gibt. Uns lachen zwischenzeitlich schon die Holländer und die Türken aus. Komme ich, weil ich ein absoluter Schleimer gegenüber meinen Vorgesetzten bin und tolle Bewertungen erreiche. in die USA, geht mir jeder Krieg am Hintern vorbei, weil ich in keinen Einsatz muß.“

Damit habe ich nicht gerechnet. Ein Soldat mit Leib und Seele, ein Pilot, dessen Kinderwunsch es war, zu fliegen – und nun solch negative Aussagen!

 

In allen weiteren Gesprächen mit Freunden und bekannten Soldaten bemerkte ich plötzlich Unmut und erfuhr starke Kritik an der Regierung und dem System beim Bund.

Langsam verlor ich das Gefühl der Sicherheit in meiner Heimat. Jedenfalls war für mich der Suizidversuch von Frau Dr. Bauer wichtig geworden, und ich suchte verstärkt Kontakte zu knüpfen, um für mich Licht ins Dunkel zu bringen.

Bald erkannte ich, daß es nur eine Möglichkeit gab, diese Verzweiflungstat von Frau Christine Bauer zu erklären...

 

Im Mai 2002 erreichte mich interessante Post. Ein Soldat aus R., der von meinem Vorhaben, ein Buch über Probleme innerhalb der Bundeswehr zu schreiben, informiert worden war, sandte mir aufschlußreiche Unterlagen.

 

 

 

 

 

 

Frust bei den Soldaten

 

 

Im März 2002 legte der Beauftragte der Bundeswehr für Erziehung und Ausbildung den Jahresbericht 2001 vor. Man sprach die Empfehlung aus, diesen für die Soldaten auf dem Dienstweg zu beschaffen, was aber nur für kurze Zeit möglich war.

In der Frankfurter Rundschau wurde am 07.03.2002 eine gekürzte Fassung online ins Netz gestellt, aus der hier zitiert wird:

 

1. Demotivation, Mangelwirtschaft und Abrücken von der militärischen und politischen Führung.

...

Eine allgemeine Ernüchterung, vor allem wegen der nicht eingehaltenen Versprechungen zur Steigerung der Attraktivität des Soldatenberufes, war überall deutlich zu spüren. Kommandeure und Chefs bemühen sich zwar um Loyalität, befinden sich aber häufig in einem Erklärungsnotstand und fühlen sich alleingelassen.

„Bevor wir der Truppe die Wahrheit sagen, informieren wir lieber gar nicht.“ Die Zurückhaltung der Generalität wird zunehmend unverhohlen kritisiert. Es wird nicht verstanden, warum der militärische Sachverstand nicht erkennbar in den politischen Entscheidungsprozeß eingebracht wird. Es ist tiefes Unverständnis spürbar über den „Wildwuchs“ von externem Sachverstand zur Umsetzung der Neuausrichtung der Bundeswehr von Grund auf. Die Truppe steht nicht mehr vorbehaltlos hinter der militärischen Führung. Geglaubt wird dem Führer, der durch seine persönliche Präsenz vor Ort „greifbar für die Männer“ ist. Der politischen Leitung wird mit starken Vorbehalten begegnet. Nach den Einsatzentscheidungen für die „Enduring Freedom“ und „ISAF“ konzentrieren sich die Erwartungen auf den Bundeskanzler, da man von ihm jetzt die notwendige finanzielle Unterfütterung der Bundeswehr erwartet.

 

 

2. Führungssituation

 

In Verbänden mit gefestigter Struktur, die von Auflösungen nicht betroffen sind, ist die Welt noch weitgehend in Ordnung. Es gibt aber erste Anzeichen, daß Unterführer ihren Chefs und Kommandeuren unterstellen, nicht mehr mit ganzem Herzen vor ihren Einheiten und Verbänden zu stehen. Als Vorwurf wird erhoben, einige Führer würden den teilweise frustrierenden und wenig attraktiven Dienst an der „Heimatfront“ zu bereitwillig für eine „interessante Stabsstelle“ im Einsatz eintauschen. Soldaten in den zurückbleibenden Verbänden und Einheiten haben ein feines Gespür, wer sich aus Karrieregründen in den Einsatz „abseilt“. Mit Sorge beobachte ich eine rückläufige Bereitschaft, Handlungsspielräume der mittleren und unteren Führungsebene zu vergrößern und den Führern vor Ort „Leine zu geben“. Hierbei spielen die modernen Kommunikationsmittel eine fatale Rolle. Unter Miß­ach­tung der Führungsebene werden Weisungen/Abfragen bis ganz nach unten durchgeschoben. Damit wird die Führung auf der entsprechenden Verantwortungsebene und ei­ne sachgerechte Auswertung des Auftrages, die durchaus zu einem begründeten „Nein“ führen könnte, behindert. Häufig ist die „Absicht der übergeordneten Führung“ nicht mehr erkennbar, die „wesentliche eigene Leistung“ bleibt damit unklar.

 

 

 

 

2.1 Auftragslage

 

Meine Feststellungen aus dem letzten Jahr zur Überlastung der Truppe, die sich aus ständigen Planungsänderungen, enger Terminsetzung, kurzfristigen und oft kaum erklärten personellen und materiellen Auflagen sowie unverändert bürokratischen Abläufen begründet, haben sich mit gestiegener Tendenz bestätigt.

 

 

2.2 Führungsverhalten

 

Es gibt vereinzelt Defizite im Führungsverhalten. Soldaten sagen aus, daß Kommandeure zunehmend rücksichtsloser führen, um ihre Aufträge zu erfüllen, aber auch um ihre Karriere nicht zu gefährden. Die Feststellung „Wir jungen Offiziere werden wie dumme Jungen behandelt, man hat nicht das Gefühl, Mitarbeiter in einem Team zu sein, sondern Handlanger“ beschreibt eine zunehmend kritische Einschätzung dieser Situation. Die „Sprüche“ vorgesetzter höherer Offiziere wie: „Nicht maulen, erst mal den eigenen Laden kehren!“ oder „Sie müssen pfiffige Ideen entwickeln!“ werden mit Ironie zur Kenntnis genommen und wie folgt kommentiert: „Auf Fragen erhält man keine substantiellen Antworten, sondern nur noch politisches Gelaber.“ Die Truppe will persönliche Führung erleben: „Wir brauchen keine leistungsbezogene Besoldung, sondern als Lob die Hand des Vorgesetzten auf der Schulter.“

Sorge bereitet mir, daß studierte Zeitoffiziere mit einer entsprechend attraktiven Eintrittskarte in das zivile Berufsleben zunehmend unverblümt im Kameradenkreis und gegenüber Untergebenen die aus ihrer Sicht mangelnde Perspektive bei der Bundeswehr aufzeigen. Etwas ratlose Unteroffiziere hinterfragen dann, ob das „alles so richtig“ sein könne, und ordern ebenfalls für ihre Dienstgradgruppe eine entsprechend höherwertige Qualifizierung für die Zeit nach der Bundeswehr. Beklagt wird die fehlende Bereitschaft der militärischen Führung, sich gegen die mangelnde Flexibilität und „unanständigen Zumutungen“ der „Verwaltung“ zu wehren. So seien z.B. die im VMBL[3] 1988 erfaßten „schwerwiegenden Gründe“, die der Versetzung eines Soldaten entgegenstehen, zu eng gefaßt. Einhellig fordern die Dienstgrade eine Überarbeitung der Erlasse im Sinne der Soldaten. Öfter mal „Nein“ zu sagen und den Kampf mit der Verwaltung und ihrer Bürokratie aufzunehmen, wird zunehmend häufiger von den Vorgesetzen erwartet.

 

 

2.3 Information

 

Das intensive Bemühen der Dienstherren, umfassend und schnell zu informieren, wird allgemein anerkannt. Es besteht jedoch in der Truppe teilweise ein Ungleichgewicht zwischen einem Informationsüberangebot auf der einen Seite und einem Mangel an konkreter Information auf der anderen. Bei einem Überfluß an Information wird die Darstellung eines „Gesamtbildes“ und die persönliche Stellungnahme des Vorgesetzten er­forderlich und auch erwartet. Seine direkte „Ansage“ vor der Front ist immer noch die wirkungsvollste Form der Informationsvermittlung. Diese geschieht zunehmend nicht mehr. Ein Mangel an Information wird auch von Dienstgraden hart kritisiert, andererseits stelle ich häufig eine geringe Bereitschaft fest, den „Kampf um Information“ zu führen. Die Hinweise, daß Informationen auch abgeholt werden und daß lebenslanges Lernen auch zu den Qualifikationsmerkmalen eines Soldaten gehört, könnte nicht häufig genug gegeben werden. Informieren – als Führungsaufgabe aller Ebenen – sollte daher mit Nachdruck in der Führungsausbildung deutlich gemacht werden. An die technischen Produkte des Info-Managements wird als Meßlatte der freie Markt gelegt. „Info Magazin“ und „Info Forum“ werden selten gesehen, während das Magazin „Y“ angenommen wird. „Y“ informiert in kleinen Häppchen und gut verständlich.“ Mit Unverständnis registrierten die Männer Kommunikationsschwächen. „Mich hat betroffen gemacht, daß wir, die wir im Einsatz waren, von der Auflösung des Bataillons aus der Zeitung erfahren haben. Der Brigadekommandeur, der auch vor Ort war, hielt es nicht für nötig, uns nicht persönlich zu informieren.“ Von einem Vorgesetzten wird erwartet, daß er die Zeit und den Mut aufbringt, derartige Entscheidungen „Auge in Auge“ bekanntzugeben. Ein allge­meines Thema bei der Marine sind die Defizite bei der Informationsgewinnung an Bord. Fernsehen gibt es nur in Küstennähe und Internet häufig überhaupt nicht.

 

 

2.4 Personelle Rahmenbedingungen

 

Kurze Stehzeiten der Offiziere in Führungsverwendung werden allgemein beklagt. „Unser letzter Chef war nur ganz kurz hier. Man hat das Gefühl, daß der sich gar nicht mit der Einheit identifiziert hat und den Posten nur für seine Karriere brauchte.“ Dieses Problem ist aber weniger auf den Kompaniechef beschränkt, sondern betrifft eher die Kommaneure. Chefs und Offiziere werden häufig als „Demotivationsträger“ und „Durchlauferhitzer“ betrachtet – nach dem Motto: „Die Suppe, die ich einbrocke, muß ich selbst nicht mehr auslöffeln.“ Die zunehmende Unzufriedenheit ist deutlich bei den älteren Soldaten festzustellen. Diese Personengruppe droht als positiver Werbeträger für die Streitkräfte wegzurutschen. „Der Dienstherr hat den Arbeitsvertrag schon mehrfach einseitig abgeändert. Als ich Berufssoldat geworden bin, habe ich auch meine finanzielle Lebensplanung danach ausgerichtet. Und jetzt kann es passieren, daß man nach 35 Dienstjahren angeschrieben wird und den „Zurruhesetzungsvorschlag“ erhält. Das ist doch die Rote Karte.“ Mehrheitlich wird ein Antragsverfahren im Rahmen des Personalanpassungsgesetzes befürwortet. Das sei auch psychologisch günstiger als der subjektiv so empfundene Rausschmiß. Auch in diesem sensiblen Bereich bedarf es noch der intensiveren Information. Sorge bereitet bei allen Truppenteilen, daß sich immer weniger gute Zeitsoldaten davon überzeugen lassen, Berufssoldat zu werden. Neben finanziel­len Anreizen seien Verbesserungen der Rahmenbedingungen des täglichen Dienstes, wie sie in der Industrie mittlerweile selbstverständlich wären, unabdingbar. Dazu gehört die private Nutzung von Dienstwagen, eine modernere Bürokommunikationsausstattung, die Verfügbarkeit von Kreditkarten bei Dienstreisen – um nur einige Beispiele zu nen­nen. Die mangelnde Perspektive, die Auslandseinsätze, die U­nsicherheit des Standortes und der Familiensituation schreckt viele junge Leute von einem Dienst mit längerer Stehzeit in den Streitkräften ab. Der Kommandeur einer Schule berichtet, daß sich die Teilnehmer eines Kompaniecheflehrgangs mit großer Skepsis zur Entwicklung der Bundeswehr geäußert hätten. „Wir haben das Vertrauen in die politische Führung verloren und Zweifel, ob die Entscheidung, Berufssoldat zu werden, richtig gewesen ist.“ Aus der Sicht vieler Sanitätsoffiziere ist für etwa 90 % der Ärzte kein klarer Verwendungssaufbau erkennbar. Trotz schlechter La­ge auf dem zivilen Arbeitsmarkt reduziert dies die Zahl derer, die den Wunsch hätten, Berufssoldat zu werden. Junge Offiziere berichten: „Im 64. Offizieranwärterjahrgang ist keiner dabei, der Berufssoldat werden will.

In einem Hörsaal haben sich bei einem Einweisungslehrgang von 20 Offizieren nur zwei überlegt, bei der Bundeswehr zu bleiben. „Man kann mit der Bezahlung leben, es fehlt aber die Perspektive.“ „Jeder Idealismus hört irgendwann auf. Wo bleibt die Attraktivität für die Offiziere, wenn man vom Kompaniechef A 12[4] einmal absieht. Die Summe der schlechten Rahmenbedingungen wirkt sich auf die Zahl der Anträge zum Berufssoldaten aus. Als Leutnant wollen wir fast alle Berufssoldat werden. Diese Einstellung hat sich im Studium rasant verändert. Einsatz, W 10, Behandlung durch höhere Vorgesetzte und Dienstzeitbelastungen, die Erkenntnis, daß es außerhalb der Bundeswehr noch etwas anderes Erstrebenswertes gibt – viele haben ihre Anträge zerrissen – zwölf Jahre waren eine gute Zeit – jetzt reicht es“, spiegelt eine weit verbreitete Stimmung wieder, die auch in „Kaffeegesprächen“ in der Einheit gegenüber Untergebenen deutlichgemacht wird. Ein Hauptmann schildert seine Berufsperspektive: „Schon auf dem Weg zum Hauptmann und Chef mehrere Versetzungen. Danach drei oder vier A 11 Verwendungen, dann A 13 für 10 bis 15 Jahre, um A 14 zu werden. Auf dieser Zeitachse gesehen ist A 14 kein attraktives Ziel. Als Berufschullehrer bin ich gleich A 13, und die Perspektive ist dieselbe. Wenn ich Stundenansatz und Versetzungshäufigkeit sehe, verdient der sein Geld leichter.“

Soldaten vergleichen sich selbstverständlich mit anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes und kommen dabei zumeist zu der subjektiven Erkenntnis, daß sie das Schlußlicht bilden.

 

 

2.5 Materielle Rahmenbedingungen

 

Die teilweise desolate Materiallage wird drastisch geschildert. Kaum einer nimmt noch ein Blatt vor den Mund, die Verärgerung ist deutlich spürbar. In den Gesprächen mit dem BEA[5] nutzen Soldaten die Möglichkeit, sich einmal richtig Luft zu machen. Meinen Feststellungen aus dem letzten Jahr ist nichts hinzuzufügen, es sei denn, daß sich die Gesamtsituation weiter verschlechtert hat. Die Soldaten befürchten, daß es in Zukunft nicht besser wird. Die Bundeswehr solle kleiner, feiner, professioneller und attraktiver werden. Es würden weltweite Auslandseinsätze durchgeführt, und „man wolle überall mitreden“, nur die Mittel dafür fehlen. „Wir haben keine Ersatzteile, sondern nur Material, das immer älter und schlechter wird.“ Es sollte öfter mal Vorgesetzte geben, die sagen: „So geht das nicht weiter.“ Ein Beispiel sei die ABC-Abwehrtruppe, die immer wieder öffentlichkeitswirksam „ins Spiel gebracht“ werde. „Mir graut, wenn ich im Fernsehen höre, die deutsche ABC-Abwehrtruppe sei die bestausgebildete und bestausgerüstete auf der Welt. Dabei sind wir nicht einmal in der Lage, einen einzigen Trupp zusammenzubekommen, der hundertprozentig seinen Auftrag erfüllen kann.“ Als besonders schwierig wird die Materiallage von den Technikern der Luftstreitkräfte empfunden und dargestellt. Vor allem die mangelnde Wahrnehmung dieser Tatsache durch die Vorgesetzten, aber auch durch die Politik wird mit zunehmendem Unverständnis und teilweise deutlicher Verärgerung als unerträglich betrachtet.

„Wenn ich im Geschwader Reden bei Kommandoübergaben höre, glaube ich, ich bin in einem anderen Verband. Al­les himmelblau. Man fragt sich, ob denn oben überhaupt et­was ankommt. Das schönste Märchen ist unsere Klar­standsmeldung; da wird nur modifiziert und gelogen.“ Immer noch beklagt die Mehrheit der Verbände beim IT-Konzept einen Realisierungsgrad von unter 50 Prozent, Hardware fehle, vorhandene Systeme seien veraltet oder nicht mit wichtigen Komponenten, wie z.B. einem CD-ROM-Laufwerk, ausgestattet. Dieser Mangel führe dazu, daß elektronisch oder auf Datenträger übermittelte Informationen nicht „ankommen.“ Die Truppe behilft sich mit der Nutzung privater Rechner, um den Dienstbetrieb in angemessener Weise auf­rechterhalten zu können. Völlig verständnislos werden deswe­gen die logistischen Verfahren kommentiert, die eine dienst­liche Bereitstellung des IT-Verbrauchsmaterials für diese PC nicht zulassen. Eine gute Computerausstattung ist heute Kennzeichen eines modernen Arbeitsplatzes. Daher be­lächeln insbesondere die im Stabs- oder Geschäftszimmer­bereich eingesetzten GWDL[6] den oftmals, aus ihrer Sicht „museumsreifen“ Bürostandard.

Mangelnde Attraktivität auch in diesem Bereich hält letztendlich so manchen guten, interessierten Soldaten davon ab, sich weiterzuverpflichten.

 

 

3. Personalwesen

 

3.1 Nachwuchsgewinnung

 

Unvermindert hält die Kritik an der Arbeit der Kreiswehrersatzämter und Zentren für Nachwuchsgewinnung in der Truppe an. Führer reklamieren, daß der Nachwuchs in qualitativer und quantitativer Hinsicht nicht den Erfordernissen entspreche. Manche Bewerber hätten sich vorher schon erfolglos bei Polizei, BGS oder auch in der öffentlichen Verwaltung vorgestellt – die Bundeswehr sei für diese bestenfalls nur „dritte Wahl“. Die jungen Soldaten kämen dann oft noch mit völlig falschen Vorstellungen in die Truppe oder aber mit dem festen Vorsatz, sich möglichst schnell an einen heimatnahen Standort versetzen zu lassen.

Immer wieder wird der Vorwurf erhoben: „Bei KWEA[7] und ZNwG[8] wird nur stur Quote gemacht.“ Nicht selten bestätigen uns die Geworbenen dieses Urteil. Sie seien nur oberflächlich oder falsch informiert worden, und gemachte Zusagen hätten sich nicht erfüllt.

Übrigens ist selbst bei Betroffenen mit Verwunderung zur Kenntnis genommen worden, daß eine praktische Überprüfung der körperlichen Ausdauerfähigkeit an einigen ZNwG (der 12minütige Lauf) nicht mehr stattfindet. Ich habe Verständnis für die Führer, die unter dem Eindruck der Nachwuchssituation in ihren Einheiten oder Teileinheiten diese Kritik und Klage vorbringen. Tatsächlich ist dies aber eine Verkennung der realen Bewerbersituation und der enormen Bemühungen der Nachwuchsgewinnungsorganisation, den Bedarf ohne allzu große Qualitätszugeständnisse zu decken. Die Truppe hat in dieser Hinsicht einen hohen Informationsbedarf. Um ihn zu befriedigen, muß der eingeschlagene Weg des Dialoges zwischen Stammdienststellen, ZNwG und Verbänden intensiv fortgeführt werden. Die Werbemaßnahmen der Streitkräfte finden keine Akzeptanz bei den Soldaten. Kaum einer erkennt sich im dargestellten Berufsbild und -umfeld wieder. Immer lauter wird die Forderung nach einer Verbesserung des „international marketing“, der Innenwerbung. Zufriedene Mitarbeiter seien die besten Werbeträger für das „Unternehmen“ Bundeswehr. Unterstrichen wird diese Aussage dadurch, daß nur noch eine Minderheit unserer Längerdiener in ihrem privaten Umfeld den Dienst bei der Bundswehr vorbehaltlos empfiehlt. Vor diesem Hintergrund war die Bedeutung des Attraktivitätsprogramms kaum zu über­schätzen. Seine Nichtumsetzung im Jahre 2001 hat nachhaltig das Vertrauen in die Führung beschädigt. Sie hat außerdem dazu geführt, daß Teile des Programms schon „zerredet“ und seine positiven Wirkungen in Frage gestellt werden. Es wird also nun, nachdem die Entscheidungen gefallen sind, auf eine schnelle Umsetzung ankommen und darauf, die Information über die positiven Effekte für jeden verständlich an den Mann zu bringen. Generell wird in den Gesprächskreisen unserer Streitkräfte eine gesunkene Attraktivität attestiert. Personelle und materielle Rahmenbedingungen würden sich stetig verschlechtern und so den Dienst erschweren. Für viele potentielle Aspiranten ist der Berufssoldat keine Alternative mehr. Abschreckend wirkt die geforderte Mobilität, fehlende Planungssicherheit und Perspektiven in den Laufbahnen, aber auch die Aussicht, in regelmäßigen Abständen für sechs Monate in den Einsatz gehen oder länger auf See bleiben zu müssen. Unvermindert hält die Kritik an der Einstellung mit höherem Dienstgrad in allen Teilstreitkräften an. Dies mag auch daran abzulesen sein, daß die despektierliche Bezeichnung „Neckermänner“ mittlerweile sprachliches Gemeingut geworden ist. Es ist auch 2001 nicht gelungen, die weit verbreiteten Vorbehalte und Vorurteile durch offensive Informationspolitik auszuräumen. Hartnäckig hält sich nach wie vor die Meinung, die o.a. Soldaten hätten Laufbahnvorteile. Fast generalisierend wird ihnen ein Mangel in der Einstellung zum Beruf und ausschließlich finanzielle Motivation unterstellt.

Betroffene berichten auch von einer, ihrer Meinung, ge­ziel­ten Überforderung durch Vorgesetzte. „Man bekommt eben immer das ‚Naßrevier‘, drückt ein Stabsunteroffizier diesen Sachverhalt recht anschaulich aus. Die wesentliche Forderung bleibt stets: „Geld ja – Dienstgrad nein.“ Mit ähnlicher Skepsis begegnen große Teile der Truppe der „Gestrafften Ausbildung zum Feldwebel (GAF)“ und den so ausgebildeten Führern. Bei aller Attraktivitätssteigerung sei sie zu „verschult“, zu „theorielastig“. Aus vielen Äußerungen, vor allem der Unteroffiziere, spricht die Sorge, daß ihr Berufsbild entwertet werden könnte. Die Disziplinarvorgesetzten müssen sich noch bewußter werden, daß es sich bei den mit höherem Dienstgrad Eingestellten, wie auch beim „GAF“-Feldwebel, um Unterführernachwuchs handelt, der ihrer be­son­deren Fürsorge bedarf. Um Ressentiments abbauen zu können, müssen sie zur Information des unterstellten Be­reiches befähigt werden. Höhere Vorgesetzte sollten die Vor­teile dieser Personalmaßnahmen noch deutlicher heraus­stellen. Jeder Führer muß sich darüber im Klaren sein, daß die Ressource Personal wertvoll und knapp ist und einer entsprechenden Pflege bedarf.

 

 

3.2 Personalführung

 

Die Personalführung beeinflußt Zufriedenheit und Motivation ganz wesentlich. Von daher nimmt sie in den Gesprächen mit den Soldaten einen breiten Raum ein. Die Forderungen und Erwartungen sind dabei unvermindert hoch. Vor allem in den Verbänden, die von Strukturmaßnahmen betroffen sind, herrscht eine besonders große Sensibilität. Schon früh nach Bekanntwerden von Strukturentscheidungen wurde vielerorts Klage erhoben, daß Organisationsbefehle etc. noch nicht vorlägen und deshalb Personal nicht verändert werden könne.

Besonders ausgeprägt ist das Informationsbedürfnis bei Verbänden, die sich vor oder während geplanter Struk­tur­maß­nahmen im Einsatz befinden. Hier herrscht allgemein die Sorge, daß nach der Rückkehr...die besten Dienstposten ver­geben sind. Vor allem den personalbearbeitenden Dienst­stellen werden die vermeintlichen Versäumnisse und Verzögerungen angelastet. Meine diesbezüglichen Nachfragen haben jedoch ergeben, daß auch dort die organisatorischen Grundlagen, die ein Handeln ermöglicht hätten, oft noch nicht vorgelegen haben. Eine Truppe, die vor Strukturveränderungen steht und die Schwierigkeiten hat, Nachwuchs in angemessenem qualitativen und quantitativen Umfang zu gewinnen, bringt kein Verständnis für das Durchhalten von restriktiven Verpflichtungsvorgaben auf. Daß Mannschaften und Unteroffiziere o.P. kaum mehr über vier Jahre hinaus verpflichtet werden, ist eine Kritik, die mittlerweile TSK[9]-übergreifend geäußert wird. In „unsicheren Zeiten“ möch­te man sich des Erfahrungsschatzes dieser Klientel ver­sichern. In diesem Zusammenhang hat auch die verzögerte Implementierung der Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung zu Verunsicherung geführt. Viele Fragen zur Fachunteroffizierslaufbahn konnten von Vorgesetzten über das Jahr nicht beantwortet werden. Dadurch sind, nach Aussage der Truppe, gut qualifizierte Bewerber verlorengegangen. Entgegen der Weisungslage werden vermehrt die vorgeschriebenen Fristen bei Versetzung nicht mehr eingehalten. „Viele erfahren erst am Tag der Versetzung, daß sie eine neue Stelle haben.“ In der Regel handelt es sich noch um Einzelfälle. Die Personalführung muß sich aber gesprächsbereit anbieten und nachvollziehbare Erklärungen liefern können. Es darf nicht der Eindruck des Desinteresses und der Beliebigkeit entstehen. Das Vertrauen in die personal­führenden Stellen ist zumindest angeschlagen. Ihnen wird häufig „mangelnde Flexibilität“ vorgeworfen. Das starre Eingepreßtsein in Quoten- und Jahrgangsdenken bei Laufbahn- und Förderentscheidungen erscheint vielen, angesichts der Einführung moderner Managementverfahren in anderen Bereichen nicht mehr angemessen zu sein. Die knappe Ressource Personal werde überwiegend nur herkömmlich verwaltet. Stammdienststellen und Personalamt tra­gen eine hohe Verantwortung für den Betriebsfrieden in den Streitkräften. Vor dem Hintergrund dieser Aussage sollte es selbstverständlich sein, daß diese Dienststellen über eine angemessene personelle und materielle Ausstattung verfügen. Bei meinem Besuch der SDH im Februar habe ich festgestellt, daß dort diese Vorraussetzungen, nach einer STAN-Verhandlung, nicht mehr gegeben waren. Die immer noch eingeschränkte Bereitstellung von Wehrübungstagen hat auch in diesem Jahr zu einer reduzierten Übungstätigkeit geführt. Die Truppe berichtet im Wesentlichen von Einzelwehrübungen.

Die äußerst hohe Motivation der Reservisten, die sich auch darin zeigt, daß sie in ihrem Erholungsurlaub üben und die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen aus eigenen Mit­teln bestreiten, sollte nicht weiter überstrapaziert werden. Neben dem Absinken des Ausbildungsniveaus besteht die Gefahr, daß unsere Reservisten als Werbeträger und Multiplikatoren in der Gesellschaft verlorengehen. Sorgfältig sollte darauf geachtet werden, daß ausgeplanten Reservisten ein „würdiger Abschied“ zuteil wird. Betroffene, die sich langjährig engagiert haben, reagieren zu Recht unwirsch, wenn ihr Abschied bürokratisch unpersönlich per Post erfolgt.

 

 

4. Ausbildung

 

4.1 Führerausbildung

 

Im letzten Jahr wurden vom BEA[10] zehn Schulen und Aus­bil­dungseinrichtungen aller Teilstreitkräfte im In- und Ausland sowie die Führungsakademie der Bundeswehr besucht. An al­len Ausbildungseinrichtungen sind mir meist noch hochmotivierte Lehrgangsteilnehmer sowie überaus engagierte und gut qualifiziertes Ausbildungspersonal begegnet. Nicht zu ver­kennen ist allerdings auch, daß sich in vielen Bereichen die personellen und materiellen Rahmenbedingungen, unter denen der Ausbildungsauftrag durchgeführt werden muß, stetig verschlechtern. So wurde mir an einer Schule vorgetragen, daß auf Grund von Ausbildermangel die Klassenstärken anwachsen würden. Als Folge wären Klassenräume überbelegt und eine sinnvolle Nutzung der Spezialhörsäle nicht mehr möglich. Andernorts führten Ausfallhäufigkeiten und der schlechte Klarstand beim Ausbildungsgerät zu merklichen Einschränkungen in der praktischen Ausbildung. Die Lage der Führungsakademie wurde von vielen Gesprächsteilnehmern, sowohl Stammpersonal als auch Lehrgangsteilnehmer, ausgesprochen negativ bewertet. Die FüAK[11] entspreche in Infrastruktur, IT-Wesen und Aus­stat­tung nicht mehr dem internationalen Standard vergleichbarer Institutionen. Der Anschluß sei verpaßt worden; sie würden sich vor ihren ausländischen Kameraden nur blamieren.

Eine durchgehend von den Lehrgangsteilnehmern geäußerte Forderung war, die Dozenten, zivil und militärisch regelmäßig auszutauschen. Schon eine Verwendungszeit von sechs Jahren wird als zulange angesehen. Nicht nur an die­ser Ausbildungseinrichtung wird das Kriterium „Einsatzerfahrung“ immer bestimmender im Anforderungsprofil für militärische Dozenten und Ausbilder gesehen. Die Unzufriedenheit mit einigen Ausbildungsgängen an der Akademie ist nicht neu. „Der Stabsoffizierlehrgang ist als Prüflehrgang nicht für alle Berufssoldaten nötig. Diejenigen, die über ein abgeschlossenes Studium verfügen, haben ihre Fähigkeit, wissenschaftlich zu arbeiten, hinlänglich unter Beweis gestellt. Der Lehrgang wird nicht als Weiterbildungsangebot verstanden, sondern lediglich als Laufbahn- und Prüflehrgang, um vor allem die Auswahl für die zukünftigen General- und Ad­mi­ralstabsdienste zu treffen. Da in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes das abgeschlossene Studium als Eintrittskarte in den höheren Dienst ausreicht, halten Studienabsolventen diesen Lehrgang für verzichtbar.

Auch in diesem Jahr wurde bei der Luftwaffe Kritik am „Schulmodell“ geäußert. Die organisatorische Trennung von Ausbildern und Auszubildenden „entfremde“ die beiden Gruppen. Die fehlende personelle Unterfütterung der Lehrgruppenkommandeure lasse deren Einbindung in Erziehung und Ausbildung kaum zu – sie seien dadurch nicht sachgerecht ausgelastet. Zudem seien die Zeitansätze in den Lehrgängen mittlerweile so „durchoptimiert“, daß sie keine außer­planmäßigen Freiräume oder Organisationsstunden für Prägung und Erziehung durch höhere Vorgesetzte mehr bö­ten. Die individuelle Vorbereitung der Lehrgangsteilnehmer wird an Schulen aller TSK häufig beklagt. Teilweise müsse in der Ausbildung bei Null angefangen werden, was aber mit dem knappen eigenen Personal und in der zur Verfügung steh­enden Zeit kaum noch zu leisten sei. Der Grund für diese Defizite sei nicht selten eine angespannte Personal- und Materiallage in den Entsenderverbänden.

Ein erfreuliches Lagebild wurde mir am fliegerischen Ausbil­dungszentrum der Luftwaffe in HOLLOMAN dargestellt. Der personelle und materielle Aufwuchs habe zwar nicht zum vorgesehenen Termin realisiert werden können, aber zumindest die Infrastruktur sei zeitgerecht fertiggestellt worden. Der Ausbildungsbetrieb laufe ohne nennenswerte Einschränkungen, da auch der Klarstand bei den Luftfahrzeugen höher sei als in der Heimat. Das ähnliche Bild einer modernen Ausbildungseinrichtung bot sich mir im „Gefechtsübungszentrum“ des Heeres. Zwar gibt es dort noch Mängel bei der Infrastruktur, aber die Ausbildungseinrichtung ist technisch so weit fortgeschritten, daß der Schritt zu „...der Welt modernstem Zentrum für realistische Darstellung und Auswertung des Gefechtes“ nicht mehr groß ist. Durch die im Pilotprojekt 9.6 festgelegte Privatisierung des größten Teils der Unterstützungsleistung erlangt die Einrichtung auch in dieser Beziehung Modellcharakter. Bei aller positiven Aufbruchstimmung darf die verantwortungsvolle Bewertung einer solchen Organisationsform mögliche Risiken und längerfristige Effekte nicht negieren. So wurde mir beim TaktAusbKdoLw CA[12] in GOOSE BAY berichtet, daß dort der Flugplatz privatwirtschaftlich betrieben wird. Als Folge eines Streiks habe dann über mehrere Wochen kein Ausbildungsbetrieb stattfinden können.

Zudem habe man auf der Zeitachse eine „merkliche Ver­teuerung der Leistung“ festgestellt. Die zivilberufliche Aus- und Weiterbildung (ZAW) als eine der Säulen der fachlichen Ausbildung zum Unteroffizier, wird von zu vielen Betroffenen weiterhin als Zwangsmaßnahme gesehen. Als Hauptvorwurf wird erhoben, daß neue Berufsbilder oftmals nicht berücksichtigt würden und die entsprechenden Angebotslisten überarbeitungsbedürftig seien. Außerdem werde das Verfahren unflexibel und bürokratisch gehandhabt, und es gebe bisher kaum frauenspezifische Angebote. Die meisten Soldaten hatten im Rahmen des Attraktivitätsprogramms, insbesondere aber der „Qualifikationsinitiative“, auf ei­ne Verbesserung der Situation gehofft; sie vermissen nun die greifbaren Erfolge der in den Medien propagierten Verhandlungen und Gespräche mit IHK und Handwerkskammern.

 

 

4.2 Truppenausbildung

 

Die Verlagerung der Ausbildung Lfz-Avioniksoldat bzw. Fluggerätemechanikersoldat von der Teilstreitkraft Luftwaffe in den Verbänden bereitet den fliegenden Geschwadern Luftwaffe große Probleme. Beklagt wurden fehlerhafte und zu spät zugelaufene Ausbildungsunterlagen, die in vielen Bereichen nicht an die Lerngruppe angepaßt waren, ebenso wie personelle und infrastrukturelle Engpässe. Außerdem wären Inhalte in den Ausbildungsplänen von FP 8 und AAP 7 teilweise deckungsgleich, so daß es zu Doppelausbildung komme. Eine ähnlich hohe Ausbildungsbelastung wird regelmäßig, vor allem aus dem Kreis der Portepeeunteroffiziere der seefahrenden Einheiten der Marine beklagt. Mannschaften kämen meist nicht mit der richtigen Vorausbildung aus der Grundausbildung, und die müßte an Bord aufwendig auf die jeweiligen Systeme...Seefahrt erfolgen und führen so beim Ausbilder zu einer Doppelbelastung. Mit großer Sorge und Skepsis sehen die Vorgesetzten in der Truppe, besonders bei Luftwaffe und Marine, dem W91W9A entgegen. Das von mir im letzten Jahresbericht ausführlich thematisierte Problem des dienstlichen Sports in der Bundeswehr ist bisher noch keiner akzeptablen Lösung zugeführt worden.

Nach wie vor behindern „hausgemachte“ Regelungen und Weisungen die Sportausbildung. Versorgungsrechtliche Pro­ble­me ergeben sich zum Beispiel dann, wenn außerhalb des Dienstplans Sport gemacht wird. Das gilt für den Einzelnen, der während des Dienstes verfügbare Zeit für AMILA[13] nutzt, wie auch für die Soldaten, die nach Dienst in der Kaserne trainieren oder Neigungssport betreiben wollen. Zusätzlich wird in Teilbereichen das geforderte Qualifikationsniveau für die Durchführung und Beaufsichtigung von Sportausbildung als zu hoch angesehen – der Lehrgang für entsprechende Qualifizierung wird besonders in der Marine als zu lang bewertet. Vor allem jetzt, in den Zeiten einer erhöhten Inanspruchnahme des Führungspersonals, ist es der Sport, der neben der Politischen Bildung zur Disposition gestellt wird. Mein Eindruck aus dem letzten Jahr, daß den meisten Soldaten von Luftwaffe und Marine Sport nur noch „angeboten“ wird und die körperliche Ertüchtigung im Heer sich häufig auf AMILA reduziert, hat sich durch die Äußerung der Soldaten weiter erhärtet. Von der Vorschriftenlage her muß ein Umfeld geschaffen werden, das es ohne Absicherung auf dem Dienstplan ermöglicht, jederzeit Sport zu treiben und die entsprechenden Einrichtungen auch nach Dienst für solche Aktivitäten nutzen zu können. Trendsportarten wie Beachvolleyball und Fitneßtraining sind geeignet, ein solches Interesse auch zu initiieren. Ich halte es weiterhin für über­legenswert, auch längerdienende Mannschaften zur Ent­lastung des Führungspersonals an der Sportschule der Bundeswehr zu qualifizieren und als Sportausbilder einzusetzen. Zudem könnten Spitzensportler als Motivationsträger die Sportausbildung in der Truppe unterstützen. Auch der Einsatz der Offiziere mit abgeschlossenem Sportstudium sollte in diesem Zusammenhang nicht aus den Augen verloren werden.

 

 

6. Politische Bildung

 

Das Interesse bei den Mannschaften und Unteroffizieren, sich im Rahmen der Politischen Bildung mit aktuellen Problemen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu beschäftigen, ist nicht nur auf Grund der aktuellen Ereignisse des 11. September anhaltend hoch – trotzdem hat sich der „Abwärtstrend“ bei der Durchführung der Politischen Bildung in diesem Jahr verstetigt... Mannschaften haben bestenfalls noch die Gelegenheit, an Seminaren, Tagungen, Gemeinderatssitzungen oder Exkursionen teilzunehmen, in denen, für einen begrenzten Teilnehmerkreis, staatsbürgerliche Weiterbildung auf allerfeinstem Niveau geboten wird. Dieses „Outsourcing“ der Politischen Bildung hat Konjunktur. Solche Veranstaltungen werden als „Highlight“ empfunden und – nicht zuletzt auch wegen der stattfindenden gruppendynamischen Prozesse – hoch geschätzt. Bei allem Glanz, den diese Unternehmungen einer Jahresmeldung verleihen, dür­fen sie nicht darüber hinwegtäuschen, daß immer weniger Disziplinarvorgesetzte die Chance nutzen, über die Politische Bildung auf ihre Soldaten im Dialog Einfluß zu nehmen. So sieht sich der Mannschaftsdienstgrad genauso wie der Unteroffizier in der geistigen Auseinandersetzung, aber auch bei der einfachen Beantwortung von Fragen im privaten Umfeld weitgehend alleingelassen. Von den Vorgesetzten wird diesen Soldaten selten ein umfassendes „Lagebild“ zu aktuellen Problemstellungen, das auch persönliche Bewertungen einschließt, dargestellt...

 

 

7. Einsatz

 

Der Einsatz der Bundeswehr im Ausland ist mittlerweile zur Normalität im militärischen Alltag geworden. Für die Mehrheit der Soldaten ist es mehr als ein gut bezahltes Abenteuer. Sie erweitern ihren Horizont, verstehen andere Kulturen und Gesellschaftsformen besser und erfahren die eigene, in der Heimat oft kritisierte Wirklichkeit in einem völlig neuen Licht.

Seltener verstärken sich schon bestehende Ressentiments durch negative Einsatzerfahrungen vor Ort. Allerdings darf in der vorbereitenden Ausbildung nicht in dem Bemühen nachgelassen werden, möglichst umfassend über Land und Leute zu informieren. Kritik richtet sich weniger gegen den Einsatz an sich, sondern gegen die damit verbundenen Rahmenbedingungen. Die für einen Auslandseinsatz vorgesehenen und ausgebildeten Soldaten sind im allgemeinen in hohem Maße motiviert. Wenn sich dann allerdings für Einheiten auf Grund der Lageentwicklung die Inmarschsetzung verzögert oder gar ganz entfällt, bedarf dies einer verständlichen Begründung, die auch der letzte Mann nachvollziehen kann. Führer in einem KRK[14]-Bataillon z.B. argumentieren: „Wir betreiben einen hohen Ausbildungsaufwand, die Leute stehen ständig unter Strom, konnten ihr Können aber noch nicht unter Beweis stellen. Das ist auf Dauer nicht gut für die Motivation.

Es ist unverständlich, daß viele HVK–Verbände bereits mehr­fach im Einsatz waren, obwohl das eigentlich nicht deren Geschäft ist.“

...

 

 

7.2. Rahmenbedingungen

 

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Die Truppe bemängelt bei der standortgebundenen vorbereitenden Ausbildung fehlendes Material, wie zum Beispiel GPS[15] (Navigationsgerät), Nachtsichtgeräte für G 36, BiV- Brillen und die im Einsatzgebiet üblichen Fahrzeuge. „Der Soldat kann nicht mit seiner Standard-Waffe (Waffe für seine Aufgabe ausgerüstet) vertraut bleiben, wenn sie ihm ein hal­bes Jahr vor dem Einsatzbeginn wieder weggenommen wird.“ Immer wieder wird vorgeschlagen, für Soldaten, die schon mehrfach im Einsatz waren, die Vorausbildung noch weiter zu straffen...

 

 

9. Fürsorge

 

In den Augen der Soldaten haben sich höhere Vorgesetzte im Bereich der Fürsorge vielfach aus ihrer Verantwortung für die Soldaten gestohlen, indem sie sich hinter der politischen Argumentation, Geldmangel und dem Hinweis auf bestehende Gesetze „verschanzen“. Man fühlt sich dem Staat als Arbeitgeber gegenüber ausgeliefert, beklagt die bisher nicht eingehaltenen Verpflichtungen und verdächtigt ihn, das Alimentationsprinzip nicht einzuhalten. In Verbindung mit den gestiegenen Einsatzforderungen ergibt dies eine brisante Gefühls- und Stimmungslage. Überall dort, wo Soldaten der „Ostbesoldung“ unterliegen, ist eine Mischung aus Resignation und einer Aufwallung der Gefühle zu beobachten.

Der bestehende Zustand wird als extreme Ungerechtigkeit empfunden, man fühlt sich als „Soldat der zweiten Klasse“.

Der bisher so oft als wohltuend empfundene und entsprechend strapazierte Begriff einer „Armee der Einheit“ wird nicht mehr akzeptiert, da er einen krassen Widerspruch zur erlebten Realität darstellt

...

 

 

10. Wehrverwaltung

 

10.1 Standortverwaltung

 

Allgemein herrscht bei den Soldaten das Gefühl vor, die Standortverwaltungen würden zunehmend ihrem Unterstützungsauftrag nur noch eingeschränkt gerecht werden. Oft sind es Kleinigkeiten, die den Soldaten den Dienstalltag erschweren; aber – es wird der verständnisvolle und um Abhilfe bemühte engagierte Partner vermißt. So wird schließlich vielerorts der heruntergekommene Zustand der Infrastruktur auch der StOV zugeschrieben, zumal im Bereich der Truppenunterkünfte immer mehr Sparmaßnahmen durchgesetzt werden. Teilweise berichten die Soldaten von hygienischen Problemen in den Truppenküchen und den Sanitärbereichen. Am eigenen Leib spüren insbesondere die Mannschaften die Sparmaßnahmen mit schlechten Betten, altem Mobiliar sowie „Willkür und Bürokratismus“ bei Raumtemperaturabsenkungen und Regulierung der Duschzeiten. Besonders in den aufzulösenden Standorten verschlechtert sich der hygienische Zustand der Sanitärbereiche zusehends; teilweise bildet sich Schimmel: Man hat zwar neue WC- und Waschbecken eingebaut, die alten Rohre und Fliesen drinnen gelassen. Die Standortverwaltung investiert nicht mehr in unsere Gebäude, die Mitarbeiter erklären uns bei Beschwerden immer wieder, daß dieser Block eigentlich gar nicht mehr genutzt werden solle. Das hilft uns aber nicht weiter...!

 

 

10.3 Kreiswehrersatzämter

 

Die Grundstimmung der Soldaten aller Dienstgradgruppen ge­genüber der Rekrutierungspraxis der FWDL[16] durch die KWEÄ[17] läßt sich in dem Satz: „Quote statt Qualität“ zusammenfassen. Insgesamt herrscht der Eindruck vor, daß man bei den Kreiswehrersatzämtern eher den „Bodensatz der Gesellschaft einkauft“. „Die nehmen doch jeden, Hauptsache die Quote stimmt!“ Die Wehrpflichtigen stellen keinen repräsentativen Durchschnitt der heutigen Jugend mehr dar

...

 

 

11. Neuausrichtung von Grund auf

 

Die Entwicklung der Streitkräfte wird allgemein mit großer Sorge betrachtet. Keinen Zweifel gibt es allerdings an der Notwendigkeit zu tiefgreifenden Reformen. Die Neuordnung der Bundeswehr von Grund auf wird als Gesamtkonzept zwar mitgetragen, die eigentlich notwendige „Aufbruchstimmung“ aber, der „Elan“, dieses gewaltige Reformwerk auch „zur Hochstrecke zu bringen“, ist nicht erkennbar. Man „erträgt mit“, im wahrsten Sinne des Wortes, ohne Freude...

 

Dieser Ausschnitt aus dem Jahresbericht des Generalinspekteurs sagt doch einiges aus. Der gesamte Bericht, so meine Information, umfaßt 180 Seiten. Doch bewirken wird er nicht viel. Das Thema wird totgeschwiegen und sollte nach Möglichkeit nicht nach außen dringen. Es reicht offensichtlich, wenn man von Reformen spricht.

Ist es nicht verwunderlich, daß der Bundesrechnungshof seit Jahren mangelndes wirtschaftliches Denken anklagt und Hinweise auf Sparsamkeit gibt? Ebenfalls verwunderlich ist, daß Führungskräfte der Bundeswehr Mißstände aufzeigen, die nicht beachtet werden.

Veränderungen des Systems sind dringend erforderlich.

 

Ich verstehe nicht, weshalb mit Soldaten, die dringend gebraucht werden und die man wegen ihrer Wichtigkeit achten sollte, derart umgegangen wird, und es ist leider wahr, daß sich die Qualität der Armee verändert, indem man „jeden nimmt“.

Allerdings habe ich an fast allen Bundeswehrstandorten mehrheitlich kuragierte und engagierte Soldaten kennengelernt, die voll und ganz hinter ihrem Beruf stehen, wenn auch nicht unbedingt hinter der Führung.

 

 

 

Räumungsverkauf

 

 

Diskussionen über Reformen, finanzielle Probleme, die meist zu Standortauflösungen, oder Verlegungen führen, oder aber über Ankäufe von neuen Waffen, Flugzeugen und Materialien, waren Themen, die mich erreichten.

Viele Soldaten monieren schlechtes Material, schlechte Ausbildung und heruntergekommene Kasernen.

Besonders hellhörig ließ mich ein bestimmter Bereich werden: Die Bundeswehr verwendet den Hubschrauber BO 105 M, ein Fluggerät, das für die Ausbildung und für Testflüge überaus wichtig ist, aber auch dafür, unseren Generälen zur Verfügung zu stehen – als, wie es im Sprachgebrauch der Soldaten heißt, Generalstaxi.

Die BO 105 wurde Anfang der achtziger Jahre angeschafft und mit entsprechenden Einrichtungen, wie Funkgeräten, ausgestattet. Dieser Hubschraubertyp hat keinerlei Ausrüstung, die kriegtauglich wäre. Ausgestattet mit Waf­fen­sys­te­men ist nur 105 PAH, ein Panzerabwehrhubschrauber.

Daß eine Flugstunde ca. 1.500 € kostet, ist bekannt und eine teuere Angelegenheit.

Der Neupreis einer BO 105 M beträgt mehr als 1,6 Millionen €. Also handelt es sich um einen Bestand von 16 Mio. €. Die Wartung der Hubschrauber ist ebenfalls sehr kostenintensiv und aufwendig. Selbstverständlich muß ja auch die Flugsicherheit garantiert werden.

Die Bundeswehr braucht Geld. Man entschließt sich, einige Hubschrauber vom Typ BO 105 M zu verkaufen. Das besorgt die Verwertungsgesellschaft VEBEG.

Das Angebot: Zehn Hubschrauber zum Preis von je 100.000 DM. Von diesen zehn Maschinen gehen neun an eine Firma in Leipzig. Eine wird von einer Agrarflugfirma erworben.

Was die Käufer nicht wissen können – die Hubschrauber sind mit Teilen ausgestattet, die nur für die Bundeswehr hergestellt werden. Diverse Teile dürfen in der zivilen Luftfahrt nicht verwendet werden. Die Genehmigung, die Hubschrauber ins Ausland zu bringen, wird nicht erteilt. Mit hohem Kostenaufwand müssen die Maschinen umgerüstet werden. Ein gutes Geschäft für den Hersteller der Hubschrauber und den Lieferanten von Ersatzteilen, EUROCOPTER in Deutschland.

Hierzu zwei Schreiben von EUROCOPTER Deutschland und der Fa. Agrarflug Helilift GmbH:

 

 

1.

 

TELEFAX eilt...eilt...eilt

 

An alle Halter und das Wartungspersonal der BO 105 vom 27. September 2001!

 

Von EUROCOPTER DEUTSCHLAND GmbH

Techn. Pu­bli­ka­tionen D/SL3

Donauwörth

 

Die bundeseigene Verwertungsgesellschaft VEBEG hat im Rahmen einer Versteigerung 10 Stück BO 105 M (VBH) an einen deutschen privaten Käufer veräußert. Zur Vermeidung von Schwierigkeiten und eventuellen Rechtsverstößen möchte ECD hiermit auf folgenden Sachverhalt hinweisen:

-                 Die fraglichen Hubschrauber einschließlich aller Komponenten wurden ursprünglich unter der Aufsicht und nach den Regularien der BWB-ML und nicht gemäß zivilen Lufttüchtigkeitsregeln und unter Verantwortung des LBA hergestellt.

-                 Die Hubschrauber wurden von der Bundeswehr betrieben, und zwar nach den in den entsprechenden Unterlagen (GAF TO etc.) vorgesehenen Verfahren und Betriebsgrenzen und nicht nach den für zivile BO 105 Hubschrauber zugelassenen Flug- und Wartungshandbüchern.

-                 Die meisten Komponenten wie Zelle, Rotoren, Getriebe und andere dynamische Komponenten, aber auch Kleingeräte wie Instrumente o.ä. sind von denen der zivilen BO 105 Varianten dadurch zu unterscheiden, daß Teilekennzeichen mit der Nummer 1121- oder 1120- anstelle 105-xxxxx beginnen. Diese Komponenten sind zum größten Teil für zivile BO 105 oder MBB-BK 117 Hubschrauber nicht zugelassen. ECD weist hiermit darauf hin, daß nur die im bebilderten Teilekatalog (BTK) aufgeführten Komponenten bzw. ausdrück­lich als Ausweichlösungen zugelassene Komponenten Verwendung finden dürfen.

-                 Nur Komponenten mit entsprechender Lufttüchtigkeitsdokumentation (LBA oder FAA „Forme One“) und vollständig belegter unbedenklicher Historie und Quelle sind für eine Verwendung in zivilen Hubschraubern unbedenklich. ECD möchte daher vor dem Ankauf von Komponenten, die obige Kriterien nicht erfüllen, ausdrücklich warnen. Im Zweifelsfall wird empfohlen, die nächstgelegene Eurocopter Deutsch­land GmbH unter einer der folgenden Nummern zu kontaktieren:

-                 Obiger Sachverhalt gilt auch für die Triebwerke: Die in BO 105 M (bzw. P) verwendeten Triebwerke sind MTU und nicht Allison 250-C20B Triebwerke. Sie wurden von MTU unter Lizenz des Triebwerkherstellers Allison (jetzt Rolls Royce Corporation) ausschließlich für die Verwendung in BO 105 Hubschraubern der Bundswehr montiert, wobei eine Anzahl von Komponenten darüber hinaus auch von MTU gefertigt wurde.

-                 Obwohl diese Triebwerke äußerlich baugleich und in ihrer Funktion normalen Allison 250-C20B Triebwerken entsprechen, sind sie nicht von zivilen Behörden (weder FAA noch LBA) zugelassen. Zudem läßt auch der verantwortliche Hersteller Rolls Royce die Nutzung dieser MTU-Triebwerke in zivilen BO 105 oder andere mit Allison 250-C20B Triebwerken betriebene Hubschrauber nicht zu. ECD empfiehlt hier vor Ankauf von Komponenten oder Modulen, die nicht eindeutig auf Grund ihrer Dokumentation aus Allison/Rolls Royce-Fertigung ohne militärische Verwendung stammen, das Servicenetz der Allison Maintenance Center (AMC) zu kontaktieren.

 

 

2.

 

Schreiben der Agrarflug Helilift GmbH & Co. KG an das Bundesministerium der Verteidigung vom 05.10.2001

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

unser Unternehmen erwarb im September 01 eine BO 105 M von der VEBEG. Wie Sie aus beigefügter Alert Service Information der BO 105 M ersehen können, warnt Eurocopter ausdrücklich vor dem Gebrauch der Teile aus militärischem Bestand für zivile Luftfahrt.

Hier drängt sich die Frage auf, ob der Hubschrauberhersteller Eurocopter bei der Produktion der militärischen Versionen geringere Standards zuläßt als bei der Herstellung ziviler Luftfahrzeuge. Sind denn unsere deutschen Soldaten Menschen zweiter Klasse? Sollte nicht gerade die militärische Ausrüstung, die oft unter extremen Bedingungen zum Einsatz kommt, erstklassig sein?

Unserer Meinung nach sollten Sie vor dem weiteren Zukauf von Luftfahrzeugen des Herstellers Eurocopter diese Frage berücksichtigen und vorab klären.

Wenn die Fa. Eurocopter vor dem Gebrauch der militärischen Teile für die zivile Luftfahrt warnt, so warnen wir das Verteidigungsministerium vor dem Erwerb militärischer Luftfahrzeuge der Fa. Eurocopter.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

K.B.

 

 

Die Bundeswehr verkaufte einsatzfähige Hubschrauber zum Schnäppchenpreis von je 100.000 DM. Es stehen weitere einhundert BO 105 M zum Verkauf an. Nur weiß man in­zwi­schen, daß diese keine Interessenten mehr finden können, da die Aufbereitung zum zivilen Hubschrauber zu teuer ist und das Ganze kein Schnäppchen mehr sein kann.

Wem wohl könnte diese Tatsache Vorteile bringen? Ja – EUROCOPTER! Denn EUROCOPTER wäre interessiert an der Rücknahme der BO 105 M der Bundeswehr und hätte leicht die Möglichkeit, diese einsatzfähigen Maschinen in ziviltaugliche umzugestalten und zu verkaufen. Allerdings wird EUROCOPTER kaum 100.000 DM oder 50.000 € pro Stück zahlen...

 

Zurück zum Thema schlechtes Material bei der Bundeswehr. Bei der BO 105 M handelt es sich nach Aussage von Piloten um einen einigermaßen guten Hubschrauber. Warum man gerade diesen verkauft und gleichzeitig Warenbestände im Wert von Hunderttausenden von Euro verkommen läßt – das ist die Frage.

Man hat sich aber in der Führung Gedanken gemacht und ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Die BO 105 M werden, egal wie, veräußert. Statt dessen werden die BO 105 P, die mit einem Waffensystem ausgestattet sind, abgerüstet und anstelle der BO 105 M eingesetzt. Sollte man später die Hubschrauber wieder mit Bewaffnung brauchen, kann man, was man entfernt hat, wieder anbringen.

Nach Aussage von Technikern wurden bereits Hubschrauber dahingehend abgerüstet, daß man Kabelbäume herausgerissen hat und wertvolle Teile unbrauchbar oder vielleicht nur noch im Ersatzteilebereich einzubringen sind. Also ist die Vorstellung, abgerüstete Hubschrauber kostengünstig wieder aufrüsten zu können, blanke Illusion. Deshalb sollen anstelle der BO 105 P die gegenwärtig in der Entwicklungs- und Testphase befindlichen Panzerabwehrhubschrauber Tiger der Fa. EUROCOPTER erworben werden. Koste es, was wolle. Das Interesse der Eurocopter ist verständlich.

Bei dieser Gelegenheit: Die Bundeswehrverwaltung und das Thema Geld – ein eigentümliches Thema. Ein paar Beispiele gefällig?

 

– Ein Hubschrauber braucht im Austausch vier Schrauben, eine kostet ca. 3 Euro. (Die Preise bei Material für flugsichere Maschinen liegen etwas höher als im üblichen Han­dels­be­reich.)

Es tritt der Fall ein, daß im Bestand nur drei Schrauben vorrätig sind. Um einen schnellen Einsatz des Hubschraubers zu sichern, fliegt ein Pilot mit seinem Hubschrauber von Standort A nach Standort B um die vierte Schraube zu besorgen. Die Flugzeit beträgt ca. zwei Stunden.

Meine Berechnung: Die Schraube kostet auf diese Weise 3.003 Euro (Kosten für Flug und Schraube).

Was ich hier anmerke, ist kein Einzelfall.

 

– Jeder Standort erhält jährlich einen bestimmten finanziellen Betrag. Wirtschaften die Standorte in einem Jahr sparsam, erhalten sie im näch­sten Jahr weniger Geld – was zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann. Deshalb versuchen die Stand­orte, die Kosten stets höher als nötig zu halten, und ordern oftmals Geräte und Materialien, die nicht gebraucht werden. So kam es an einem Standort vor, daß über Jahre hinweg Mo­tor­sä­gen und Werkzeuge verrotteten, bis man das Lager benötigte und über den Fund sehr überrascht war. Solche neuen, niemals gebrauchten Geräte werden zu Schnäppchenpreisen veräußert oder sie werden gar verschenkt.

Die VEBEG bietet schätzungsweise pro Jahr Materialien im Wert von schätzungsweise 17 Mio. Euro zum Kauf an.

 

– In Leipheim gibt es einen vollständig ausgestatteten Flugplatz, der seit vielen Jahren nicht genutzt wird. Die Pflege und Ver­waltung kostet viel Geld. In Laupheim wächst die Stadt in den Heeresflughafen, und Bürgerinitiativen legen den Flug­ver­kehr fast lahm. Es wäre viel einfacher und kostengünstiger, den Flugplatz in Leipheim zu betreiben.

Die Stillegung von Standorten kostet enorm viel Geld. Es gä­be die Möglichkeit, Flächen und Gebäude zu veräußern, wenn man sie nicht mehr benötigt!

 

– In Süddeutschland, nahe Landsberg am Lech, sowie in Memmingen gibt es perfekte Flughäfen und Standorte, die auch von der Bevölkerung angenommen werden. Aber Memmingen wird stillgelegt, ebenso Penzing bei LL. Man verlagert in den Osten Deutschlands nach Holzdorf, wo viel Kapital investiert werden muß.

Warum tut man das?!

Die Soldaten sind solchen Situationen ausgeliefert. Rücksichtslos werden Familien aus ihrer Heimat regelrecht vertrieben, um in einem fremden Umfeld unter anderen Gegebenheiten leben zu müssen. Einen Sinn erkennt kaum jemand hinter einem solchen Standortwechsel.

Weshalb baute man den Standort Cottbus nach der Wende mit 120 Mio. DM komplett aus? Zu diesem Zeitpunkt war bereits sicher, daß der Standort Cottbus aufgelöst wird und Holzdorf im Mittelpunkt stehen wird.

Neuhausen – wie teuer dieser Standort war, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Auch hier dasselbe Problem.

 

– Vor Jahren berichteten die Medien über das Einlagern von Panzern und Panzerfahrzeugen, die nicht mehr gebraucht wurden, da die Gefahr aus dem Osten nicht mehr bestand. Vor wenigen Wochen berichtete unser Verteidigungsminister stolz, daß ca. 400 neue Panzer gekauft werden. Der Verdacht legt sich nahe, daß es wieder einmal um ein unüberlegtes Geschäft geht und um keine sinnvolle Investition. Würden diese Panzer im Auslandseinsatz gebraucht werden, hätte die Deutsche Bun­deswehr keine Möglichkeit des Transports, da die Trans­portmaschinen nicht vorhanden sind. Sinnvoll wäre es, vorab Transportmaschinen zu beschaffen und die – ein­ge­la­ger­ten Pan­zer zu verwenden (falls noch vorhanden und nicht etwa ans Ausland verschenkt).

 

 

 

Es kommt zu keiner Änderung

 

 

Der Bundesrechnungshof übt seit vielen Jahren massive Kritik an der Haushaltsführung des Verteidigungsministeriums. Jeder Geschäftsinhaber in der freien Wirtschaft überdenkt seine Ausgaben. Im Verteidigungsministerium verlangt man nach mehr Geld. Dabei sollte doch leicht erkennbar sein, daß die vorhandenen Mittel ausreichen, wäre man in der Lage, verantwortlich zu wirtschaften.

 

[18]

Mitte der 90er Jahre begann die Bundeswehr, auf ihren rund 145 Schießanlagen die Geschoßfänge aus Sand gegen deutlich teurere aus Gummigranulat auszutauschen. Als der Bundesrech­nungshof der Umrüstung auf die Schliche kam, waren be­reits 11 Millionen Euro ausgegeben. Der Rechnungshof fand heraus, das es wesentlich umweltfreundlicher und kostengünstiger sei, den Sand in regelmäßigen Abständen auszutauschen. Das Verteidigungsministerium hat angekündigt, die Umrüstung „unter Beachtung wirtschaftlicher Grundsätze“ weiterzuführen. Was das bedeutet, weiß höchstwahrscheinlich niemand genau.

Bereits 1999 nahm der Rechnungshof die Materialwirtschaft des Heeres ins Visier. Das Ergebnis: Das Heer lagerte mehrere Tausend Artikel ein, die teilweise nicht mehr benötigt wurden. Die Pläne zur Materialbeschaffung wurden unzureichend an eine moderne Logistik oder das Ende des kalten Krieges angepaßt. Einsparpotential: 220 Millionen Euro.

Das Verteidigungsministerium hat die Verbesserungsvorschlä­ge bis heute nicht umgesetzt.

 

Einsicht allein reicht nicht aus! Zu einer guten Führung der Bundeswehr gehört auch, den finanziellen Haushalt optimal zu verwalten. Man scheint immer erst aufzuwachen, wenn Millionen von Euro verschwendet und unsinnig ausgegeben worden sind. Weshalb erkennt man nicht jeweils rechtzeitig die Sinnlosigkeit bestimmter Ausgaben?

 

Ich erfuhr, daß die Luftwaffenwerft in Erding an MTU verkauft werden soll. Verhandlungsbasis 20 Mio. Euro. In dieser Werft befindet sich eine bei der Bundeswehr einzigartige Teststelle für Triebwerke. 20 Mio. Euro sind viel Geld, aber was bezweckt dieser Verkauf? Kaum zu glauben, daß MTU ein Abschreibungsobjekt benötigt!

Die in Erding stationierten Soldaten sollen zu einem erheblichen Teil versetzt und durch Zivilpersonal ersetzt werden. Doch die Teststelle soll weiterhin der Bundeswehr gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt werden. Für wen sich dieses Geschäft auf weiteres lohnt, scheint keine Frage zu sein. Hierzu schreibt der Bundesrechnungshof:

 

(Auszug)

 

Bundes­ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um

 

102 Einsatz- und Ausbildungszentrum für Gebirgstragtierwesen 230

 

Die Planung der Gebirgsjägertruppe, des Personal- und Ausbildungszentrums für Gebirgstragtierwesen 230 fast zu verdoppeln, hielt der Bundesrechnungshof für nicht erforderlich. Er erachtet es als ausreichend, das Zentrum in seiner derzeitigen Struktur und mit der vorhandenen Ausstattung weiterzubetreiben. Das Bundesministerium hat sich der Bewertung des Bundesrechnungshofes angeschlossen. Ausgaben in Höhe von etwa 4,4 Mio. EUR werden damit vermieden.

 

 

103 Einsatz von Informationstechnik bei Bundeswehrdienststellen im Ausland

 

Die Vertraulichkeit der im Ausland verarbeiteten und nach Deutschland übertragenen Informationen war bei den vom Bun­desgerichtshof geprüften Bundeswehrdienststellen in den USA nicht ausreichend gewährleistet. Durch den unverschlüsselten Datenaustausch über ungesicherte, ausländische Kommunikationsverbindungen konnte der Zugriff Unbefugter auf sensible Informationen der Bundeswehr nicht wirksam ausgeschlossen werden. Die Bundeswehr betrieb außerdem zahlreiche angemietete Stand- und Wählleitungen unnötigerweise nebeneinander und damit unwirtschaftlich. Hierdurch entstanden vermeidbare monatliche Kosten von zum Teil jeweils mehreren Tausend EUR.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die bislang unein­heitliche Anbindung der Bundeswehrdienststellen zu straffen und durch den Einsatz marktverfügbarer Technik sicher zu gestalten. Das Bundesministerium hat die Vorschläge des Bundesrechnungshofes aufgegriffen und zwischenzeitlich Maßnahmen zum Aufbau einer einheitlichen gesicherten Kommunikationsinfrastruktur zu den Auslandsdienststellen eingeleitet. Die Mietzahlungen für Datenleitungen konnten dadurch bereits deutlich reduziert werden.

 

 

104 Selbstfahrerinnen und Selbstfahrer in der Bundeswehr

 

Die Bundeswehr verfügte im Jahre 1998 über rd. 31.000 Per­­so­nen­kraftwagen...und beschäftigte zu deren Betrieb ca. 3.400 Zivil- und über 30.000 Militärkraftfahrerinnen und -fah­rer. Die jährlichen Personalkosten beliefen sich auf mehrere Mil­li­ar­den DM. Das Bundesministerium der Verteidigung er­war­te­te eine deutliche Senkung dieser Kosten, wenn die An­ge­hö­ri­gen der Bundeswehr, die über eine entsprechende Fahrerlaub­nis verfügen, die Pkw bei Dienstfahrten überwiegend selbst steuern. Es erließ im Jahre 1998 eine überarbeitete Rahmenweisung, „Selbstfahrer“.

Nach den Erkenntnissen der Prüfungsämter des Bundes, die im Jahre 1999 repräsentative Erhebungen in 165 Dienststellen der Bundeswehr durchführten, zeigte die verbesserte Rahmenweisung nicht die erhoffte Wirkung. Der Anteil der Selbstfahrerinnen und Selbstfahrer war allgemein niedrig, wo­bei einzelne Organisationsbereiche stark unterschiedliche Werte aufwiesen. Der Bundesrechnungshof wies auf verschiedene Ursachen hin und empfahl eine Reihe von Maßnahmen zur Erhöhung des Selbstfahreranteils und zur Senkung der Personal- und Fahrzeugkosten.

Das Bundesministerium hat die Prüfungsergebnisse im Wesentlichen anerkannt und die Anregungen des Bundesrechnungshofes aufgegriffen. Es ließ zudem die Pilotprojekte untersuchen, inwieweit Fahr- und Transportleistungen an zivile Auftragnehmer vergeben werden können, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Eine neugegründete Gesellschaft soll das gesamte Flottenmanagement der Bundeswehr übernehmen. (Kosten hierfür?)

 

 

105 Beschaffung eines Spähwagens

 

Die Aufklärungstruppe des Heeres soll ab dem Jahre 2004 mit einem neuen leichten Spähwagen mit der Bezeichnung FENNEK ausgerüstet werden. FENNEK wurde im Rahmen eines Kooperationsvorhabens mit den Niederlanden entwickelt. Der Beschaffungsvertrag mit einem deutschen Anteil von 202 Fahrzeugen im Wert von fast 450 Mio. DM (rd. 230 Mio. EUR) sollte Ende 2001 unterzeichnet werden.

Eine Prüfung des Bundesrechnungshofes, über deren Ergebnis der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages unterrichtet wurde, zeigte u.a. konzeptionelle Schwächen, Unklarheiten über den Beschaffungsumfang und Lücken in der Planung. Zudem widersprachen die im Entwurf des Beschaffungsvertrages festgelegten Preisvereinbarungen kürzlich bekräftigten Vorgaben des Haushaltsausschusses zur Preisgestaltung bei öffentlichen Aufträgen, insbesondere zur Preisgleitung.

Der Haushaltsausschuß hat den Bericht des Bundesrechnungshofes in seiner Sitzung am 12. Dezember 2001 anläßlich der Behandlung der Beschaffungsvorlage FENNEK zur Kenntnis genommen. Er hat der Beschaffung mit einer Erklärung und unter Auflagen zugestimmt, in denen er wesentliche Empfehlungen des Bundesrechnungshofes aufgegriffen hat.

 

 

106 Transport- und Lagerungshilfsmittel der Bundeswehr

 

Zum Transport und zur Lagerung ihres Materials nutzt die Bundeswehr eigene und gemietete Paletten und Behälter ver­schiedener Art, Ausstattung und Größe. Frei verfügbare Transport- und Lagerungshilfsmittel sollen durch die Paletten­zentrale der Bundeswehr bewirtschaftet werden. Das Prü­fungsamt des Bundes Köln untersuchte im Jahre 2001 schwerpunktmäßig die Bewirtschaftung dieses Materials und stellte erhebliche Mängel bei Bestandserfassung und -nachweis, Bedarfsermittlung, Vorschriften und Dienstaufsicht fest. So waren allein im Bereich der geprüften Stellen mehr als 11.000 dieser Hilfsmittel im Wert von rd. 1,2 Mio. DM (0,6 Mio. EUR) dem Zugriff durch die Palettenzentrale der Bundeswehr entzogen, da sie nicht zurückgeliefert oder zweckwidrig verwendet wurden. Dennoch sollten im Jahre 2002 für rd. 4 Mio. EUR neue Transport- und Lagerungshilfsmittel beschafft werden. Der Bundesrechnungshof hat u.a. empfohlen, die vorhandenen Bestände effektiver zu nutzen und zunächst keine neuen Hilfsmittel zu beschaffen. Das Bundesministerium hat dem im wesentlichen zugestimmt und mit der Umsetzung von geeigneten Maßnahmen begonnen. Vor deren Abschluß will es vorerst keine neuen Transport- und Lagerungshilfsmittel beschaffen.

 

 

107 Fristenarbeiten an Rad- und Kettenfahrzeugen der Bundeswehr

 

Im Rahmen der vorbeugenden Materialerhaltung werden an den Rad- und Kettenfahrzeugen der Bundeswehr Inspektions-, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten innerhalb be­stimmter Fristen durchgeführt. Umfang und Zeitintervalle der Fristenarbeiten sind in den technischen Vorschriften der je­weiligen Fahrzeugtypen niedergelegt. Das Prüfungsamt des Bundes Köln untersuchte im Jahre 1999 Umfang und Notwen­digkeit der durchgeführten Fristenarbeiten und stellte fest, daß diese nicht am tatsächlichen Wartungs- und Instandsetzungsbedarf ausgerichtet waren. Angesichts teilweise sehr geringer Laufleistungen der Fahrzeuge wären aus technischer Sicht deutlich längere Intervalle möglich ge­wesen. Motoröle und sonstige Betriebshilfsstoffe hätten weitaus länger genutzt werden können. Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Intervalle für die Durchführung der Fristenarbeiten deutlich zu verlängern und den Wechsel von Ölen und sonstigen Betriebshilfsstoffen nicht am Zeitablauf, sondern an Nutzungsparametern auszurichten.

Das Heer hat die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes umgesetzt. Das Einsparpotential beträgt jährlich rd. 30 Mio. EUR.

 

 

108 Wirtschaftlichkeit der Privatisierung von Truppenküchen der Bundeswehr

 

Das Bundesministerium leitete Anfang des Jahres 2001 die Privatisierung der Truppenverpflegung im Großraum

München ein. Dabei sollten durch den Einsatz moderner Küchentechnik wirtschaftliche Arbeitsabläufe ermöglicht werden. Der Bundesrechnungshof prüfte das Vorhaben und stellte dabei fest, daß bei einer Auftragsvergabe zu den vorgegebenen Ausschreibungsbedingungen anfängliche Mehrkosten von 10 Mio. DM (rd. 5,1 Mio. EUR) entstehen würden. Er hat das Bundesministerium darauf hingewiesen, daß ein wirtschaftliches Angebot schon deshalb nicht zu erwarten war, weil die Bieterinnen und Bieter durch die eingeschränkten Kalkulationsmöglichkeiten nur noch bei den Investitionen sowie beim Wareneinkauf einen unternehmerischeren Spielraum hätten und damit die Belastung der Leistungen durch die Umsatzsteuer kaum kompensiert werden könne.

Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen, die Ausschreibung aufzuheben und zunächst anhand einer detaillierten Kalkulation zu untersuchen, wie sich die geplante Maßnahme auf die einzelnen Kostenarten auswirkt und unter welchen Bedingungen Einsparungen zu erwarten sind.

Das Bundesministerium hat die Anregungen aufgegriffen und die Ausschreibung aufgehoben. Es beabsichtigt nunmehr, bei der Fortführung seiner Privatisierungsmaßnahmen die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zu be­rück­sich­tigen.

 

 

109 Neuordnung der Zentralinstitute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr

 

Die vier Zentralinstitute des Sanitätsdienstes der Bundeswehr führen human- und veterinärmedizinische, wehrhygienische, pharmazeutische, lebensmittel- sowie radiochemische Untersuchungen durch und halten Einrichtungen zur Verarbeitung von Vollblutkonserven vor. Bei ihrer Reorganisation im Zuge der Wiedervereinigung wurden auch umfangreiche Baumaßnahmen eingeleitet und dafür rd. 180 Mio. DM (rd. 92 Mio. EUR) eingeplant. Der Bundesrechnungshof prüfte die Zentralinstitute und stellte dabei fest, daß sich seit deren Reorganisation die Bemessungsgrundlagen für den Einsatz von Personal, Material und Infrastruktur wesentlich geändert hatten. Er hat daraufhin empfohlen, über Aufgabenstellung und Organisation der Zentralinstitute unter Berücksichtigung der Strukturreform der Bundeswehr neu zu entscheiden.

Das Bundesministerium hat die Anregungen aufgegriffen und mit externer Unterstützung ein Grobkonzept zur Neuordnung der Zentralinstitute entworfen. Durch Straffung der Organisation und den Verzicht auf Baumaßnahmen ergaben sich bei der Umsetzung jährliche Einsparungen in Höhe von mindestens 2 Mio. DM (rd. 1 Mio. EUR) sowie eine einmalige Ausgabenminderung in Höhe von rd. 13 Mio. DM (rd. 6,7 Mio. EUR).

 

 

110 Beschaffungsvertrag für Korvetten der Klasse 130

 

Der Bundesrechnungshof hat Ende des Jahres 2001 den schlußverhandelten Vertrag über Konstruktion, Bau und Lie­fe­rung von fünf Korvetten der Klasse 130 geprüft und dabei festgestellt, daß die Vereinbarung zu einer vermeidbaren Mehr­belastung des Bundes in zweistelliger Millionenhöhe führen würde. Auf Anregung des Bundesrechnungshofes hat das Bundesministerium in Nachverhandlungen mit dem Auftragnehmer die vertraglichen Preisanpassungsregelungen ge­ändert. Nach seiner Berechnung wird sich dadurch die Ver­gütung je nach Entwicklung der maßgebenden Preisindizes um 26 Mio. DM bis 52 Mio. DM (rd. 13 Mio. EUR bis rd. 27 Mio. EUR) verringern.

 

 

111 Nutzung der Hubschrauber BO 105 in der Bundeswehr

 

Das Bundesministerium nutzte bis zum Jahre 2001 – neben 180 Panzerabwehrhubschraubern – noch 95 Verbindungs- und Beobachtungshubschrauber (VBH) des Musters BO 105 M. Mit diesen sollen im Krisen- und Kriegsfall Aufklärungs-, Beobachtungs- und Verbindungsflüge durchgeführt werden. In Friedenszeiten werden sie zur Ausbildung der Besatzungen, aber auch zum Personentransport eingesetzt.

Die jährlichen Betriebskosten der 95 VBH beliefen sich im Jahre 1997 auf rd. 88 Mio. DM (rd. 45 Mio. EUR), wovon 44,9 Mio. DM (rd. 23 Mio. EUR) auf den Personentransport entfielen. Angesichts der unzureichenden Ausstattung für die Aufgaben im Krisen- und Kriegsfall und des unwirtschaftlichen Einsatzes der Hubschrauber als „Luft-Taxi“ für Dienstreisen hat der Bundesrechnungshof deren baldige Aussonderung empfohlen. Nachdem das Bundesministerium diese Empfehlung zunächst abgelehnt hatte, stellt es nun die 95 VBH außer Dienst und verbessert die Ausstattung der übrigen 180 Panzerabwehrhubschrauber, damit diese die Aufgaben der VBH übernehmen können.

 

 

Hierzu noch eine Darstellung von Piloten der Bundeswehr. Die Bundeswehr verfügt über mehrere unterschiedliche Hubschraubertypen, die zum Teil sehr alt sind. Sie werden mit sehr hohem finanziellen Aufwand in Betrieb gehalten. Dies betrifft insbesondere den amerikanischen Hubschrauber vom Typ CH 53 sowie den ursprünglich für den Vietnamkrieg entwickelten US-Hubschrauber Bell UH-ID. Bei beiden Typen wären ernsthafte Bestrebungen für eine Nachfolgebeschaffung verständlich. Um so unverständlicher war die Entscheidung, ausgerechnet den modernsten Hubschrauber, den die Truppen in zwei unterschiedlichen Konfigurationen unterhält, abzuschaffen.

Es handelt sich um die BO 105. Hersteller ist, wie erwähnt, die Fa. Eurocopter, vormals MBB. Eine Version, die BO 105 M, ist ein unbewaffneter Verbindungs- und Beobachtungshubschrauber, der mehr oder weniger als „Lufttaxi“ den Generälen dient.

Die zweite Version ist die BO 105 P, ein mit sechs Raketen bestückter Panzerabwehrhubschrauber – die natürlich wesentlich teurere Variante.

Die BO 105 M, ein nur militärisch lackierter ziviler Hubschrauber, der ohne zusätzliche Bewaffnung und Ausrüstung auf dem Gefechtsfeld oder bei Einsätzen in Kriegs- und Krisengebieten keine Überlebenschance hätte, wurde, wie gesagt, seit den 80er Jahren mehr oder weniger als „Lufttaxi“ eingesetzt. Der Bundesgerichtshof monierte immer wieder die enormen Kosten für den Gebrauch oder Mißbrauch durch die Generäle.

Warum wird ausgerechnet der modernste Hubschraubertyp ausgesondert? Noch weniger aber ist zu verstehen, daß die billigere unbewaffnete Version verkauft wird. Daß der durch seine Ausrüstung und Bewaffnung wesentlich teurere Typ BO 105 P zukünftig die Aufgabe des Lufttaxis übernimmt und abgerüstet wird, ist unvorstellbar.

In etwa zeitgleich mit dem Verkauf sowie der sinnlosen Umrüstung wurde an der Heeresfliegerwaffenschule in Bückeburg ein neuer Hubschraubertyp eingeführt, die EC 135 der Fa Eurocopter. Aufgrund des hohen Preises, konnten nur wenige Maschinen angeschafft werden, die nur der Schule bereitstanden. Hätte man, um jungen Offizieren die Elementarfliegerei beizubringen, nicht auch die 100 relativ modernen BO 105 M erhalten können, zumal dieser Hubschrau­bertyp der Schulungshubschrauber schlechthin ist?

Generationen von Piloten haben das Fliegen auf der BO 105 erlernt und schwärmen immer wieder über das „handling“ und die herausragenden Flugeigenschaften. Bei der EC 135 hat man, trotz der üblichen Erprobungsphasen, erst nach der Einführung und dem Kauf festgestellt, daß die Autorotationseigenschaften bezüglich der Rotordrehzahlen stark begrenzt sind. Somit sind nur geringe Spielräume zulässig, was für einen Schulungshubschrauber eher ungeeignet ist. (Zwischenfallberichte belegen diese Situation.)

 

 

 

112 Flugdienst des nicht in Einsatzverbänden eingesetzten fliegerischen Personals (Inübunghaltung)

 

Das Bundesministerium sieht für sein fliegerisches Personal, das in Stäben, Kommandostellen und Ämtern eingesetzt ist, die Teilnahme am Flugdienst (Inübunghaltung) vor. Die hierfür anfallenden Flugstunden verringern die für die Einsatzbesatzungen verfügbaren Flugstunden. Zusätzlich beansprucht der Flugdienst bis zu einem Viertel der jährlichen Arbeitszeit des betroffenen Personals. Einen ähnlichen Sach­verhalt hatte der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen 1995 dargestellt. Das Bundesministerium hatte daraufhin zugesichert, die Inübunghaltung deutlich abzubauen. Mittlerweile ist aber z.B. bei dem Kampfflugzeug Tor­nado wieder ein erheblicher Anstieg an Personal zu verzeichnen, das am Flugdienst teilnimmt. Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen, den Umfang der Inübunghaltung zu reduzieren und die eingesparten Flugstunden den Einsatzbesatzungen zur Verfügung zu stellen. Das Bundesmi­­nisterium will nunmehr dieser Empfehlung nachkommen und hat bereits die entsprechenden Dienstvorschriften geän­dert.

 

 

113 Zulagen im Bereich der Bundeswehr

 

Der Bundesrechnungshof hat bei einer Prüfung der Bearbeitung von Stellen- und Erschwerniszulagen im Bereich der Marine u.a. festgestellt, daß Soldatinnen und Soldaten ohne die erforderliche Ausbildung für Verwaltungsangelegenheiten Zahlungen entsprechender Zulagen von über 20 Mio. DM (über 10 Mio. EUR) jährlich bearbeiteten. Mangels hinreichender Kenntnisse der vielfältigen und teilweise äußerst komplizierten Regelungen war hierbei eine hohe Fehlerquote zu verzeichnen. Eine Prüfung der Bearbeitung der Flugzeugtechnikerzulage hat ergeben, daß die gesetzliche Re­ge­lung den zulageberechtigten Personenkreis nicht deutlich genug eingrenzte. Die umfangreichen Bestimmungen waren nicht hinreichend konkret und teilweise unverständlich. Die Dienststellen gewährten die Zulage uneinheitlich und häufig auch dann, wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

Der Bundesrechnungshof hat u.a. darauf hingewiesen, daß bei jährlichen Gesamtausgaben für Stellen- und Erschwerniszulagen im Bereich der Marine von über 20 Mio. DM (über 10 Mio. EUR) sowie bei Gesamtausgaben für die Flugzeugtechnikerzulage von über 13 Mio. DM (über 6,5 Mio. EUR) im Jahre 2001 vermeidbare Ausgaben in Millionenhöhe entstanden sind. Er hat daher grundlegende Verein­fachungen der Regelungen gefordert.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, es habe das Verfahren der Bearbeitung aller Zulagen grundlegend neu gestaltet. Unter anderem habe es gemeinsame Zah­lungs­be­stim­mungen für alle Stellen- und Erschwerniszulagen in der Bun­deswehr geschaffen. Die Bestimmungen zur Gewährung der Marinezulage und der Flugzeugtechnikerzulage seien neu ge­faßt worden. Mit seinen Maßnahmen, die alle Stellen- und Erschwerniszulagen in der Bundeswehr betreffen, hat das Bundesministerium die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um den Verwaltungsaufwand und die Zahl der Be­ar­beitungsfehler wesentlich zu mindern und erhebliche Beträge einzusparen.

 

 

114 Reisebeihilfen für Familienheimfahrten der Soldaten

 

Wehrsoldempfänger erhalten einen Berechtigungsausweis, mit dem sie kostenlos zwischen dem Dienstort und dem Familienwohnort mit der Bahn bzw. dem Omnibus im Schienenersatzverkehr reisen können. Bei Benutzung anderer re­gel­mäßig verkehrender Beförderungsmittel (z.B. privater Buslinien) sowie bei Benutzung des eigenen Pkw werden Reisebeihilfen für bis zu fünf Familienheimfahrten im Kalendermonat gewährt. Voraussetzung hierfür ist, daß die Rest­strecke, die nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden kann, mindestens drei Kilometer beträgt. Grundsätzlich soll der eigene Pkw wegen des allgemein erhöhten Unfallrisikos im Straßenverkehr bei einer Entfernung von über 300 km zwischen Dienstort und Wohnort nicht benutzt werden.

Der Bundesrechnungshof hat u.a. beanstandet, daß seit Mitte der 90er Jahre Reisebeihilfen für die Fahrt mit dem eigenen Pkw ohne überzeugende sachliche Gründe für die Gesamtstrecke von der Gemeinschaftsunterkunft zur Wohnung gewährt wurden. Die Ausgaben haben sich seitdem auf über 12 Mio. DM (über 6 Mio. EUR) pro Jahr verdoppelt. In zahlreichen Fällen gewährten die Dienststellen auch dann Reisebeihilfen bei Benutzung des eigenen Pkw, wenn die Entfernung zwischen Wohnung und Dienststelle mehr als 300 km betrug.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, daß Reisebeihilfen bei Benutzung des eigenen Pkw seit dem 1. Juni 2002 grund­sätzlich nicht mehr bewilligt würden, wenn die Entfernung mehr als 200 km betrage. Weiterhin würden künftig Taxi- oder Pkw-Kosten für den Zu- und Abgang am Wohnort erstattet, wenn keine Verbindung mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln bestehe.

 

 

115 Vergütung für Soldatinnen und Soldaten mit besonderer zeitlicher Belastung

 

Besondere zeitliche Belastungen der Soldatinnen und Soldaten wurden bis zum Jahre 1989 pauschal abgegolten. Da­nach stellte das Bundesministerium den Ausgleich auf eine Einzelfallregelung um, mit dem Ziel, eine gerechtere, leistungsbezogene und individuelle Abfindung zu schaffen. Folge dieser Umstellung waren umfangreiche, komplizierte, verwaltungsaufwendige und schwer zu handhabende Regelungen. Der Bundesrechnungshof hat hohe Fehlerquoten bei der Festsetzung der Vergütung sowie viele unzulässige Zahlungen festgestellt. Das Bundesministerium beabsichtigt, die Regelungen entsprechend den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes grundlegend zu überarbeiten.

 

 

Aus alldem ist ersichtlich, daß es sich um Millionen handelt, die verschwendet oder ohne Sinn ausgegeben werden. Nur ein winziger Teil ist dabei angesprochen worden. Viele der noch zu bemängelnden Ausgaben sind auch dem Bundesrechnungshof nicht aufgefallen.

Unverständlich bleibt, wie viele Mitarbeiter in der Regierung für Aufgabenbereiche wie Finanzen und Haushalt beschäftigt wer­den, die nicht in der Lage sind, solche Mißstände zu verhindern. Auch im Ministerium der Verteidigung gibt es einen personellen Bereich, der Ausgaben überprüfen sollte, was erkennbar nicht zu funktionieren scheint.

Kommissionen über Kommissionen werden zusätzlich beschäftigt und teuer bezahlt, um unsere Finanzlage zu verbessern. Es ist kaum möglich, auf diese Art und Weise die Systeme und angebliche Finanznot im Land zu verbessern.

 

Zum Jahresende 2002 wurde auf dem Werksgelände von Krauss-Maffei-Wegmann in München die „erste fertiggestellte Version des 8x8 Radfahrzeugprototyps“ vorgestellt, bisher als gepanzertes Transport-Kraftfahrzeug (GTK) bekannt, nun auf den international gültigen Namen BOXER festgelegt.

Im November 1999 haben Briten und Deutsche das Projekt ge­startet, vorher waren die Franzosen aus dem Konzeptstudium ausgetreten, während die Niederländer im Februar 2001 in die Gemeinschaft eintraten.

Alle drei Partner haben sich auf die Abnahme von je 200 Fahrzeugen verständigt, die von den Firmen Alvis (UK), Kraus-Maffei-Wegmann (D), Rheinmetall-DeTec und Stork (NL, in Kraus-Maffei-Besitz) gebaut werden sollen.

Ab 2006 soll die Serienfertigung über einen Zeitraum von etwa drei Jahren beginnen.

Für UK, NL und D werden Versionen eines Mannschaftstransporters (11 Soldaten) und eines Führungsfahrzeuges gebaut, für NL ein MEDIAVEC-Typ. Außerdem sind für den BOXER, der Module auf- und abnehmen kann, Mörser, Granatwerfer und mittlere Maschinen – Kanonen-Träger (30-40 mm) konzipiert.

Der britische Rechnungshof NAO hat in einem jüngst veröffentlichten Bericht die gesamten Beschaffungskosten auf 318 Mio. GBP (Englische Pfund) taxiert, der Preis pro Stück auf 1,1 Mio. GBP. Die Entwicklungskosten und der Systemzuschlag müssen demnächst auf insgesamt 450 Mio. Euro taxiert werden. Für Deutschland wäre demnächst mit ca. 150 Mio. Euro Entwicklungskostenanteil und Systemzuschlag sowie rund 1,8 Mio. Euro pro Fahrzeug (zusammen 360 Mio. Euro) zu rechnen; insgesamt ca. 510 Mio. Euro für 200 Fahrzeuge.

Der BOXER ist wahrscheinlich der einzige Typ eines Fahrzeugs in Europa, der wesentlich auf Beschuß- und Minenschutz für die Soldaten ausgelegt ist. Folglich ist er zu schwer (incl. Nutzlast 33 t), damit überaus problematisch luftverlastbar und vor allem zu teuer. Im Spektrum der Einsatzkategorie ist er sowohl in schweren Gefechten, als auch in Friedensmissionen einsetzbar.

Andererseits ist ein allgemeiner Trend zu erkennen, der gepanzerten Fahrzeugen mit einer Gewichtsklasse von rund 20 t (luftverlastbar) den Vorzug gibt, die den Schutz für Soldaten aber vernachlässigen. Es wird von dem deutschen, für Heeresrüstung zuständigen Brigadegeneral Q. berichtet, daß er in Finnland und den USA nach BOXER-Herausforderern sucht.

Wieso braucht die Bundeswehr einen neuen Schützenpanzer? Die bisher technologisch nicht gelöste Aufgabe eines „mannlosen“ Geschützturms (Kaliber 30 bis 50 mm) könnte auch im BOXER versucht werden. Leider haben wir vergessen, daß wir uns damit in die „unendliche Geschichte“ des Krieges zwischen Anhängern von Rad und Ketten zu verstricken beginnen.

 

 

 

Menschen im Mittelpunkt?

 

 

Die Soldaten äußern sich mehr und mehr negativ. Sie werden gebraucht und tragen große Verantwortung. Allein die Un­sicherheit und die Angst in der sie leben, ob sie, zum Nachteil ihrer Familien, zum monatelangen Einsatz ins Ausland abkommandiert werden, mit welchen schwierigen Aufgaben sie bei den Auslandseinsätzen konfrontiert werden und ob sie überhaupt jemals zurückkommen. Es genügt aber auch schon das Wissen um die Möglichkeit einer Versetzung zu einem an­de­ren Standort. Ich kenne Soldaten, die bereits zwölfmal umge­zogen sind. Eine Versetzung bedeutet in der Familie immer ein Problem. Der Arbeitgeber ist gleichzeitig auch der Gesetzgeber, der Gesetze verändern und erneuern kann, dies aber selten zum Wohl der Soldaten tut.

Versprechungen oder Abkommen werden nicht immer eingehalten, und wenn ein Soldat heute einen Vertrag erhält, der ihm Sicherheit und frühe Pension garantiert, ist dies niemals eine Garantie, sondern eine vorübergehende Zusage.

Was ich für mehr als menschenunwürdig halte, ist die jahrelange Auseinandersetzung zwischen Wehrdienstgeschädigten und Bundesverteidigungsministerium.

Hierzu einige Beispiele (entnommen aus Leserbriefen im Magazin des Deutschen Bundeswehrverbandes und anderen Veröffentlichungen):

 

– Während meiner 32jährigen Dienstzeit als Marinefliegersoldat, mußte ich mich in den Jahren 1965/69/85/92 beidseitig an den Leistenhernien operieren lassen, was zur Folge hatte, daß beide Hoden zerstört wurden. Als Ergebnis wurde vom Sanitätsamt der Bundeswehr ein Grad der Behinderung (GdB) mit 20 v.H. gewährt. In einem Gutachten der Abteilung Psychiatrie und Neurologie im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz wurde diesen Einengungen meiner Lebensqualität Rechnung getragen und für die stärker behindernde Störung, mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit durch die reaktive Depression, eine Einzel-GdB-MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) von 40 v.H. ein­geschätzt. Das Sanitätsamt weigert sich diese anzuerkennen.

 

– Nach 11 Jahren Rechtsstreit um meine Wehrdienstbeschädigung (WDB) hat es trotz eines Gutachtens des Ordinarius und Leiters einer Uni-Klinik einen Vergleich gegeben, der für mich wertlos ist. Fazit für mich: Der Recht suchende Soldat ist im Wehrdienstbeschädigten-Verfahren die arme Sau.

 

– Als Angehöriger der 1. Luftlandedivision zog ich mir beim Fallschirmabsprung einen Bruch des Felsenbeines links und als Folge eine Taubheit des linken Ohres, Schädigung des Gleichgewichtsorgans links mit Unsicherheit und einem ständigen Rauschen zu. Diese Schädigung wurde als Wehrdienstbeschädigung anerkannt. Die Höhe der Rente beträgt zur Zeit 225 DM. Bei einem Kameradentreffen wurde ich auf einen mit gleicher Schädigung betroffenen Kameraden aufmerksam. Die­ser zog sich die Schädigung bei einem Einsatz im Auftrag des Auswärtigen Amtes in Jugoslawien zu. Das bedeutet, daß im Falle meines Kameraden die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung mehr als das Doppelte bezahlt. Eine Anfrage an das Landesamt für Jugend, Soziales und Versorgung des Saarlandes, worin die Unterschiede begründet sind, ergab folgende Antwort: Als Soldat erhalten Sie die Entschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz, die Reichsversicherungsordnung findet keine Anwendung. Als Soldat (SVG) ist man also wieder schlechter gestellt als ein Beamter (RVO).

 

– Während meines Wehrdienstes hatte ich einen schweren Dienstunfall. Ich wurde am linken Auge so schwer verletzt, daß das Auge erblindete. Meine Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde auf 25 v.H. festgesetzt. Nach 32 Jahren wurde ich am blinden Auge operiert. Nach der Operation wurde ich vom Versorgungsamt Verde zu einem Gutachter geschickt. Der stellte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35 v.H. fest. Eine Ärztin vom Versorgungsamt änderte das Gutachten so ab, daß nur noch eine MdE von unter 25 % v.H. herauskam und keine Rente mehr gezahlt werden kann. Es ist mit Sicherheit falsch, wenn Mediziner Gutachten verändern. So wird keine Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben erreicht. Das Gegenteil ist richtig, nämlich Isolation.

 

– Vom 1. Mai bis 23. November 99 befand ich mich als Sanitätsfeldwebel im Feldlager Rajlovac. Das dort Erlebte hat mich mittlerweile so nachhaltig erkranken lassen, daß ich meinen Dienst nicht mehr wie erwartet erfüllen kann und ein Dienstunfähigkeitsverfahren eingeleitet wurde. Am 12. November 2000 versuchte in einem Dorf nahe der Stadt Ceniza ein etwa sechs Jahre alter Junge, mir eine entsicherte Handgranate unbekannten Typs in die Hand zu geben. Aus reiner Reaktion ha­be ich die Kinderhand mit der Granate mit meiner um­schlossen, damit sie nicht zu Boden fällt. Ich hatte Gedanken wie Du hast ja ein Testament gemacht, evtl. siehst du noch einen Lichtblick oder: Das könnte auch dein Sohn sein.

 Stundenlanges Warten auf den EOD-Trupp mit anschließender Sprengung vor Ort und Rechtfertigungen über mein Handeln in der OPZ, sowie bei anderen Vorgesetzten haben mich in meiner Persönlichkeit nicht gestärkt, sondern verändert und kränker gemacht. Der Antrag auf WDB wurde am 10. April 01 von mir ausgefüllt und am 18. April durch die zuständige Truppenärztin unterschrieben. Seitdem habe ich von der WBV in Düsseldorf am 15. Mai 01 nur einen Fragebogen erhalten. Der vom Disziplinarvorgesetzten auszufüllende Fragebogen wurde mir nach Eingang im Facharztzentrum nach einem Monat mit der Bitte um Bearbeitung in die Klinik für Psychosomatik geschickt. Was für eine Fürsorge! Nun sind fünf Monate vergangen, ohne daß ich eine weitere Nachricht erhalten habe.

 

– Aus eigener Erfahrung warne ich alle Kameraden, beim Antrag auf eine Wehrdienstbeschädigung, die keine Aussicht auf eine Entschädigungsrente verspricht, also unter 25 v.H. liegt, sehr vorsichtig zu sein und abzuwägen.

Wegen mehrerer Knalltraumen, die schließlich einen Tinnitus (ständiges Ohrgeräusch) und eine Hörminderung auf beiden Ohren nach sich zogen, hatte ich während meiner aktiven Dienstzeit eine WDB beantragt. Die wurde zwar anerkannt, allerdings nur mit einem Beschädigungsgrad von 10 v.H.

Einige Jahre nach meinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst verschlechterte sich mein Hörvermögen derart, daß mir der Facharzt zwei Hörhilfen verschrieb. Nichtsahnend glaubte ich dem Hörakustiker, der mir als „Beihilfeempfänger“ Innenohrgeräte in mittlerer Preisklasse empfahl. Er meinte, ich solle mir gleich technisch bessere Geräte zulegen, da meine Zuzahlung sicher sehr gering sein würde. Der Kostenvoranschlag lautete für beide Geräte 6.320,80 Mark. Mit diesem Kostenvoranschlag erkundigte ich mich bei der Beihilfestelle, wie hoch der Zuschuß sein würde. Mir wurde mitgeteilt, daß bis zu 2500 Mark für ein Gerät beihilfefähig sein würden (bei 70 % Auszahlung also 1750 Mark). Bei Einreichung dieses Antrags erwähnte ich, daß mir wegen eines Hörschadens eine WDB zuerkannt wurde – ohne Zweifel in der Hoffnung, daß dies für mich freie Heilfürsorge bedeutet und mir keine Zusatzkosten entstehen.

Diese Ansicht war vollkommen falsch. Die WBV teilte mir sofort mit, daß für mich unter diesen Voraussetzungen ein gesetzlicher Anspruch auf Heilfürsorge bestünde und ich mich an das zuständige Versorgungsamt in Bayreuth zu wenden habe. Eine Beihilfeinanspruchnahme sei somit nicht zulässig, und ein Wahlrecht zwischen den Leistungen nach BVG und BV bestünde nicht. Noch immer guter Hoffnung wandte ich mich an das Versorgungsamt. Dort wurde schließlich nach Monaten – und inzwischen erfolgter amtsärztlicher Untersuchung – mein Antrag genehmigt.

Gleichzeitig wurde mir schriftlich bestätigt, daß die Verschlechterung meines Hörvermögens nicht im Zusammenhang mit der anerkannten WDB stünde. Und das die Progredienz des Hörschadens nicht mehr auf die während der Bundeswehrzeit erlittenen Knalltraumen zurückzuführen sei. Sichtlich erfreut wurde mir aber mitgeteilt, daß man trotzdem der Beschaffung der beiden Hörhilfen zustimme.

Allerdings müßte ich zuerst die Mehrkosten in Höhe von 3.801,60 DM an das VA überweisen, da mir nur der Anspruch auf Heilbehandlungen nach § 10 BVG zustünde, also nur auf Außerohrgeräte, und dies nach den Höchstsätzen der AOK.

Meine Widersprüche und Beschwerden an den Präsidenten der WBV gegen diese Praxis blieben erfolglos. Da mir die o.g. Zuzahlung nicht möglich war, mußte ich letztendlich ein Hörgerät zurückgeben und bin nun, nach mehr als einem Jahr Papierkrieg, stolzer Besitzer wenigstens eines Hörgerätes – wenn auch unter Zuzahlung von 2.091,30 DM (zwischenzeitlich hat sich das Gerät verteuert).

Kein Dank, nur Ärger, wenn man seine Gesundheit im Dienste für den Staat eingebüßt hat.

 

– Unter dem Titel: Glaubwürdigkeit verloren berichtet man über folgende Gerichtsverhandlung: Der Oberstabsarzt E. war Mitfahrer in einem Fuchs-Transportpanzer, der zum hinteren Teil des von einem Hauptmann befehligten Konvois gehörte. Der Transportpanzer stürzte von einer sehr schmalen Brücke ca. 3, 7 m in die Tiefe. Der Oberstabsarzt, der unmittelbar vor dem Absturz nach dem rechten sehend aus der Luke hervorgekommen war, wurde beim Aufprall des Panzers tödlich verletzt.

 Die Witwe und Mutter zweier Kinder aus dieser Ehe, deren Versorgung nach den allgemeinen Vorschriften außer Streit steht, wandte sich mit Schreiben vom 25. November 1999 an die Beklagte unter Hinweis auf deren Merkblatt zur finanziellen und sozialen Absicherung bei besonderen Auslandsverwendungen.

Am 20. Juni 2002 hat die 5. Strafkammer des Verwaltungsgerichtes Berlin nach mündlicher Verhandlung die Klage der Witwe des Oberstabsarztes Dr. S.E. auf eine einmalige Entschädigung nach § 63a Soldatenversorgungsgesetz abgewiesen.

Dr. E. stürzte im Mai 1999 auf dem Weg von Albanien nach Mazedonien beim Überfahren einer maroden Brücke mit seinem Transportpanzer von der Brücke und verunglückte dabei tödlich. Das Verwaltungsgericht mußte sich mit dem Fall beschäftigen, weil zuvor das BMVg den Antrag der Witwe auf Leistung der einmaligen Entschädigung mit dem Hinweis zurückwies, daß das auch zu Hause hätte passieren können und damit das Auslandsverwendungsgesetz nicht anwendbar sei.

 Schon während der mündlichen Verhandlung regte sich unter den uniformierten Zuhörern – überwiegend Sanitätssoldatinnen und -soldaten – Unmut bis hin zur Verbitterung. Denn das Gericht argumentierte ganz im Sinne des Verteidigungsministeriums. Dr. E. sei nicht bei der Ausübung einer lebensgefährlichen Diensthandlung verunglückt. Auch sei der Unfall nicht auf vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse mit gesteigerter Gefährdungslage zurückzuführen. Schließlich sei der Unfall auch nicht unmittelbare Folge von Kriegshandlungen, kriegerischen Ereignissen, Aufruhr, Unruhen oder Naturkatastrophen gewesen, wie es das Gesetz verlange. Zudem sei der Panzer nicht deshalb von der Brücke gestürzt, weil diese zuvor durch derartige Ereignisse beschädigt worden war, sondern weil sie für Panzer zu schmal und die Bürgersteige der Brücke für ein derartiges Gewicht nicht ausgelegt gewesen seien. Stabsfeldwebel W.P. vom Bundeswehrkrankenhaus Berlin, der zu der Zeit des Unfalles im Rettungszentrum in Mazedonien Dienst tat, gab nach der mündlichen Verhandlung das wieder, was alle empfanden. „Meine Kameraden und ich verstehen nicht, daß sorglos machende Merkblätter zur Versorgung bei Unfällen im Auslandseinsatz herausgegeben werden und tatsächlich dann im Versorgungsfall Jahre später vor Gericht die Ansprüche mit der Gefahr des ungünstigen Ausgangs vom betroffenen Soldaten oder seiner Hinterbliebenen durchgesetzt werden müssen. Alle mündlichen und schriftlichen Erklärungen des BMVg zur Versorgung bei Unfällen im Auslandseinsatz sind schlagartig unglaubwürdig geworden.“

Hier ist eine Entscheidung von Personen getroffen worden, die nicht annähernd wissen, was bei Auslandseinsätzen geschieht, war die Meinung der Zuhörer.

 

 

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 17. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 13. Juli 2000 zu verpflichten, der Klägerin eine einmalige Entschädigung in Höhe von € 38.346,89 (= DM 75.000 .-) zu gewähren.

Der Entscheidungsvorgang hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat über den allgemeinen Anspruch auf Witwen- und Waisenversorgung hinausgehend keinen Anspruch auf einmalige Entschädigung nach § 63a SVG. Der Gesetzgeber hat die einmalige Entschädigung nicht – der Zahlung einer Lebensversicherung gleichend – für jeden Todesfall eines Soldaten vorgesehen. Vielmehr hängt der Anspruch der Hinterbliebenen davon ab, daß einer der mehr oder weniger engen Tatbestände des § 63a Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 und 2 SVG erfüllt ist.

Der tödliche Unfall des Oberstabsarztes fällt unter keinen der gesetzlichen Tatbestände. Dabei braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob § 63a SVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Mai 1999 (BGBI. I S. 882, 1491), die zur Zeit des Unfalls und des Erlasses und des Bescheides galt, oder in der heute geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 9. April 2002 (BGBI: I S.1258,1909) anwendbar ist (vgl. zum Problem Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Februar 1999 – 2 C 4.98 -, Buchholz 239.2 § 28 SVG Nr. 2). Denn weder die alte noch die heutige, für die Berechtigten teilweise günstigere Fassung ergäbe einen Anspruch auf eine einmalige Entschädigung. Ein Anspruch besteht nach § 63a Abs. 1 SVG alter gleicher neuer Fassung, wenn sich ein Soldat bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aussetzt und infolge dieser Gefährdung einen Unfall erleidet. Das setzt voraus, daß der Soldat die Gefahr erkennt, ihm die

Lebensgefahr bewußt wird und er trotz dieser Lebensgefahr die Diensthandlung fortführt, obwohl ihm ein Entkommen möglich ist (entsprechende BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 1991 – 2B 48.91-, Schütz ES/C 11 3-5 Nr. 3, zu § 37 Abs.1 Satz 1 Beamtverordnungsgesetz). Das trifft hier nicht zu.

Eine einmalige Entschädigung des Weiteren zu beanspruchen nach § 63a Abs. 2 Nr. 1 SVG alter gleich neuer Fassung, wenn der Soldat den Unfall in Ausübung des Dienstes durch einen rechtswidrigen Angriff erleidet. Unter Angriff ist nach dem Wortlaut wie auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift ein Verhalten eines Menschen zu verstehen, das darauf abzielt, dem Angriffsobjekt einen Schaden zuzufügen (so Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Oktober 1998 –2 C 17.98 -, Schütz ES/C 113.5 Nr. 9, zu § 37 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG; Bayerischer VGH, Entscheidung vom 22. Februar 1989 – 3 B 87.03784 -, Juris, zu § 63a SVG). Dazu muß der Täter vorsätzlich handeln. Die allenfalls fahrlässige Verursachung des Todes des Oberstabsarzt durch den Hauptgefreiten erfüllt nicht die Anforderung dieses Tatbestands.

 Ein Anspruch gemäß § 63a Abs. 2 Nr. 3 SVG in der alten wie auch der neuen Fassung, die sich im Obrigen voneinander unterscheiden, setzt voraus, daß der Unfall auf sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse mit gesteigerter Gefährdungslage zurückzuführen ist. Der Gesetzgeber stellt mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht auf eine im Ausland bzw. der Einsatzregion generell gesteigerte Gefährdungslage ab (abstrakte Gefahr), sondern verlangt, daß sich die gesteigerte Gefährdungslage konkret im Unfall verwirklicht hat [vgl. Schütz, Beamtenrecht, § 37 BeamtVG (Stand; Februar 2000) Rdnr. 38f., Stegmüller/Schmalhofer/ Bau­er, BeamtVG § 37 (Stand Dezember 1995) Rdnr. 14 Ziff. 2-3]. Das zeigt sich schon am Wortlaut, der die Zurückführbarkeit des Unfalls auf die vom Inland wesentlich abweichenden Verhältnisse mit gesteigerter Gefährdungslage erfordert, mithin den Aufenthalt in einer generell gefährlichen Region nicht genügen lässt. Die gebotene Betrachtung des Einzelfalls schließt einen Anspruch aus, wenn in einer ausländischen Region, die generell durch besondere Verhältnisse mit gegenüber dem Inland wesentlich gesteigerter Gefährdungslage gekennzeichnet ist, konkret ein Unfall eintritt, der mit gleicher Wahrscheinlichkeit auch im Inland hätte eintreten können (entsprechend Schütz, a.a.O., Rdnr. 38).

 Dabei bestimmt sich die vom Gesetz verlangte Kausalität nicht anders als sonst im Dienstunfallrecht (Schütz, a.a.O., Rdnr. 39). Die besonderen Verhältnisse mit gesteigerter Ge­fähr­dungslage müssen eine wesentliche Ursache für den Un­fall gesetzt, wegen ihrer besonderen Beziehung zum Er­folg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt we­sentlich mitgewirkt haben (so Bverw.G, Urteil vom 30. Ju­ni 1988 – 2 C 77.86 -, ZBR 1989, 57, zum Kausalitätsbegriff)

Nach dessen Maßstäben läßt sich der Unfalltod des Oberstabsarztes nicht auf vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse mit gesteigerter Gefährdungslage zurückführen. Es gibt auch in Deutschland schmale Brücken, die ein Transportpanzer nicht ohne besonderes Risiko bzw. gar nicht befahren kann. Angesichts der Maße der Unfallbrücke war es naheliegend, daß der Transportpanzer nicht auf der Fahrbahn verblieb, sondern auf den Bürgersteig geriet. Es liegt auch auf der Hand, daß 10 cm starke Gehwegplatten einem Transportpanzer nicht standhalten. Sie sind zu dessen Aufnahme nicht bestimmt, wären auch bei bester Wartung gebrochen. Mithin haben sich die von der Klägerin behaupteten Defizite der Instandhaltung infolge des Bürgerkrieges nicht im Unfall verwirklicht. Der zu diesem Defizit angebotene Zeugenbeweis brauchte nicht erhoben zu werden. Der Konvoi war auch nicht aus militärischen Gründen zur Eile oder zum Eingehen eines Risikos gezwungen; der Konvoi befand sich weder im Angriff noch auf der Flucht. Die mangelnde Tragfähigkeit der schmalen Brücke war im Vorfeld des Rückmarsches ermittelt, die Möglichkeit, wenn nicht gar Notwendigkeit, die breite Brücke zu befahren, war erkannt worden. Warum niemand die Erkenntnis in die Tat umsetzte, bleibt unklar. Jedenfalls hätte solch ein menschliches Versehen ebenso in Deutschland passieren können. Schließlich ist auch aus § 63a Abs. 2 Nr. 4 SVG alter Fassung kein Anspruch herzuleiten. Dieser inzwischen entfallene Tatbestand setzte voraus, daß der Unfall die Folge von Kriegshandlungen, kriegerischen Ereignissen, Aufruhr, Unruhen oder Naturkatastrophen ist, in einem der genannten Umstände seine wesentliche Ursache findet. Das war nicht schon der Fall, wenn sich der Soldat in einem derart betroffenen Gebiet aufhielt (abstrakte Gefahr). Es bedurfte auch hier der Verwirklichung eines konkreten Gefahrenumstands im Unfall. Das ist aus der Einschränkung in § 63a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 SVG zu schließen, wonach grundsätzlich kein Anspruch bestand, wenn sich der Soldat grob fahrlässig der Gefährdung ausgesetzt hatte. Der Aufenthalt in der Krisenregion als solcher ist stets befehlsgemäß, kann nicht grob fahrlässig sein. Wie schon gezeigt, verwirklichten sich die mit Kriegshandlungen oder kriegerischen Ereignissen auf dem Balkan einhergehenden Gefahren nicht im Unfalltod. Vielmehr war die Unfallbrücke konstruktionsbedingt nicht für das risikolose Befahren mit Transportpanzern geeignet.

Die Klägerin trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

 

 

 

 

 

 

Nach der Veröffentlichung des Falls und den dann folgenden Protesten erhielt die Redaktion Die Bundeswehr des Deutschen Bundeswehrverbandes e.V. ein Schreiben vom Bundesministerium der Verteidigung:

 

 

12.07.02

 

Betr.: Gegenäußerung zu den Artikeln in Ihrem Magazin „Die Bundeswehr“ Heft 07/2002 Seite 1 und 4 zum Gerichtsurteil über Versorgungsfragen des im Einsatz in Albanien tödlich verunglückten Oberstabsarztes Dr. S.E.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich bitte, in der nächsten Ausgabe Ihres Magazins Heft 8/2002 folgende Gegenäußerung des BMVg Referat PSZ III 3 abzudrucken:

 

In Ihrem Artikel auf den Seiten 1 und 4 im Heft 7/2002 kommentieren Sie die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin, mit der die Klage der Witwe des Oberstabsarztes E. auf eine einmalige Entschädigung nach § 63a SVG abgewiesen wurde. Sie behaupten, das BMVg habe „alle juristischen Winkelzüge“ angewandt, um der Witwe diese Entschädigung vorzuenthalten, und auch sonst sei die Versorgung eines Soldaten und der Hinterbliebenen unzureichend. Dies kann nicht unwidersprochen bleiben.

 

Der Gesetzgeber hat der Gefährlichkeit des Soldatenberufes entgegen Ihrer Darstellung durchaus Rechnung getragen und auch auf die besonderen Gefahren in Auslandseinsätzen reagiert. Die Versorgungsleistungen für Auslandseinsätze wurden kontinuierlich (zuletzt mit Wirkung vom 1. Januar 2002) ausgebaut und verbessert. Das Soldatenversorgungsgesetz (SVG) sieht neben der sonstigen Versorgung, unabhängig vom Status des Soldaten, Einmalzahlungen bei bestimmten schweren Unfällen vor. Während in § 63 SVG im Einzelnen besonders gefährliche Dienstverrichtungen aufgeführt sind (z.B. Flugdienst, Fallschirmsprungdienst, Mu­nitionsuntersuchungsdienst etc.), die bei einem entsprechenden Unfall die einmalige Unfallentschädigung auslösen, müssen bei § 63a SVG bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen zur Gewährung dieser Leistung erfüllt sein.

Neben den Sachverhalten, die auch bei tödlich verlaufenden Inlandsunfällen zur Zahlung einer einmaligen Entschädigung nach § 63a SVG an den Hinterbliebenen führen (Unfall infolge Lebenseinsatz oder rechtswidriger Angriff), galten bis 31. Dezember 2001 daneben unterschiedliche Regelungen bei Auslandseinsätzen:

● Bei „Kontingenteinsätzen“ (z.B. KFOR-Einsatz des Oberstabsarztes E.) stand eine einmalige Entschädigung zu bei schweren Unfällen als (unmittelbare) Folge von

→ Kriegshandlungen, kriegerischen Ereignissen, Aufruhr, Unruhen und Naturkatastrophen.

● Handelt es sich um einen kurzfristigen besonderen Einsatz im Ausland oder im dienstlichen Zusammenhang damit (z.B. Dienstreise ins Einsatzgebiet), stand die einmalige Entschädigung zu, wenn ein Unfall auf

→ sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse mit gesteigerter Gefährdungslage zurückzuführen war.

Ab 1. Januar 2002 wurde die Vorschrift auf Initiative des BMVg auf der Grundlage der günstigeren Regelung für kurzfristige Einsätze vereinheitlicht. Forderungen nach einer er­neu­ten Erweiterung der Vorschrift mit Ziel, bei allen Unfällen im Auslandseinsatz die einmalige Entschädigung zu gewähren, sind nicht gerechtfertigt. Andernfalls würde sich eine nicht zu vertretende versorgungsrechtliche Unausgewogenheit zwischen Unfällen im Inland und Ausland ergeben.

Liegen bei einem Unfall – wie im Fall von Oberstabsarzt E. – die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, kann die einmalige Entschädigung nicht gewährt werden. Die Verwaltung ist an geltendes Recht gebunden. Es entbehrt daher einer sachlichen Grundlage, die gerichtlich bestätigte korrekte Anwendung zwingender gesetzlicher Vorschriften als „juristische Winkelzüge“ zu bewerten und betroffene Soldaten und Hinterbliebene zu „lästigen Bittstellern“ zu degradieren. Ich darf Sie bitten, zu einer der Sache angemessenen Berichterstattung zurückzukehren.

Es besteht daher kein Grund für die möglicherweise – auch auf Grund von verkürzten Darstellungen in den Medien – bestehende Besorgnis, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre auf Grund der verschiedenen gesetzlichen Vorschriften konkretisierten Fürsorgeverpflichtung gegenüber den im Ausland eingesetzten Soldaten und ihren Familienangehörigen nicht nachkommen würde.“

 

 

In dem Magazin Die Bundeswehr des Deutschen Bundeswehrverbandes 8/2002 wurden dazu einige der Zuschriften und Le­serbriefe veröffentlicht, die ich hier übernommen habe:

 

– Diese Urteilsbegründung hat mich noch mehr erschüttert als damals die zum sog. „Mörder“-Urteil. Daß unser Staat im Allgemeinen und die Bundeswehr insbesondere sparen muß, weiß jeder. Aber bitte nicht auf dem Rücken der Soldaten! Der leider tödlich verunglückte Oberstabsarzt Dr. E. war doch im Auftrag unseres Dienstherrn unterwegs, und zwar im Ausland, und erhielt u.a. auch Bezüge nach dem Auslandsverwendungsgesetz. Daß das gleiche Gesetz plötzlich bei einem Dienstunfall nicht mehr anwendbar sein soll, übersteigt mein Begriffsvermögen (ich habe auch die Begründung zum „Mörder“-Urteil nie verstanden). Sollte (was hoffentlich nie passieren möge) ein Kamerad von einem Heckenschützen erschossen werden, dieses Gericht etwa wie folgt argumentiert: „In Deutschland gibt es Treibjagden mit Schützen, die manchmal hinter Hecken schießen und dabei leider und versehentlich auch schon mal einen Treiber erlegen. Also, muß das BMVg, da ja im Einsatzland kein erklärter Krieg herrscht, keine Entschädigungsansprüche decken.“

– ... Ich bin am 4. April 1966 Soldat geworden und hätte nie geglaubt, daß es mal soweit kommen könnte, daß man in Versuchung gerät zu sagen: „475 Tage noch und der Rest von heute“.

Oberstleutnant Rolf R.

 

– Das Berliner Verwaltungsgericht hat also einen tödlichen Unfall während eines militärischen Einsatzes in einem Krisengebiet nicht als „lebensgefährliche Diensthandlung“ erkannt und der Witwe eine Einmalabfindung verweigert. Diese durchaus der Gesetzeslage entsprechende Rechtsprechung treibt einem den Zorn und die Schamesröte ins Gesicht... Die Klagen der an Krebs erkrankten Radar-Soldaten sind das beste und vorerst letzte Beispiel dafür, wie weit die Fürsorge des Dienstherrn geht. Ein bisschen von der den Amerikanern angebotenen „uneingeschränkten Solidarität“ stünde Regierung und Bundestagsabgeordneten gegenüber den eigenen Soldaten gut an.

Dietmar H.

 

– Mit Empörung habe ich vom Versuch des Ministers Kenntnis genommen, der Witwe des im dienstlichen Einsatz im Ausland verunglückten Oberstabsarztes die vom Gesetzgeber ermöglichte Entschädigung vorzuenthalten. ...Die Argumentation des BMVg, die besondere Entschädigung nach § 63a abzulehnen, ist nicht stichhaltig. Dieser Unfall hätte im Inland nicht passieren können. Eine derartig marode Brücke ist in der Bundesrepublik nicht zu finden, da die Zuständigkeit für die Unterhaltung von Straßen und Brücken gesetzlich geregelt ist. Damit könnten Schadensersatzansprüche gegen die zuständige Behörde (Gemeinde, Kreis, Landschaftsverband usw.) geltend gemacht werden.

Fazit: Der Einsatz des Oberstabsarztes gilt nicht als Dienst­­handlung (i.S.d. Auslandsverwendungsgesetzes), wohl aber die umstrittenen Wochenendflüge des Ministers Scharping zu seiner Lebensgefährtin, denn diese Flüge sind ja im Inland nicht möglich! Ihre Feststellung, daß sich Soldaten auf den Dienstherrn nicht verlassen können, gilt nicht erst seit diesem beschämenden juristischen Winkelzug.

Ist nicht auch die ungerechtfertigte Kürzung der Pensionen ein eklatanter Verstoß gegen Treue und Glauben?

Dipl. Ing. P.K. Oberstleutnant a. D.

 

 

 

Fatale Sammelleidenschaft führte zum Ruhestand ohne Pension

 

 

Seit 1994 befindet sich Eduard Thiel (Name geändert) im Ruhestand ohne Pension. 1996 wurde er wegen einiger Verstöße gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Er hatte Waffen aus in Deutschland frei verkäuflichen Einzelteilen zusammen mit in den USA legal beschafften Rohr- und Verschlußteilen zu einer funktions­tüchtigen Gesamtwaffe zusammengesetzt und seiner Samm­lung hinzugefügt. Ein Mißbrauch war ausgeschlossen. Auf Grund seines dienstlichen Einsatzes und als aktiver Teilneh­­mer an Schießveranstaltungen des Reservistenverbandes war er in der sicheren Handhabung und Aufbewahrung von Waffen ausgebildet und geübt. Die Berechtigung, erlaubnispflichtige Jagdwaffen zu führen, lag vor. Da es sich bei den Waffen um reine Sammlerobjekte handelte, wurde genau genommen eine außer Kontrolle geratene Sammlerleidenschaft, nicht eine unehrenhafte Gesinnung oder ein schwerer Charakterfehler bestraft.

Seit Januar 2000 leben T und seine Ehefrau von Sozialhilfe. Dafür sorgte die rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, was regelmäßig zur Entlassung oder zum Verlust der Versorgungsansprüche eines Berufssoldaten im Ruhestand führt. T. verlor aber nicht nur seine künftige Pension. Die Kapitalabfindung wurde ebenso zurückgefordert wie die überzahlte Versorgung vom Eintritt in den Ruhestand bis zur Rechtskraft des Urteils, Die verzweifelte Hinweise des T. auf die katastrophale finanzielle Lage und 33 Jahre treues Dienen verhinderten das Desaster nicht. Da aus sozialen Gründen (§ 5 Soldatengesetz) der Bundespräsident den Verlust der Versorgungsbezüge im Wege des Gnadenrechts wieder aufheben kann, formulierte ein Vertragsanwalt des Bundeswehrverbandes ein Gnadengesuch an den Bundespräsidenten Johannes Rau. Im Juli 2002 wurde es ohne Begründung abgewiesen. Mitgeteilt wurde ihm das vom Verteidigungsministerium, was T. zu einer Nachfrage beim Bundespräsidialamt in Berlin veranlaßte. Die vom Bundesministerium der Verteidigung mitgeteilte Gnadenentscheidung sei tatsächlich vom Bundespräsidenten getroffen worden und Anhaltspunkte für eine andere Bewertung nicht ersichtlich, wurde ihm mitgeteilt.

Seit der Ablehnung eines neuen Gnadengesuches durch das Präsidialamt leiden T. und seine Ehefrau bis zum 65. Lebensjahr weiterhin Not. Erst dann greife die wesentlich schlechtere gesetzliche Rente, in der T. wegen des Verlustes der Pension nachversichert wurde.

Einerseits werden bei der Bundeswehr Milliarden verschleudert, andererseits entzieht man den Soldaten Renten, Versorgungsbezüge und soziale Rechte.

Was man so mit Gewalt und Härte an Kapital einspart, kann wieder frei in Unsinn und Wahnsinn verschwendet werden. Ich schäme mich hierfür.

 

Man darf auch die vielen Opfer nicht vergessen, die durch militärische Radargeräte verstrahlt wurden. Sie sind, soweit sie noch leben, heute ge­zwungen, das Verteidigungsministerium zu verklagen, da sie auf anderem Weg keine Hilfe zu erwarten haben.

Ein Berliner Rechtsanwalt beziffert die Gesamtforderung auf mehr als 100 Mio. Euro. Der Anwalt, der zum größten Teil krebskranke Kläger vertritt, sprach von bisher sechs Musterklagen mit einem Mindestbetrag von je 60.000 Euro. Die tatsächliche Summe müsse aber darüber liegen und hänge vom Alter der Betroffenen, von der Dauer und Schwere der Erkrankung ab. Insgesamt vertritt der Anwalt 773 Betroffene. Bei Erfolg der ersten Klagen könnten Zahlungen von mehr als 40 Millionen Euro auf das Ministerium zukommen.

Ca 400 Betroffene haben zudem den US-Hersteller von Radargeräten verklagt. Das Gesamtvolumen dieser Klagen betrage 350 Mio. US-Dollar.

Der Anwalt beschuldigte Ministerium und Firmen, die Soldaten nicht ausreichend über das Strahlenrisiko von Radargeräten informiert und die Geräte nicht genügend abgesichert zu haben. „Die Bundeswehr hat systematisch alle Schutzvorkehrungen ignoriert und verletzt.“ So seien die Soldaten nicht über Gesundheitsgefahren aufgeklärt worden, es hat keine ausreichende Strahlenabschirmung gegeben und keine Informationen über Sicherheitsabstände.

Die Klagen seien notwendig, da das Verteidigungsministerium sich nicht, wie zugesagt, um die Opfer kümmere. Bei den Betroffenen handelt es sich um Soldaten, die zwischen den 50er und den 80er Jahren an Radargeräten der Bundeswehr eingesetzt waren.

Der 54jährige D.G., der bis 1975 Radargeräte in Kampfflugzeugen gewartet hatte, sagte:

„Wenn ich einen Bleihandschuh angezogen hätte, hätte ich meine linke Hand noch.“ Seine Hand war 1990 wegen Knochenkrebs amputiert worden. Dem seinerzeitigen Verteidigungs­minister Scharping (SPD) warf der Anwalt vor, er habe sein Versprechen nicht eingelöst, die Strahlenopfer schnell und umfassend zu entschädigen.

„Das Verhalten des Verteidigungsministers gegenüber den Opfern ist schäbig“, sagte er. Das Ministerium versucht sich um seine Verantwortung zu drücken und operiert unter anderem mit falschen Vergleichszahlen. Wenn man zwischenzeitlich nicht einlenke, sei damit zu rechnen, daß eine vollstreckbare Gerichtsentscheidung in ein bis zwei Jahren vorliegt.

Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums wies die Vorwürfe als nicht gerechtfertigt zurück: „Wir prüfen so schnell und so großzügig wie möglich.“

Für die Verletzung der Rechts- und Schutzvorschriften von Seiten der Bundeswehr haben die Kläger 438 Zeugen benannt, die selbst als Soldaten, Radartechniker und Kommandeure an den strahlenden Geräten gearbeitet haben. Die Zeugen erklärten dem Anwalt übereinstimmend, daß die Bundeswehr die Betroffenen seinerzeit nicht über die Gefahren aufklärte, und keine Schutzmaßnahmen getroffen hat.

In Berichten technischer Behörden sei die Bundeswehr mehrmals vor der starken Strahlung der Radargeräte gewarnt worden. Sie haben das 5000- bis 20.000fache der höchstzulässigen Belastung betragen. Diese für die Soldaten grausame Situation hätte mit bescheidenen finanziellen Mitteln verhindert werden können. Aber die Belastung betraf ja „nur die Soldaten“ und nicht den verantwortlichen Gesetzgeber.

Bundeskanzler Schröder versicherte den USA nach den furchtbaren Anschlägen des 11. September 2001 die uneingeschränkte deutsche Solidarität. Unser Volk war begeistert und bestärkte den Kanzler. Die USA zeigten sich dankbar. Nur das Volk weiß nicht, was die Regierung der USA weiß. Nämlich, daß wir im Einsatz, in der Kriegsführung unbrauchbar sind. Dies nicht wegen unserer Soldaten, sondern wegen der maroden und schlechten Waffensysteme, den veralteten Maschinen und Fahrzeugen. Wir haben gute Soldaten, im Sanitätsbereich wohl die besten weltweit. Woran es fehlt, sind einsatzfähiges Material, ausreichende Ausbildung und die Vorbereitung auf Einsätze im Ausland. Hierbei werden Sparmaßnahmen vorgegeben. Im Ausland, zum Beispiel in den Niederlanden, wird die Deutsche Bundeswehr belächelt. Die ganze Welt belächelt uns, wenn wir von Einsatzbereitschaft sprechen.

 

 

 

Wozu braucht man unsere Truppe?

 

 

Unsere Soldaten werden gebraucht, um mit Schaufel und Besen den Kriegsmüll der anderen zu entsorgen, Lebensmittel zu verteilen und aufzupassen, daß sich die Völker nicht untereinander die Köpfe einschlagen.

Wenn man die Aussagen der Politiker ernst nimmt und glaubt, in unserem Land militärisch gut geschützt zu sein, fühlt man sich sicher. Doch den, der hinter die Kulissen schaut und die Wirklichkeit erkennt, beschleicht ein mulmiges Gefühl.

Man gewinnt den Eindruck, daß unsere Soldaten wie Selbstmordkommandos losgeschickt werden, um Kriege zu un­terstützen oder Friedenseinsätze zu tätigen.

Die Piloten der BO 105 M sitzen in ihren Maschinen mit Landkarte auf dem Knie. Die Heeresflieger anderer Nationen verfügen hingegen über moderne Navigationssysteme.

Wehe dem deutschen Piloten, der bei schlechtem Wetter eine Brücke verwechselt oder sich an einem falschen Punkt auf der Karte orientiert.

Als Ost- und Westdeutschland wieder zusammengeführt wurden, gab es im Osten einen modernen Rüstungsbestand, unter anderem auch ca. 60 technisch ausgereifte russische Hubschrauber vom Typ HIND 24.

Nach Aussagen von östlichen und westlichen Soldaten handelte es sich hierbei um sehr gute Hubschrauber, die voll ein­satzfähig waren. Dazu gab es einen großen Bestand an Ersatzteilen für diese Maschinen. Die deutschen Piloten hofften, diese Hubschrauber fliegen zu können. Doch die Führung entschied, die HIND 24 an Ungarn zu verschenken. Von ungarischer Seite sollte lediglich der Transport übernommen werden. Leider fehlte in Ungarn das Geld dafür.

Die Hubschrauber wurden abgerüstet, die Rotorblätter entfernt und auf einem Güterzug deponiert. Dieser Güterzug stand monatelang bei Wind und Wetter im Freien.

Die Hubschrauber sind inzwischen nicht mehr da. Ob sie in Ungarn oder auf dem Müll gelandet sind, kann niemand genau sagen. Man vermutet, daß ein General aus dem Bereich der Heeresflieger, der angeblich im Aufsichtsrat der Fa. EUROCOPTER eine Funktion übernommen hat, den Einsatz der HIND in Deutschland aus logischem Interessen verhinderte, denn EUROCOPTER hofft auf den Auftrag für den neuen TIGER durch die Deutsche Bundeswehr.

Den HIND 24 hat man in Manching bei München erprobt. Leider fehlen bis heute die Erfahrungsberichte. Schade, ich hätte diese gerne gelesen und mit Piloten diskutiert.

 

Soldaten sind zum Schweigen verpflichtet. Armeeinterna dürfen nicht nach außen dringen. Aber ein dramatischer Fall ist nach außen gedrungen, hat die Seiten der Tageszeitungen und der Wirtschaftsmagazine gefüllt. Viele Soldaten haben diesen Fall nicht vergessen, und sie trauern heute noch um eine überaus beliebte und fähige Fliegerärztin, die ihren Dienst über Jahre hinaus treu und redlich in der Fliegerstaffel Penzing verrichtete.

 

 

 

Der Tod von Christine Bauer

 

 

Vita Dr. Christine Bauer[19]:

 

Die in Friedrichshafen am Bodensee geborene Ärztin promovierte an der Universität Ulm zum Thema Blutkrebs. 1978 trat sie als eine der ersten Frauen in die Bundeswehr ein und war lange Zeit Fliegerärztin beim Lufttransportgeschwader (LTG) 61 in Penzing bei Landsberg. Die Medizinerin und Pilotin aus Leidenschaft galt einst als Vorzeigefrau der Luftwaffe. Als einzige Frau war sie berechtigt, Hubschrauber zu steuern. Sie war außerordentlich beliebt bei der Truppe, bei den einfachen Soldaten.

Am 17.07.2000 nahm Frau Dr. Bauer eine Überdosis Insulin zu sich und verfiel in ein Wachkoma. Sie erwachte nie mehr und verstarb am 13.07.2001 (!).

Ich selbst habe sie nicht kennengelernt. Jedoch habe ich mit ei­­nigen ihrer Freunde und Kollegen, nach ihrem Tod am 13.07.2001, gesprochen. Zudem habe ich mich intensiv mit ihrem Leben befaßt, das des öfteren in vielen positiven Beiträgen in der Presse dargestellt worden ist.

Von ihren Kollegen weiß ich, daß Frau Dr. Bauer eine überaus korrekte, zuverlässige und vertrauenswürdige Ärztin war, die ihre Pflichten stets sehr erst genommen hat.

Die meisten Soldaten ehrten sie sehr. Auch ihre Freunde sprechen heute noch von einer überaus liebenswerten Person, die zudem leidenschaftliche Pilotin und Ärztin (in Penzig bei Landsberg am Lech) war.

Ein Freund sagte mir: „Christine war mit ihrem Beruf verheiratet, und die Soldaten waren ihre Kinder.“

Seit April 1988 versah Christine Bauer ihren Dienst als Fliegerärztin und Pilotin im Stab Penzing mit vollem Einsatz. In vielen Presseberichten wurde sie von der Bundeswehr als Vorzeigesoldatin angepriesen und belobigt. Mehrmals stand sie vor einer Beförderung, die sie aber nicht angenommen hat, um ihre Stelle in Penzing zu behalten. So wurde Dr. R. im Oktober 1993 ihr fachlicher Vorgesetzter.

Bei seinem Amtsantritt hat er die Fliegerdienststelle kurz aufgesucht und ein Gespräch mit Christine Bauer geführt. Eine Überprüfung der Dienstelle oder aber von Frau Bauer wurde von ihm nicht in Erwägung gezogen. Bis zum 17.11.98 (!) hat  seinerseits kein Besuch mehr in Penzing stattgefunden. Darin zeigte sich sicher seine Zufriedenheit mit dem medizinischen Ablauf  im Bereich und mit der guten Arbeit der Ärztin.

Nach genau fünf Jahren jedoch schien sich seine Meinung zu ändern. Es erscheint sehr seltsam, daß eine plötzliche Überprüfung, ohne maßgebliche Begründung, stattfand.

Die Überprüfung wurde am 18. und 19.11 1998 durchgeführt, obwohl man wußte, daß Frau Dr. Bauer aus dienstlichen Gründen abwesend war.

Um ihre Abwesenheit am 23. und 24.11.98 sicherzustellen, wurde eine Kommandierung nach Holzdorf vom 21.11 bis 04.12. und vom 08.12. bis 11.12.98 verfügt. Letzterer Abkommandierung konnte Frau Bauer nicht Folge leisten, da sie er­krankte. Bereits am 28.12 kam es zu einer weiteren Kommandierung zum Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe.

Laut Niederschrift des Kommandeurs der Einheit (LTG 61) sollte die Kommandierung erforderlich sein, um die ungehinderte Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Er­mitt­lun­gen sicherzustellen, die auch im LTG 61 geführt werden müs­sen.

Am 23. und 24.11. und danach ließ der KdoArzt LTKdo eine Anzahl von G-Karten (Patienten-Karten) Einlegeblättern zu G-Karten, Rezepte, Facharztbefunde der Patienten sicherstellen und kopieren. Sie wurden aus dem Bereich der Fliegerarztdienststelle entfernt. Obwohl es sich um vertrauliche Patientendaten und -akten handelte, legte er sie, ohne die Namen und Geburtsdaten zu schwärzen, dem Kommandeur Lufttransportkommando Generalmajor B. und dem Rechtsberater RG K. vor. Diese Unterlagen sind Bestandteil der Ermittlungsunterlagen. Die Daten wurden auch der Vertrauensperson Hauptmann R. zugänglich gemacht.

Vor und nach Beginn der Ermittlungen wurde Frau Dr. Bauer nicht angehört. Von den ihr zur Last gelegten Vorwürfen erfuhr sie erst durch die Einleitungsverfügung. Bei der Einsichtnahme in private Gesundheitsunterlagen wurden mit einbezogen: Hauptmann P., nichtärztlicher Mitarbeiter des Kommandoarztes R., OFA Dr. P., HG H.

Bereits bei Überprüfung durch Dr. R. wurde die ärztliche Schweigepflicht gebrochen. Zudem kam es zur Weiterleitung der Unterlagen an Generalmajor B. Hiermit kam es gleichzeitig zum Bruch des Privatgeheimnisses.

 

 

Zu den Vorwürfen

 

Hier wird wechselseitig aus der sogenannten Einleitungsverfügung und der Erwiderung des Rechtsbeistands zitiert. Da es sich um Zitate aus den genannten Schriftsätzen handelt, wurde der Inhalt sprachlich nicht verändert. (Man beachte die teilweise verschachtelten Sätze des Amts- und Juristendeutsch!)

 

 

Persönlich! Gegen Empfangsbescheinigung

 

Frau Oberfeldarzt

Dr. Christine Bauer

Stab/Lufttransportgeschwader 61

Kauferinger Str.

86929 Penzing

 

z.Z. kommandiert zu:

Flugmedizinisches Institut der Luftwaffe

Postfach 1264/KFL

82242 Fürstenfeldbruck

 

 

EINLEITUNGSVERFÜGUNG

 

Ich leite gegen Sie nach §§ 86,87 WDO ein disziplinargerichtliches Verfahren ein. Sie sind hinreichend verdächtig, Ihre Dienstpflicht schuldhaft verletzt zu haben.

 
Beschuldigung

 

1a) Sie haben in Penzing als Fliegerärztin/LTG 61 von Ende März bis Ende Oktober 1998 von den etwa 500 von Ihnen ausgestellten Einzelrezepten, die an die Bundeswehrapotheke in Kaufering gegangen sind, lediglich 215 in Kopien an Kommandoarzt LTKdo vorgelegt, obwohl dieser Ihnen mit Schreiben vom 03.03.1998 befohlen hatte, ihm in 14-tägigen Abständen Kopien aller der von Ihnen ausgestellten Einzelrezepte vorzulegen.

 

b) Von den von Ihnen zum Bezug über zivile Apotheken in Penzing ausgestellten 51 Rezepten, haben Sie KdoArzt/LTKdo entgegen o.a. Befehl nur 20 in Kopien vorgelegt.

 

 

Widerspruch durch Frau Dr. Bauer über ihren Anwalt:

 

Zu 1)

 

Der Befehl vom 03.03.98, Hptm P. Kopien der ausgestellten Einzelrezepte vorzulegen, ist grundsätzlich rechtswidrig.

Am 03.03.98 hielt sich OTA Dr. R. in den USA auf. In einem Aktenvermerk wurde folgendes aufgenommen: „Mit Schreiben vom 03.03.98 hat mein Vertreter ihr schließlich befohlen, mir 14tägig Kopien der von ihr ausgestellten Einzelrezepte vorzulegen, um ihr weiteres Verordnungs- und Bevorratungsverhalten überprüfen zu können.“

Es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß Hptm P. weder Vorgesetzter noch fachlich Vorgesetzter ist und somit keine Befehle gegenüber Frau OFA Dr. Bauer erteilen kann.

Die Anforderung von Rezeptfotokopien ist deshalb schon rechtswidrig, da zwangsläufig hierdurch der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht durchbrochen werden kann, wenn diese Rezeptkopien von nichtärztlichen und nicht fachlich vorgesetzten Mitarbeitern des Kommandoarztes eingesehen werden können. Trotzdem wurde von Fr OFA Dr. Bauer eine fristgerechte Übersendung der Fotokopien angeordnet, überprüft und die Durchführung durch das Sanitätspersonal überwacht.

Während ihrer Abwesenheit wurden die Kopien korrekt gesammelt und in 14tägigen Abständen korrekt übersandt (Zeugen: Hauptgefreiter Raphael Sch., Hauptfeldwebel Peter F., Frau D.)

Für angefallene Rezeptdurchschläge und Kopien, die dann in ihrer Abwesenheit (vorgeschrieben war nur eine 14tägige Übersendung) nicht übersandt wurden, sind ihre ständig wech­selnden Vertreter verantwortlich (siehe ihre Abwesenheiten und die von Hauptfeldwebel F. und Hauptgefreiter Sch.).

Nachdem keinerlei Schaden entstanden ist, kann hier von einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung keine Rede sein.

 
 
Beschuldigung

 

2. Sie sind dem Befehl des Kommandoarztes Lufttransportkommando vom 12.12.1996 im Zeitraum vom 01.01.1997 bis Mitte November 1998 nicht nachgekommen, die vom Generalarzt LW zur Vereinheitlichung des Impfwesens in der Bundeswehr vorgegebenen Formblätter zur Erhebung des Impfstatus und der Erstellung von Impfplänen in Ihrem Verantwortungsbereich einzuführen.

 
 
Widerspruch durch Frau Dr. Bauer über ihren Anwalt

 

Zu 2.

 

Die dringende Überwachung erfolgte per Impfkartei. Der Impfstatus der LTG 61 wurde vom Kommandoarzt mehrfach telefonisch als vorbildlich gelobt. Der Impfstatus für fliegendes Personal gemäß LOP + SOP ist seit Jahren vorgeschrieben, denn ohne diese ist keine Teilnahme am Flugdienst möglich.

Wie aus dem Schreiben Kommandoarzt Lufttransportkommando vom 12.12.96 hervorgeht (Betreff: Vorbereitung auf Auslandseinsätze), betraf dies nur die Vorbereitung auf Auslandseinsätze und galt somit nur für einsatzrelevantes Personal und Soldaten von KR-Einheiten. Des weiteren wurden im Schreiben vom 12.12.96 keine Fristen oder Stichtage gesetzt. Dies erfolgte erst in einem Schreiben vom 27.03.98, wonach die Pflichtimpfungen bis zum 31.12.99 abzuschließen sind. Die Meldungen sollte für KRK-Personal zum 01.02.99 (zum Stichtag 31.12.98) und für einsatzrelevantes Personal zum 01.02.2000 (Stichtag 31.12.99) abgegeben werden.

Die Statusüberwachung war zusätzlich für jeden Einzelnen vorgeschrieben. Die Kontrolle wurde durch die jeweilige Staffel durchgeführt. Die Impfvordrucke wurden erstellt. Da kein Termin gesetzt war, konnte wegen des herrschenden Personalmangels die Bearbeitung nur bis zum Buchstaben F erfolgen.

Verwendet wurden selbsterstellte Vordrucke wie im LTG 62 und 63, die dort nie beanstandet worden sind. Dazu kommt noch, daß der Impfstatus zusätzlich noch bei jeder WFV-Untersuchung kontrolliert wird. (Zeuge: Hauptfeldwebel F.) Warum eine Verletzung der Dienstpflicht vorliegen soll, ist schleierhaft.

 
 
Beschuldigung

 

3a) Sie haben am 02.06.1997 in Penzing Ihren Fliegerarztgehilfen, Hauptfeldwebel F., mit Formblatt ermächtigt, subkutane Injektionen, intramuskuläre Injektionen, Infusionen sowie venöse Blutentnahme auf Anordnung eines Arztes in eigener Verantwortung durchzuführen, obwohl gemäß FA. Generalarzt Luftwaffe, F 13 Ziff. 2 b nur examiniertes Krankenpflegepersonal sowie Rettungsassistenten und Rettungs­sa­nitäter beauftragt werden dürfen, die über entsprechende qua­lifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, und Haupt­feldwebel F. nicht zu diesem Personenkreis gehört, was Sie alles zumindest hätten wissen können und müssen.

 

b) Darüber hinaus haben Sie am selben Tage in Penzing auf dem Formblatt, auf dem Sie o.a. Ermächtigung vorgenommen haben, wahrheitswidrig angegeben, was Sie zumindest hätten wissen können oder müssen, daß Sie die für die Ermächtigung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten Ihres Fliegerarztgehilfen ärztlich überprüft und festgestellt haben.

 

c) Zudem haben Sie die für o.a. Ermächtigung nötige Feststellung der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten Ihres Fliegerarztgehilfen getroffen, obwohl die gem. FA General- arzt Luftwaffe, F 13 Ziff. 2 c erforderliche Bestätigung des nächsthöheren Sanitätsoffizier Arzt/Ltd San Offizier nicht vor­gelegen hat, deren Erfordernis Sie hätten kennen können und müssen.

 

d) Nachdem Sie Ihren Fliegerarztgehilfen gem. 3 a) ermächtigt hatten, haben Sie ihn bis Mitte November 1998 in Penzing in bis zu 300 Fällen Impfungen durchführen lassen, obwohl er nicht zu dem hierfür qualifizierten Personenkreis gehörte.

 

 

Widerspruch

 

Zu 3 a

 

Die Ermächtigung ist richtig. Sie geschah nach mündlicher Absprache mit Kommandoarzt und war wie bei anderen Fliegerarztgehilfen auch üblich (Zeugen F.). Hauptfeldwebel F. nahm lediglich s.c.+i.m.- Injektionen vor. Es gab keine Beschwerden oder gar irgendwelche schädlichen Folgen für einen Patienten.

Seit dem neuen Befehl vom 14.08.98 nahm Hauptfeldwebel F. diese Aufgaben des Fliegerarztgehilfen dann nicht mehr wahr. Hauptfeldwebel F. verfügt über eine dreijährige Ausbildung als Biologielaborant und eine einjährige medizinische Ausbildung in BWK`s und hat bereits dort s.c + i.m.- Infektionen sowie Blutentnahmen erlernt und durchgeführt. Sein Ausbildungsgang war Dr. R. sehr wohl bekannt, er hat sich dafür eingesetzt, daß Hauptfeldwebel F. als Fliegerarztgehilfe zum Fliegerarzt LTG 61 versetzt wird.

 

 

Zu 3 b

 

Die diesbezüglichen Kenntnisse von Hauptfeldwebel F. hat Frau Dr. Bauer dadurch überprüft, indem er ihr persönlich s.c.+ i.m.-Injektionen verabreichte.

 

 

Zu 3 c

 

Kommandoarzt hat mündlich zugestimmt und nie ein Bezugsdokument verlangt, obwohl ihm bekannt war, daß Haupt­feldwebel F. 1¼ Jahre Impfungen auf der Fliegerarztdienstelle durchgeführt hat.

 

 

Zu 3 d

 

KdoArzt wusste von der Impftätigkeit des Hauptfeldwebel F., da Frau Dr. Bauer mehrfach mit ihm darüber gesprochen hatte, u.a. auch anläßlich einer eventuellen Impfgenehmigung für HG Sch., der über eine zivile Sanitätsausbildung BRK, Teil A,B,C, verfügt. Dies wurde aber nach einigen Tagen abgelehnt.

KdoArzt war bekannt, daß Hauptfeldwebel F. dringend eine Entlastung bezüglich seiner Impftätigkeit benötigte. Nach dem Schreiben des Kommandoarztes vom 14.11.98 hat Hauptfeldwebel keine Impfungen mehr vorgenommen. Kommandoarzt hat jedoch telefonisch eine Klärung zugesichert. Wenn überhaupt, ist hier Frau Dr. Bauer nur ein kleiner Fehler – mündlich statt schriftlich – vorzuwerfen.

Impfermächtigung Hauptfeldwebel F. (Punkt 3 der Einleitung)

Die Angaben in Klammer beziehen sich auf die in der Ermittlungsakte zitierten Vorschriften.

 

Seit 9/1988 ist Fr. Oberfeldarzt Dr. Bauer in der Luftwaffe und im LTG 61, für keinen ihrer bisher 4 Fliegerarztgehilfen wurde je vom zuständigen KdoArzt jährlich eine neue Feststellung der Impfqualifikation verlangt bzw. moniert, obwohl sowohl OTA Dr. R. als auch seinem Vorgänger bekannt war, daß ihre Fliegerarztgehilfen impfen.

 

 

3/6 Schreiben KdoArzt vom 14.05.1985 2.3

 

...durch Fliegerarzt/Chef Luftwaffensanitätsstaffel schriftlich... von einer Genehmigung durch Kommandoarzt ist nicht die Rede.

Bezüglich Hyposensibilisierung s. Aktennotiz auf der Ausfertigung vom /3/7) Ermächtigung durch OTA Dr. A. FMI und Histadestal ist keine Hyposensibilisierung.

 

(3/7 Rückseite) Unterschrift Hauptmann P. 3.2

 

...bzw. erfahrenen Ärzten...

 

 

Zu 3 e) Zusatzpunkt gemäß Ergänzung vom 24.02.99

 

Hyposensibilisierungen wurden nicht durchgeführt, es handelt sich lediglich um die Verabreichung von Histadestal. Gemäß Aussage OTA Dr. H. FMI handelt es sich bei Histadestal um keine gezielte Hyposensibilisierung, die von länger dienenden Ärzten bzw. unter deren Aufsicht durchgeführt werden kann. Auch dies hat Frau OFA Dr. Bauer mündlich mit Dr. R. besprochen.

 
Beschuldigung

 

4 a) Obwohl Sie wussten, daß aufgrund eines Befehls des Kommandoarzt LTKdo aus dem Jahre 1994 oder 1995 der Fliegerarzt J. G 34 in Memmingerberg (damals OFA Dr. Sch.) bis auf weiteres zum für Sie zuständigen Fliegerarzt bestimmt worden war, der auch Ihre G-Unterlagen zu führen hatte, haben Sie im Sommer 1997 OFA Dr. Sch. kurz vor dessen Versetzung in die USA wahrheitswidrig mitgeteilt, OFA Dr. M. (Außenstelle FMI in die Manching/Erding) Ihr neuer betreuender Fliegerarzt sei.

 

b) Nachdem OFA Dr.Sch. Ihnen daraufhin Ihre G-Unterlagen mit der Maßgabe übergeben hatte, diese persönlich an OFA Dr. M. weiterzuleiten, haben Sie sich bis August oder September 1998 Ihrer eigenen fliegerärztlichen Betreuung und Überwachung entzogen, indem Sie Ihre G-Unterlagen dem für Sie zuständigen Fliegerarzt in Memmingerberg bis zu diesem Zeitpunkt vorenthalten haben.

 

 

Widerspruch

 

Zu 4 a

 

Der Wechsel von Dr. Sch. und OFA Dr. M. wurde von Frau Dr. Bauer vorgeschlagen. Kommandoarzt war damit einverstanden.

Anlässlich der Fliegerarzttagung 1997 in FFB hat OFA Dr. Sch. Frau Dr. Bauer die G-Unterlagen übergeben. OFA Dr. M. war damit einverstanden, daß die Akte bezüglich eines anhängigen WDB-Verfahrens einem Anwalt übergeben wird.

Nachdem Dr. M. sehr schlecht zu erreichen war und auch die räumliche Entfernung nach Memmingen wesentlich günstiger ist, hat Frau Dr. Bauer Dr. R. mitgeteilt, daß OFA Dr. B. in Memmingen sei und er sie – falls erforderlich – fliegerärztlich betreuen werde. Auch hierzu wurde das Einverständnis erteilt.

Seit ihrer ersten Krankschreibung durch Dr. B. befinden sich ihre G-Unterlagen, die der RA nicht mehr benötigt, wieder in Memmingen.

Zwischenzeitlich war keine Betreuung erforderlich. Nach er­forderlichen Zwischenanamnesen bzw. Auflagenerfüllung FMI wurde mit Memmingen abgesprochen. Überwachung er­folgte durch FMI. Eine Dienstpflichtverletzung ist nicht er­sichtlich.

 
 
Beschuldigung

 

5 a) Sie haben es am 21.09.1998 in Penzing bezüglich LTG 61, entgegen Ihrer in § 10 der Berufsordnung für Ärzte Bayerns und in der FA Insp.San S 02.05 Ziff. 2.2 vorgeschriebenen Dokumentationspflicht unterlassen, Anamnese zu dokumentieren,

-                 den Befund der körperlichen Untersuchung zu dokumentieren

-                 und haben die Dokumentation der verordneten Medikamente unzureichend durchgeführt, indem Sie anstelle der konkret verschriebenen Toxex (2 Op), Ricura (2 Op), Laryngsan (2 Op) und apo INFEKT (2 Op) nur den Namen des Pharmaherstellers „Pekana“, der gem. „Rote Liste 1998“ 25 verschiedene Medikamente herstellt, in die Einlagekarte zur G-Karte eingetragen haben.

 

b) Ferner haben Sie es am 11.11.1998 in Penzing im Zusammenhang mit einer Behandlung des o.a. Soldaten unter Verstoß gegen Ihre ärztliche Dokumentationspflicht unterlassen, die Anamnese und das Ergebnis der körperlichen Untersuchung in der Einlegekarte zur G-Karte zu vermerken.

Darüber hinaus haben Sie unter Verstoß gegen Ihre ärztliche Pflicht, die Dokumentation des bzw. der verordneten Medikamente unzureichend vorgenommen, indem Sie, anstatt des konkret verschriebenen Medikaments nur den Namen des Pharmaherstellers „Pekana“, gem. „Rote Liste 1998“ 25 verschiedene Medikamente herstellt, in die Einlegekarte zur G-Karte eingetragen haben.

 

c) Weiterhin haben Sie am 11.08.1998 in Penzing auf dem Krankenmeldeschein des o. a. Soldaten vermerkt, daß er von allen Dienstverrichtungen zu befreien sei und ihn „krank zu hause“ (11.08.-15.08.1998) geschrieben, ohne daß Sie die dafür notwendige Begründung (Anamnese, Befund, Diagnose) in die G-Karte bzw. in deren Einlegekarte entsprechend Ihrer ärztlichen Dokumentationspflicht vermerkt haben.

 

d) Sie haben in Penzing bezüglich o.a. Soldaten jeweils per Einzelrezept am 09.06.1998 (1 Op), am 29.07.1998 (1 Op), am 10.08.1998 (3 Op), am 03.09.1998 (1 Op), sowie am 21.10.1998 (1 Op) des Medikamentes Azuprostat verordnet und dies unter Verstoß gegen die ärztliche Dokumentationspflicht ebenso wenig in der G-Karte bzw. der Einlegekarte zur G-Karte des Patienten vermerkt, wie die für eine entsprechende Verordnung notwendige Begründung (Anamnese, Befund, Diagnose).

 

e) Weiterhin haben Sie es am 15.Juni 1998 in Penzing im Zusammenhang mit der von Ihnen vorgenommenen Überweisung des o.a. Soldaten an einen zivilen Facharzt in Landsberg (Orthopädie) unter Verstoß gegen die ärztliche Dokumentationspflicht unterlassen, die Anamnese, das Ergebnis Ihrer körperlichen Untersuchung sowie die Überweisung selbst in die G-Karte bzw. in der Einlegkarte zur G-Karte zu vermerken.

 

6 a) Ende 1997 oder im Januar 1998 haben Sie es in Penzing im Zusammenhang mit der von Ihnen vorgenommenen Überweisung des ... LTS Altenstadt, Flieger. Inübungshalter bei 1./LTG 61, an einen zivilen Facharzt in Landsberg (Internist und Nuklearmedizin) unter Verstoß gegen Ihre ärztliche Dokumentationspflicht unterlassen, das Ergebnis der Anamnese und der körperlichen Untersuchung sowie die Überweisung selbst in der G-Karte bzw. in der Einlegekarte zur G-Karte zu vermerken.

 

b) In der ersten Jahreshälfte 1998 haben Sie es in Penzing im Zusammenhang mit der von Ihnen vorgenommenen Überweisung des o.a. Soldaten an einen zivilen Facharzt in München (Orthopädie; Flugmedizin, H-Arzt) unter Verstoß gegen Ihre ärztliche Dokumentationspflicht unterlassen, die Anamnese, das Ergebnis Ihrer körperlichen Untersuchung und die Überweisung selbst in der G-Karte des Patienten bzw. deren Einlegekarte zuvor zu vermerken.

 

c) Am 02.11.1998 haben Sie eigenmächtig o.a. Patienten in Penzing für die Dauer von 4 Wochen jeweils 3mal wöchentlich eine weitere ambulante Physiotherapie (EAP) verordnet, obwohl gem. BMVg LTKdo Az 42-75-64-01 vom 08.02.1995 – Ihnen mitgeteilt mit Schreiben Kommandoarzt Lufttransportkommando Az 42-75-64 vom 10.03.1995 – eine EAP-Maßnahme im Rahmen der unentgeltlichen trup­pen­ärzt­lichen Versorgung ausschließlich bei entsprechender Empfehlung durch einen Sanitätsoffizier, Facharzt für Chirurgie, Orthopädie oder Neurochirurgie verordnet werden dürfen, woran Sie sich zumindest hätten erinnern können oder müssen.

 

7. Sie haben in Penzing angeordnet oder zugelassen, daß Ihr Fliegerarztgehilfe, Hauptfeldwebel F., nach seiner Zuversetzung im Oktober 1997 und der Stabsdienstsoldat Unteroffizier Sch. der nicht einmal eine sanitätsdienstliche Ausbildung besitzt, seit Mitte Oktober 1998 Arzneimittel für Dauermedikationen in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Fällen den Patienten unmittelbar ausgehändigt haben, obwohl dies gemäß Zentrale Dienstvorschrift 48/1 „Der Verkehr mit Arzneimitteln in der Bundeswehr“; Ziff. 002 i.V.m. Besonderer Anweisung Luftwaffenunterstützungskommando 009/77 Kap 8 Ziff. 8180 nur dem behandelnden Arzt der Bun­deswehr gestattet ist und Sie dies zumindest hätten wissen können oder müssen.

 

 

Widerspruch

 

Zu 7

 

Bis 10/98 wurden Dauermedikamente durch Sanitätsmaterialamt unkontrolliert bestellt und ausgegeben, deshalb wurde von Frau Dr. Bauer veranlaßt, daß diese Medikamente auf ihrer Dienststelle in einem Extraschrank gelagert wurden und nur nach Kontrolle durch sie ausgegeben werden. Die frühere Verfahrensweise war unbefriedigend, da zu viele Medikamente oder zu spät bestellt und nicht ausgegeben werden konnten.

Bei den durch Sanitätsmaterialamt ausgegebenen Medikamenten ist festgestellt worden, daß die Verfalldaten längst überschritten und auch nie durch den Arzt ausgegeben worden sind.

Durch die Einlagerung der Dauermedikamente war sichergestellt, daß kein falsches Medikament an den Soldaten verabreicht wurde und die Verfalldaten eingehalten wurden.

Medikament- oder Rezeptdurchschläge wurden immer vor Ausgabe Frau Dr. Bauer gezeigt.

Die Ausgabe von Medikamenten durch SanMat ohne Beteiligung eines Arztes wird immer noch praktiziert und wurde bei der Überprüfung durch OTA Dr.R. in der 8. KW nicht be­an­standet (Zeugen Hauptfeldwebel F. und Hauptgefreiter Sch.)

 
 
Beschuldigung

 

8. Sie haben bei der Überprüfung durch Kommandoarzt/ Lufttransportkommando am 18.11.98 in der Dienstelle des Fliegerarztes/LTG 61 in Penzing im Arbeitszimmer Ihrer Schreibkraft in einem offenen, für zumindest jeden Mitarbeiter zugänglichen gewöhnlichen Aktenschrank 68 Originalpackungen verschiedener Arzneimittel für 30 Patienten aufbewahrt oder aufbewahren lassen, obwohl diese Arzneimittel gem. Besondere Anleitung Luftwaffenunterstützungskommando 009/77 Ziff. 8174 unter Verschluss zu halten sind, und haben damit die Möglichkeit des erleichterten Zugriffs durch unbefugte Personen geschaffen, was Sie bei­des hätten zumindest wissen können und müssen.

 

 

Widerspruch

 

Zu 8

 

Nachdem seit Oktober 1998 die Dauermedikamente auf die Facharzt-Dienstelle verlegt wurden, wurden die Medikamente in einem normalen, abschließbaren Aktenschrank (der auch abgeschlossen war) und mit zusätzlichen Einlegeböden versehen, als Provisorium benutzt.

Es gab keinen Unterschied zu Medikamentenschränken und es ist sichergestellt, daß unbefugtes Personal keinen Zugriff hierzu hatte.

Aufgrund räumlicher Probleme war das Arbeitszimmer der Schreibkraft gleichzeitig Behandlungsraum für Verbände, Imp­fungen etc. Dort befindet sich auch der Kühlschrank mit den Impfstoffen und kühlkettenpflichtigen Medikamenten. Seit Jahren kennt der Kommandoarzt die räumlichen Probleme. Es wurde aber bisher nichts unternommen.

 
 
Beschuldigung

 

9. Sie haben am 22.04.1997 in Penzing .../LTS Altenstadt, Fliegerinübungshalter bei 1./LTG 61, aus fliegerärztlicher Sicht vom Dienstsport für das Jahr 1997 befreit und nur Sport nach eigenem Ermessen empfohlen, sowie am 12.05.1997 eine Teilbefreiung vom Dienstsport empfohlen, und es entgegen Ihrer ärztlichen Dokumentationspflicht unterlassen, die erforderlichen Befreiungsgründe gesundheitlicher Art in die G-Karte des Patienten bzw. deren Einlegekarte zu vermerken.

 

b) Sie haben es in der ersten Jahreshälfte 1997 in Penzing im Zusammenhang von Ihnen vorgenommenen Überweisungen des o.a. Soldaten an einen zivilen Facharzt in München (Orthopädie, Flugmedizin, H-Arzt) unter Verstoß gegen Ihre ärztliche Dokumentationspflicht unterlassen, die Anamnese, das Ergebnis Ihrer körperlichen Untersuchung und die Überweisung selbst in der G-Karte des Patienten bzw. in deren Einlegekarte zuvor zu vermerken.

 

c) Des weiteren haben Sie es in der ersten Jahreshälfte 1997 in Penzing in Zusammenhang mit einer weiteren von Ihnen vorgenommenen Überweisung des o.a. Soldaten an eine zivile Facharztpraxis in München (Radiologie, Neuroradiologie, Nuklearmedizin) unter Verstoß gegen Ihre ärztliche Dokumentationspflicht unterlassen, die Anamnese, das Ergebnis Ihrer körperlichen Untersuchung und die Überweisung selbst in die G-Karte des Patienten bzw. in deren Einlegekarte zuvor zu vermerken.

 

d) Ferner haben Sie es im Mai oder Juni 1997 in Penzing im Zusammenhang mit einer weiteren von Ihnen vorgenommenen Überweisung des o.a. Soldaten an einen zivilen Facharzt in München... unter Verstoß gegen ihre ärztliche Dokumentationspflicht unterlassen, die Anamnese, das Ergebnis ihrer körperlichen Untersuchung und die Überweisung selbst in die G-Karte des Patienten bzw. in deren Einlegekarte zuvor zu vermerken.

 

(Zu Punkt 9 kommen noch Vorwürfe e) und f). Diese lasse ich aus, da sie gleichlautend sind.)

 

10. Sie haben zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt 1997/98 in Penzing 23 Überweisungsscheine für Überweisungsaufträge der Bundeswehr mit ihrer Blanko-Un­ter­schrift ohne weitere Vervollständigung versehen und im Laborbereich des Standortsanitätszentrums Penzing in den Verkehr gebracht oder bringen lassen, wodurch Sie – was Sie hätten erkennen können und müssen – Dritten die Möglichkeit einer missbräuchlichen Verwendung und Schadenszufügung zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland eröffnet haben.

 

 

Widerspruch

 

Zu 10)

 

Alle Überweisungsscheine, die Sie im Laborbereich finden können, sind mit der Adresse Labor Dr. B. in München versehen. Hierdurch ist jeglicher Mißbrauch ausgeschlossen und auch nicht entstanden, da das Labor Dr. B. nur CDT, EBV + Titer- Bestimmungen oder andere im Rahmen der WFV erforderlichen Blutuntersuchungen durchführt. Es ist niemals ein Befund eingegangen, der von Frau Dr. Bauer nicht angefordert worden war.

Frau Dr. Bauer kann sich jedoch an einen folgenden Vorfall erinnern:

1996 oder 1997 hatte sie wohl versehentlich Über­wei­sungs­aufträge ohne Adresse Labor Dr. B. un­ter­zeichnet. Sie weiß nicht mehr, ob es ihr selbst kurz darauf aufgefallen war oder ob sie einen Hinweis aus dem BW-Labor bekommen hat. Jedenfalls hat sie sofort telefonisch angeordnet, daß die­se Blanko-Träger zurück in die Fliegerdienststelle verbracht werden, um diese dann mit Adressen zu versehen. Ob diese dann tatsächlich zurück gebracht worden sind, Frau Dr. Bauer geht davon aus, daß diese Blanko-Überweisungsscheine dann mit der Adresse Dr. B. von ihrem Sanitätspersonal ergänzt wurden und dann wieder ins Labor geschickt wurden.

 
 
Beschuldigung

 

11. Sie haben im Keller Ihrer fliegerärztlichen Dienststelle in Penzing bis Mitte November 1998 271 Röntgenbilder der Jahrgänge 1969 bis einschließlich Juni 1998 unzulässigerweise gelagert, obwohl Sie zumindest hätten wissen können oder müssen, daß diese gem. FA Insp San – Allg. Umdr. 80 (M90,01), Verbleib von Röntgenbildern Nr. 1, 2 und 4 – nicht im Bestand der fliegerärztlichen Dienststelle hätten verbleiben dürfen.

 

 

 

 

 

Widerspruch

 

Zu 11

 

Die Lagerung der alten Röntgenbilder im Keller ist Frau Dr. Bauer nicht bekannt.

Gemäß Aussage Hauptfeldwebel F. war auch ihm der Karton mit den alten Röntgenbildern im Keller nicht bekannt.

Als sie vor nicht zu langer Zeit im Dienstzimmer des Fliegerarztgehilfen auf einem Regal Röntgenbilder entdeckte, die offensichtlich nicht mehr gebraucht wurden, wies sie ihr Sanitätspersonal an, diese Röntgenbilder wegzuschicken, Sie weiß genau, daß es viele Röntgenbilder waren, die versandt wurden. Hierzu ist noch aufzuführen, daß Röntgenbilder von den Patienten, bei denen eine WDB anhängig oder zu erwarten war oder ggf. eine weitere Behandlung erforderlich sein könnte, von jedem Fliegerarzt aufgehoben werden.

 

(Es folgen weiter Beschuldigungen bis Nummer 59, die allesamt den gleichen Vorwurf  beinhalten.)

 
 
Beschuldigung

 

60. Sie haben in Penzing in den Fällen der Soldaten zu Ziff. 5a,b; 9b-f, 13b,c, 15; 16a, b; 17; 18a, b; 19, 20a; 21; 22; 23; 24 a, b; 25; 26 ; 27a, b; 28; 29a-c; 30a,c; 31a-c; 32a, b; 33; 34; 35a,d; 36; 37 a-c; 38; 39 a, b; 40; 41a, b; 42 a,b; 43a, b; 44; 46a, b; 47; 49; 50; 52; 53; 54a, b; 58a, b zu den dort angegebenen Zeiten entweder entgegen der besonderen Anweisung des Generalarztes der Luftwaffe für den fliegerärztlichen Dienst in der Bundeswehr (Bes. An Generalarzt Luftwaffe) 707/5096 vom 10.12.96, Ziff. 304, nicht in jedem Einzelfall überprüft, ob bei der vorliegenden Gesundheitsstörung ein weiteres Verbleiben im Flugdienst möglich ist und im Zweifelsfall eine zeitlich befristete Befreiung vom Flugdienst (DNIF) ausgesprochen oder sie haben diese Überprüfung zwar durchgeführt, deren Ergebnis (vfg bzw. DNIF) aber entgegen Ihrer ärztlichen Pflicht zur Dokumentation nicht in der G-Karte des jeweiligen Soldaten bzw. deren Einlegekarte vermerkt.

 

 

Widerspruch

 

Zu 60

 

Bei Gesundheitsstörungen, die ein weiteres Verbleiben im Flugdienst ausschließen, wurde DNIF (due not in flight) bzw. KZH auf der G-Karte und auf dem Krankmeldeschein vermerkt. In jedem Einzelfall wurde die Überprüfung durchgeführt. In Fällen, in denen sich keine Änderung ergab, bestand selbstverständlich auch keine Dokumentationspflicht.

 
 
Beschuldigung

 

61. Als sich bei nachfolgenden Angehörigen des fliegenden Personals die Notwendigkeit einer Dauermedikation ergeben hat, haben Sie es in Penzing entgegen besonderer Anweisung Generalarzt der Luftwaffe 707/5096 Ziff. 358 zumindest fahrlässig unterlassen, die Entscheidung des Flugmedizinisches Institut Luftwaffe herbeizuführen, ob die Anwendung des entsprechenden Arzneimittels mit der gleichzeitigen flie­ge­rischen Tätigkeit vereinbar ist.

Bei Stabsfeldwebel Karl-Heinz P., 1./LTG 61, (Ziff. 5 d), be­­vor Sie diesem jeweils per Einzelrezept (1Op) am 09.06.1998, 29.07.1998, 10.09.1998, 03.09.1998 und 21.10.1998 das Medikament Azuprostat verordnet haben, bei Hauptmann Peter D., 1./LTG 61, (Ziff. 45), bevor Sie die­sem jeweils per Einzelrezept (2Op) am 04.08.1998 und am 03.09.1998 das Medikament L-Thyroxin verordnet haben, bei Hauptfeldwebel Werner G., Luftwaffensanitätsstaffel LTG 61/Standortssanitätszentrum (Ziff. 51 a), bevor Sie diesem jeweils per Einzelrezept (1Op) am 08.06.1998 und am 03.09.1998 das Medikament Delix 2,5 plus verordnet haben, bei Hauptfeldwebel E., 2/LTG 61, (Ziff. 55 a), bevor Sie diesem jeweils per Einzelrezept am 15.04.1998 das Medikament Aristoforat (1Op), am 13.05.1998 ebenfalls das Medikament Aristoforat (1Op), sowie das Medikament Jodthyrox (1Op), sowie am 30.0.1998 ebenfalls die Medikamente Jodthyrox 82 Op) und Aristoforat 8 2Op) verordnet haben.

 

 

Widerspruch

 

Sämtliche genehmigungspflichtigen Dauermedikationen wur­den schriftlich durch das flugmedizinische Institut der Luft­waf­fe genehmigt bzw. angeordnet. Bei homöopathischen Me­­dikamenten ist dies nicht erforderlich. Dies wurde Frau Dr. Bauer durch OTA Dr. M.-P. FMI bekannt gegeben. Es gibt im übrigen auch eine Liste der mit dem Flugdienst Medi­ka­mente, vereinbar sind.

Des weiteren ist hier noch grundsätzlich auszuführen, daß keine mangelnde Dokumentationspflicht vorliegt.

In den jeweiligen Gesundheits-/Wehr­flie­ger­ver­wen­dungs­ak­ten des fliegenden Personals des LTG 61 ist alles dokumentiert, so daß ein Vertreter, der eine Weiterbehandlung übernimmt, das Krankheitsbild, die Behandlungsweise, z.B. durch Facharztbefund und Medikamente, ohne weiteres fort­füh­ren kann. Diese Dokumentation ist lückenlos.

Soweit Oberfeldärztin Dr. Bauer der Vorwurf gemacht wird, sie habe in der G-Karte, wenn sie die homöopathischen Me­di­kamente „Toxex, ApoInfekt und Ricura“ nicht, nur mit der Be­zeichnung Pekana in die G-Karte vermerkt hat, so ist dies nicht verständlich. Jeder Arzt weiß, daß Pakana im Zu­sam­menhang mit einem dokumentierten grippalen Infekt nur die vorstehend gemeinten Medikamente sein können.

Andere Ärzte verwenden einen Stempel „grippaler Infekt, Theraie symptomatisch“, was auch nicht beanstandet wird.

Oftmals wurden diese Medikamente auch als reine Prophylaxe ausgegeben, denn die Präfention gehört zu den ersten Pflichten des Fliegerarztes.

In keinem Fall ist es zu einem Schaden der Patienten oder am Material gekommen. Es bestand nicht einmal die Gefahr eines Schadens für einen Dritten.

Abschließend ist noch festzustellen, daß wenn OTA Dr. R. seine Pflicht zur Dienstaufsicht in den fast 6 Jahren nachgekommen wäre, hätte man vermeintliche Mißstände – wenn solche vorgelegen hätten – abklären bzw. abstellen können. Dies war offensichtlich von OTA Dr. R. nicht gewollt. Nach seinen eindeutigen Äußerungen war Sinn und Zweck seiner überfallartigen Überprüfung eine Fehlersuche, die nicht Aufgabe der Dienstaufsicht ist, um, wie er selbst zumindest sechsmal gegenüber Dritten geäußert hat, Frau Dr. Bauer von der Fliegerarztdienststelle wegzubekommen.

 

 

Die Einleitungsverfügung wurde von einem Generalmajor B. unterzeichnet und am 05.02.1999 in Münster ausgefertigt. Die Entgegnungen/Widersprüche stammen vom Rechtsbeistand der beschuldigten Ärztin.

Den Umstand, daß Frau Dr. Christine Bauer eine sehr zuverlässige und beliebte Ärztin war, zeigen auch die Schreiben der Soldaten an die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages in Bonn, das hier wiedergegeben wird:

 

 

 

 

Abs.:

Fliegendes Personal und Flugsicherheitspersonal

Lufttransportgeschwader 61

Fliegerhorst Landsberg. Penzing, 31.03.1999

 

An die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages

Betreff: Fliegerärztin im Lufttransportgeschwader 61

 

Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte,

 

wir, die unterzeichnenden Angehörigen des Lufttransportgeschwaders 61 in Penzing, haben erfahren, daß man unsere Fliegerärztin, Frau Dr. Christine Bauer, nicht mehr in unser Geschwader zurückkehren lassen will, da sie eine Gefahr für uns Patienten und die Flugsicherheit darstellen würde. Dies ist eine ungeheuerliche Aussage, die wir als Betroffene absolut nicht teilen können. Vielmehr sahen und sehen wir uns als Patienten bei Frau Dr. Bauer besser aufgehoben, als wir es vor oder auch jetzt, nach ihrer Zeit im Geschwader, taten und tun.

Frau Bauer hat uns in all den Jahren, in denen sie als Fliegerärztin bei uns tätig war, in teilweise aufopfernder Weise betreut und hatte immer ein offenes Ohr für unsere Wehwehchen. Wenn sie einmal mit ihrer Diagnose nicht weiterkam, schickte sie den Patienten zu einem Facharzt, dessen Expertise sie einholte und umsetzte. Wir fühlten uns von Frau Dr. Bauer gut betreut, egal, was man ihr momentan vorwirft.

Wir fordern die zuständige Dienststelle auf, Frau Dr. Bauer wieder in ihr Tätigkeitsfeld als Fliegerärztin des LTG 61 zurückzuversetzen.

Es ist nicht einsehbar, daß andernorts Strafverfahrensermittlungen keinen Einfluß auf den Dienstposten haben, uns aber die Betreuung durch die Ärztin unseres Vertrauens ver­weigert wird, weil ein Disziplinarverfahren gegen sie anhängig ist.

Es ist geradezu lächerlich, Frau Dr. Bauer als eine Gefahr für ihre Patienten zu bezeichnen. Hätten wir mehr Ärzte mit ihrer Einstellung zum Patienten und ihrer aufopfernden, zuweilen erleichternd unkonventionellen Art, dann würde das Vertrauen der Soldaten in das Sanitätswesen mit Sicherheit auf einer breiteren Basis stehen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

(Unterschriften von 145 Soldaten)

 

 

Nachdem die Einleitungsverfügung vom 05.02.1999 eingegangen war, kam es zu großer Betroffenheit bei Christine Bauer. Sie wußte von mehreren Kollegen, daß ihr Vorgesetzter, Dr. R., sie aus der Dienstelle Penzing vertreiben wollte. Daß es jedoch zu derartigen Vorwürfen kommen würde, ahnte sie nicht. Zudem war Frau Bauer mit dem Generalmajor B. gut bekannt und nahm mit Sicherheit an, daß er solche Vorwürfe nicht glauben und akzeptieren würde. Doch auch hier täuschte sie sich. Ihr Mut sank zusehends.

Am 22.03.1999 wird durch einen Münchner Anwalt den Vorwürfen in der Einleitungsverfügung widersprochen und, wie bereits unter den Beschuldigungen gezeigt, Stellung genommen (wortgetreue Übernahme ungeachtet bereits zitierter Einzeläußerungen).

 

 

Aktenzeichen: 25-01-30 DD 1/99

 

Seit 11 Jahren ist Frau OFA Dr. Christine Bauer Fliegerärztin beim LTG 61.

In den letzten beiden Beurteilungsbeiträgen des Kommandoarztes des Luftkommando wurde sie am 03.08.95 und 26.06.98 mit jeweils „2“ beurteilt.

OTA Dr. R. ist seit Oktober 1993 Kommandoarzt des Luftkommando und somit fachlicher Vorgesetzter. Lediglich bei seinem Antrittsbesuch im Oktober 1993 hat er die Fliegerarztdienststelle aufgesucht. Eine Überprüfung wurde nicht vorgenommen. Bis zum 17.11.98 hat OTA Dr. R. weder die Fliegerarztdienststelle Lufttransportgeschwader 61 erneut aufgesucht noch eine Überprüfung vorgenommen.

Zeugen hierfür: Stabsfeldwebel T. und Hauptfeldwebel F..

 

Die Überprüfung der Dienstelle wurde vorgenommen, obwohl OTA Dr. R. bekannt war, daß Frau Dr. Bauer am 18. und 19.11.98 aus dienstlichen Gründen abwesend war.

Um ihre Abwesenheit bei der weiteren Überprüfung am 23 11.-04.12.98 sicherzustellen, wurde kurzfristig eine Kommandierung nach Holzdorf vom 24.11.-04.12.98 und 08.12.- 11.12.1998 verfügt.

Dieser Kommandierung konnte Frau Dr. Bauer keine Folge leisten, da sie erkrankte.

Um die weitere Abwesenheit von der Fliegerarztdienststelle zu garantieren, erfolgte am 28.12.98 eine weitere Kommandierung zum Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe. Laut Niederschrift des Kommodores LTG 61 sollte die Kommandierung deshalb erforderlich sein, um die ungehinderte Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Ermittlungen sicherzustellen, die auch im LTG 61 geführt werden müssen. Zumindest am 23. und 24.11.98 und auch danach, ließ der Kommandoarzt Lufttransportkommando eine große Anzahl von G-Karten, Einlegeblättern zu den G-Karten, Rezepten, Facharztbefunde der Patienten der Fliegerarztdienststelle fotokopieren, schaffte sie aus dem Bereich der Fliegerarztdienststelle weg. Er legte sie dann, ohne Namen und Geburtsdaten der Patienten geschwärzt zu haben, dem Kommandeur LTKdo Generalmajor B. und dem Rechtsberater RG K. vor. Diese Unterlagen befinden sich noch zum Teil in den Ermittlungsakten.

Die Einleitungsverfügung mit sämtlichen Patientendaten wurden auch der Vertrauensperson des LTG 61 Hauptmann R. zugänglich gemacht, obwohl sie vertrauliche Patientendaten enthält.

Vor und nach der Einleitungsverfügung wurde Frau OFA Dr. Bauer nicht angehört. Von den ihr zur Last gelegten Vorwürfen erfuhr sie erst durch die Einleitungsverfügung.

Bei der Einsichtnahme und dem Fotokopieren der Gesundheitsunterlagen waren folgende Personen von Herrn OFA Dr. R. beigezogen worden:

 

a)             Hauptmann P., nichtärztlicher Mitarbeiter des Kommandoarztes

b)             Oberfeldarzt Dr. P.

c)             Hauptgefreiter H.

 

Es wurde also schon im Stadium der „Überprüfung“ gegen vorbezeichnete Soldaten durch Oberstabsarzt Dr. R. die ärztliche Schweigepflicht durchbrochen (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Auch die Weiterleitung der Gesundheitsunterlagen ohne Anonymisierung an den WDA bzw. die Einleitungsbehörde (Generalmajor Dr. B.) dokumentiert eindeutig, daß hier der Tatbestand des Bruches von Privatgeheimnissen (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) verwirklicht worden ist.

 

Unterzeichnet

 

RA

 

 

Am 15. Dezember 1998 schrieb Dr. Christine Bauer an die da­ma­lige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Frau Claire Marienfeld, in Bonn. Zudem übergab sie dieses Schreiben nachrichtlich an:

 

 

Kommodore LTG 61

Herrn Oberst E. c.V.i.A

Fliegerhorst Penzing

 

Sehr geehrte Frau Marienfeld,

 

seit einigen Wochen werde ich durch meinen Vorgesetzten, den Kommandoarzt LTKdo, derartig unter Druck gesetzt, daß ich mich nunmehr leider an Sie persönlich wenden muss.

Wie Sie wissen, bin ich seit 11 Jahren im LTG 61 als Fliegerarzt eingesetzt und habe zudem den militärischen Flugzeugführerschein für den Hubschrauber Bell UH-1-D mit ZFR-Berechtigung.

Meine Eingabe begründet sich auf den Inhalt der Beschwerde und das Folgende.

Am 17.11.98 wurde während meiner dienstlichen Abwesenheit – ich war kommandiert zum Simulator... nach Ahlhorn – meine Dienststelle zum ersten Mal überprüft. Gegen die Begleitumstände der Überprüfung und der anschließenden Ermittlungen legte ich am 03.12.98 beim Kommodore LTG 61 die in der Anlage beigefügte Beschwerde ein. Anschließend dieses Gespräches mit dem Kommodore er­öff­ne­te er mir, daß ich mich am 08.12.98 beim Wehrdienstdiszi­plinaranwalt in Münster zur Vernehmung im Rahmen von dis­ziplinären Vorermittlungen melden müsse. Daraufhin er­klärte ich dem Kommodore, daß ich bei dieser Vernehmung solange die Aussage verweigern werde, bis mir die Gründe für die laufenden Ermittlungen gegen mich eröffnet werden und ich ausreichend Zeit für eine Vorbereitung auf diese Ver­nehmung einschließlich Beratung mit meinem Rechtsanwalt habe.

Kommodore teilte dies dem Rechtsberater telefonisch mit. Auf die geplante Vernehmung wurde dann verzichtet, gleichzeitig aber gefragt, wieso ich denn im Dienst sei, da ich doch auf meiner Dienststelle keinen Dienst verrichten könne. Kom­modore erklärte daraufhin, daß er dafür keinen Grund sehe, und beließ mich im Dienst.

Am Freitag, den 04.12.98, um 11.30h teilte mir der Kommodore mit, daß ich ab Montag, den 07.12.98, wiederum für zwei Wochen nach Holzdorf kommandiert sei. Er habe zwar versucht, die Kommandierung zu verhindern, sie wäre ihm jedoch befohlen worden.

Da ich, nicht zuletzt aufgrund des erheblich psychischen Drucks, gesundheitliche Probleme bekam, mußte ich mich in ärztliche Behandlung begeben und wurde bis 21.12.98 krank geschrieben.

Bei der Krankmeldung erfuhr ich, daß nach Aussage des Kommandoarztes diese Kommandierung nach Holzdorf ab dem 07.12.98 gar nicht so dringend gewesen wäre und nur auf Anraten des Wehrdisziplinaranwaltes erfolgt sei.

Dieser behauptete dann etwas später, wie ich erfuhr, daß die Kommandierung auf Empfehlung des Kommandoarztes aus­gesprochen wurde. Wieder hörte ich den Hinweis, wichtig allein wäre, daß ich nicht auf meiner Dienststelle sei.

Am 11.12.98 erfuhr ich, daß am 14.12.98 meine Dienststelle erneut, durch den Oberstarzt Dr. Klaus K. ich, Fachvorgesetzter des Kommandoarztes Lufttransportkommando, überprüft werde. Mein Fliegerarztgehilfe mußte sich am gleichen Tag zur Vernehmung in Münster melden.

Außerdem habe ich erfahren, Oberfeldarzt K. vom Flugmedizinischen Institut mich ab dem 14.12.98 auf meiner Dienststelle vertreten soll und ich im Austausch umgehend nach meiner Genesung für drei Monate bzw. bis zum Abschluß der Ermittlungen nach Fürstenfeldbruck ans Flugmedizinische Institut kommandiert werde und dort den Dienst anzutreten habe.

Alle diese Maßnahmen dienen m.E. meiner Entfernung aus der von mir bisher zur uneingeschränkten Zufriedenheit meiner Vorgesetzten und des von mir fliegerärztlich und medizinisch zu betreuenden Personals ausgeführten Tätigkeit.

In dieser Verwendung sehe ich – wie Ihnen seit unserem Gespräch anläßlich der CSU-Tagung der Gruppe der Frauen zum Thema „Frauen und Bundeswehr“ vom 11.11.1996 bekannt ist – meine Berufung, nämlich mich um das Wohl des mir zur fliegerärztlichen und medizinischen Betreuung anvertrauten Personals zu kümmern.

Aus der persönlichen Zuwendung, die ich in der derzeitigen Situation erfahre, sehe ich, daß meine Arbeit nicht erfolglos war, und aus diesem Wissen schöpfe ich im Moment die letzte Kraft.

Teile des von mir zu betreuenden fliegenden Personals haben den mich vertretenden Ärzten bereits das Vertrauen entzogen und sich – nach Rücksprache mit dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten – in die Behandlung des Fliegerarztes Jagdbombergeschwader 34 nach Memmingen begeben.

Was hinter diesem, nach meinem Gefühl, Intrigenspiel und eindeutigem Mobbingverhalten steckt, ist mir bis heute nicht bekannt. Bis dato wurden mir keine Gründe für die gegen mich getroffenen Maßnahmen und was mir zur Last gelegt wird, eröffnet. Vielmehr wurde offenbar nach Einlegung der o.a. Beschwerde der Druck gegen mich weiter erhöht. Darin sehe ich eine Mißachtung des Benachteiligungsverbotes, das dem Beschwerdeführer in der WBO garantiert ist, von den Pflichten der Kameradschaft und Fürsorge ganz zu schweigen. Auch von Kollegialität und Fairness kann keine Rede mehr sein.

Derart drastische Bemerkungen sind mir zwar eigentlich fremd, aber für mich entsteht der Eindruck, daß ich körperlich und seelisch „fertig gemacht“ werden soll.

Aus diesen Gründen sehe ich keinen anderen Ausweg, als mich Ihnen anzuvertrauen und Sie, sehr geehrte Frau Marienfeld, um Ihre Hilfe zu bitten, obwohl ich bei unserem persönlichen Kennenlernen nie daran gedacht habe, daß ich Sie jemals mit meinen ureigenen Problemen belästigen muss.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Ch. Bauer

 

 

Auch Freunde versuchten weiterhin über die Wehrbeauftragte Hilfe zu erhalten, jedoch dank unserer Bürokratie und mir unbekannter sich im Hintergrund der Ermittlungen abspielender Vorgänge bzw. Ereignisse kam keine Hilfe.

Es ist unschwer, hier einen eindeutigen Fall von Mobbing zu erkennen.

Berichte über Berichte über Dr. Christine Bauer folgten all die Jahre. Nur positiv, nur von der besten Seite beschrieb man die Ärztin und Pilotin und zeigte sich stolz neben ihr.

Die SZ[20] schrieb am 23.06.95: DR. CHRISTINE BAUER: Die einzige beim Bund

 

Im Jahr 1989 wurde eine Vorzeigefrau der Deutschen Bundeswehr sogar auf fünf Seiten der Truppen-Praxis der Deutschen Bundeswehr gerühmt und verherrlicht, doch plötzlich seelisch und körperlich vernichtet, von den eigenen Dienstherren und dem Arbeitgeber „der Regierung Deutschland“. Was steckte dahinter? Warum wollte Dr. R. diese Frau von ihrer Dienststelle entfernt wissen? Warum ließ dieser Mann keinen Versuch aus, Frau Dr. Christine Bauer zu schaden?

In der Staffel wurde gemunkelt. Frau Dr. Bauer ließ einen Soldaten auf dem Luftweg in eine Klinik bringen, obwohl der Bodentransport angewiesen war. Kann das ein Grund sein? Die Ärztin widersetzte sich unsinnigen Anweisungen! Bestimmt schon eher ein Grund für manche Männer, Macht gegenüber einer Frau zu zeigen. Frau Dr. Bauer war überaus korrekt und vorsichtig bei der Behandlung ihrer Patienten. Auch komplementäre Medizin, Naturheilverfahren und Ho­möopathie wandte sie an.

Könnte es sein, daß Herr Dr. R. damit Probleme hatte? Oder kann es sein, daß es eventuell eine andere Frau gab, die er sehr gerne am Platz von Dr. Christine Bauer gesehen hätte?

Blind und dumm braucht man nicht zu sein, um zu erkennen, daß Frau Bauer weggeekelt werden sollte. Hierzu ging man unkorrekt und undiszipliniert vor, brach sogar die ärztliche Schweigepflicht und schädigte ihren guten Ruf. Alles mit dem Stillschweigen der Vorgesetzten und der Regierung. Wo blieb hier die Verantwortung gegenüber den Soldaten, die der Verteidigungsminister[21] eigentlich zu tragen gehabt hätte?

Den „Schrei der Seele“ hat man wohl gehört und ernst genommen, aber wer glaubte schon, daß eine so starke Frau wie Christine Bauer sich das Leben nehmen würde. Was blieb dieser zarten, einfühlsamen Frau übrig, wenn man ihr, in ihren Augen, alles nahm?

Ihr Lebensinhalt war in der Dienststelle Penzing zu finden. Hier waren ihre Kameraden, ihre Patienten, ihre Freunde. Hier war der Platz, an dem sie sein wollte und auch ihren vielgeliebten Beruf als Pilotin ausüben konnte.

Doch rücksichtslos beschuldigte man Christine Bauer sogar des übermäßigen Alkoholkonsums. Laut Aussage vieler Soldaten und Kollegen war sie eine fürsorgliche und sehr zuverlässige Ärztin.

Fehler hat sie bestimmt gemacht, Fehler macht jeder. Aber niemals kam dabei jemand zu Schaden.

Trotz der vielzitierten Fürsorgepflicht des Staates für seine Beamten – im Ernstfall gab es keinen Schutz für eine Soldatin, sondern Stillschweigen, Verdrängen, Intrigen und Lügen von Vorgesetzten.

Ich bin erschüttert – und nicht nur ich –, wie man in der Bundeswehr mit dem Leben eines Menschen umgeht, wie die Regierung, die ja der Arbeitgeber von Frau Dr. Bauer war, oberflächlich und desinteressiert mit dem Fall umgegangen ist.

Der Tod von Christine Bauer wäre zu verhindern gewesen. Nun, nach ihrem Tod, gibt es einige wenige Menschen, die Ge­rechtigkeit möchten und den Fall erneut bearbeitet sehen wollen. Nur ist das ein schwerer Weg, mit vielen Felsen und einer dominierenden Obrigkeit, die sich wehrt, Gerechtigkeit für eine Tote, die jahrzehntelang dem Staat diente, zuzulassen. Sie müßte ja Fehler eingestehen...

Christine Bauer glaubte damals, alle Anschuldigungen selbst entkräften zu können. Doch allmählich wurde ihr klar, daß Eigeninitiative nicht reicht. „Die wollen mich wirklich wegbekommen“, klagte sie, als eine psychologische Untersuchung angeordnet wurde.

„Sie war verzweifelt und hat geweint“, erinnert sich die bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Uta Titze-Stecher. Nach einem Gespräch mit Christine Bauer hatte sie die Selbst­mord­gefahr erkannt und den damals amtierenden Verteidigungsminister Rudolph Scharping gebeten, mit der Versetzung zu warten, bis ein Gerichtsurteil vorliege. Doch Scharping stellte sich hinter die Vorgesetzten. Am 16. Juni 1999 erhielt Christine Bauer ihren Versetzungsbefehl; in der folgenden Nacht versuchte sie sich das Leben zu nehmen.

 

 

Der Abschiedsbrief:

 

 

An alle, die es angeht!

 

Ich habe mir nicht das Leben genommen, weil ich mir irgendeines Fehlverhaltens bewußt bin oder Angst vor dem Ausgang des Truppendienstverfahrens hätte, sondern weil ich diesem unsäglichen und widerwärtigen Mobbing nicht mehr standhalte.

Mein Lebensinhalt, die Arbeit als Fliegerarzt im LTG 61, wurde mir gezielt genommen. Die genauen Beweggründe von Oberfeldarzt Dr. P. und Oberarzt Dr. R. sind mir nicht bekannt.

Ich möchte Dich[22] jedoch bitten, alle 7 Ordner (Beschwerden + Eingaben, Ermittlungsakte, Meldungen + Einleitung) mit Hilfe von RA (W) der Presse zukommen zu lassen, damit das Verhalten meiner Vorgesetzten an die Öffentlichkeit kommt und sich solche Vorfälle nicht wiederholen.

Frau M.K. habe ich die Informationen bereits zugesagt. Bitte aber auch über Herrn H. vom Marburger Bund[23] den Spiegel informieren.

Im übrigen möchte ich die gesamte Presse beteiligt wissen. Dabei kann auch E.S. behilflich sein, der die Umstände wohl am besten kennt.

R.S. vom Aerokurier soll den Fokus informieren.

Daß der Inspekteur der Luftwaffe und Frau Brigitte Schulte von ihren Beratern falsch informiert werden, ist offensichtlich. Daß meine Versetzung jetzt aber als Vorverurteilung erforderlich ist, damit der Inspekteur „wieder Ruhe in seinen Laden bekommt“, wie mir Frau Titze-Stecher gestern gesagt hat, ist mir unverständlich.

Wie kann einem Menschen sein ganzer Lebensinhalt genommen werden, nur um das Unrecht von Vorgesetzten zu decken und diese unsägliche Mobbinggeschichte vertuschen zu wollen?

Warum schaut die ganze militärische Führung und auch die von mir eingeschalteten Politiker zu und unternehmen nichts?

 

Ch. Bauer

 

 

Hätte man die erheblichen Vorwürfe gegen die Ärztin halten und nachweisen können, wäre die Entlassung aus dem Staatsdienst unabdingbar gewesen.

Doch man versetzte sie an das Bundeswehrforschungsinstitut.

Meine Frage: Wenn man bei einer Ärztin ernsthafte psychische Probleme vermutet, kann man sie dann mit gutem Gewissen in einem Forschungsinstitut arbeiten lassen?

Zudem würde ich gerne eine Stellungnahme von Herrn Scharping hören. Kannte er den Fall so detailliert, daß er einer Versetzung mit gutem Gewissen zustimmen konnte? Oder ging er den bequemen Weg, ohne zu recherchieren, seine Unterschrift auf ungelesene Blätter zu setzen?

Christine Bauer wurde während ihres Komas gut abgeschirmt. Weder Freunde noch den Soldaten wurden Besuche gestattet. Weshalb? Befürchtete man, Christine Bauer könnte aus ihrem Koma erwachen und etwas mitteilen?

Es bleiben viele Fragen offen, auf die wir keine Antwort finden. Diejenigen, die antworten könnten, sind zum Schweigen verpflichtet oder tun zumindest so.

 

Nach dem Tod von Ch. Bauer versuchte ein Polizist, der einer Initiative gegen Mobbing angehört, das Verfahren erneut in die Wege zu leiten. Hierzu die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Augsburg vom 02. August 2001, das Original ist im Anhang mit dem entsprechenden Briefkopf verzeichnet:

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

seit 1999 leite ich den Arbeitskreis Polizei der Mobbing-Zentrale Hamburg und setze mich aktiv für die Belange von Mobbingbetroffenen ein. In dieser Eigenschaft stelle ich Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung pp. gemäß §§ 222, 13 StGB sowie sämtlicher weiterer in Frage kommender Straftaten in dem Zusammenhang.[24]

 

Tatzeit: Zeitraum vor dem 17.07.1999

Tatort: Penzing

Geschädigt: Christine Bauer 51 Jahre, verstorben am 13.07.2001

Tatverdächtig:

OFA Dr. P. (siehe Abschiedsbrief Bauer)

Oberarzt Dr. R. (siehe Abschiedsbrief Bauer)

Verteidigungsminister Scharping (dto.)

Zeugen:

Bundestagsabgeordnete Uta Titze-Stecher

RA Hermann W.

RA Hans-Joachim Ahnert

Dr. Ulrike Lupi-Fuß

Wehrbeauftragte Claire Marienfeld (siehe Artikel Rebecca Hillauer 21.07.01 – SWP)

 

Der Sachverhalt, der dieser Strafanzeige zu Grunde liegt, basiert auf dem Inhalt der Anlagen:

1.)                 Abschiedsbrief Christine Bauer

2.)                 Online-Artikel der Südwest-Presse vom 27.07.01

3.)                 Online-Artikel der Augsburger-Allgemeine vom 27.07.01

4.)                 Zeitungsartikel der Süddeutschen Zeitung

 

Nähere Personalien dürften von den als Zeugen benannten Rechtsanwälten zu erfahren sein.

 

Sachverhalt:

 

Frau Christine Bauer war Ärztin bei der Bundeswehr in Penzing. Nach mehrjähriger Tätigkeit wurde ein Disziplinarverfahren durch ihre Vorgesetzten mit dem Ziel der Versetzung eingeleitet. Frau Bauer wurde vorgeworfen, an Fliegerpersonal Medikamente mit Nebenwirkungsmöglichkeiten abgegeben zu haben, ohne daß eine nachvollziehbare fliegerärztliche Bewertung vorgelegen habe. Kollegen beurteilten die Maßnahmen als deutlich überzogen.

 

Nach Erhalt der Versetzungsverfügung nahm Frau Bauer am 17.07.99 Gift zu sich und fiel in ein Wachkoma. Sie verstarb am 13.07.01.

Im Zusammenhang mit ihrem Suizidversuch im Jahr 1999 hinterließ Frau Bauer einen Abschiedsbrief, in welchem sie zum Ausdruck brachte, daß sie gemobbt wurde und sich der Willkür ihrer Vorgesetzten ausgeliefert fühlte. Obwohl sie sich an höhere Stellen wandte und um Unterstützung bat, erlag sie ihrer Verzweiflung. Die läßt darauf schließen, daß man ihr jede Hilfe verweigerte.

Frau Bauer galt, so die Augsburger Allgemeine, erst als Vorzeigefrau der Luftwaffe. Als einzige Frau war sie berechtigt, Hubschrauber zu fliegen. Die Ausübung einer solchen Tä­tigkeit setzt normalerweise eine hohe psychische und phy­sische Leistungsfähigkeit sowie Tat- und Entschlusskraft voraus, die bei ihrer Einstellung in die Bundeswehr mit Sicherheit abgeprüft worden sind.

Aus dem Abschiedsbrief wird auch deutlich, daß Frau Bau­er ihren Beruf sehr geliebt haben muss.

Die mit ihrer Verzweiflung verbundenen Symptome hätten den Vorgesetzten zumindest ansatzweise auffallen müssen. Wenn die Vorgesetzten von Christine Bauer auch vielleicht zu Recht meinten, Frau Bauer disziplinieren zu müssen, haben sie auf der anderen Seite auch dafür einzustehen, daß sie die Menschen nicht vernichten. Die seelische Not ihrer Untergebenen kann ihnen nicht verborgen geblieben sein, und sie hätten nach Lösungen suchen müssen.

Die damalige Wehrbeauftragte, Frau Claire Marienfeld, wurde um Hilfe gebeten, doch ihre Intervention hat nach meinen Informationen nicht zu einem Ergebnis geführt. Sie wurde selbst angegriffen.

Herr Verteidigungsminister Scharping hat das Hilfeersuchen anscheinend ignoriert. Er war laut Abschiedsbrief mit die letzte Hoffnung für die Betroffene und hat meines Erachtens durch sein Schweigen und Nichtreagieren die Reaktion von Frau Bauer mit zu verantworten. Als oberster Dienstherr hat er seine Garantenstelle nicht wahrgenommen. Seine Un­ter­lassung wäre somit ursächlich für den Tod seiner Untergebenen, Frau Bauer.

Auf die Erörterung von Definitionen, die verschiedenen Arten der gesundheitlichen Folgeschäden von Mobbing sowie die in diesem Zusammenhang bestehenden Pflichten von Vorgesetzten habe ich bewußt verzichtet, da ich davon ausgehe, daß zu Ihrer professionellen Berufsausbildung eine entsprechende Schulung gehört. Sollten Sie aber dennoch diesbezügliche Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne unter den angegebenen Erreichbarkeiten zur Verfügung.

Bitte lassen Sie mir eine Eingangsbestätigung mit Ihrem Aktenzeichen zukommen.

Für Ihr Verständnis und Ihre Bemühungen dankend, verbleibe ich

 

mit freundlichen Grüßen

 

(Unterschrift)

 

 

Am 23.01.02 erhielt Herr Jurczyk die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg, wogegen er Einspruch erhob:

 

Anlage 1:

 

Staatsanwaltschaft Augsburg 08.01.2002[25]

 

Anlage 2: 401 Js 128390/01 vom 01.Februar 2002[26]

 

Anlage 3: Aufsichtsbeschwerde des Herrn Jurczyk an die Oberstaatsanwaltschaft München[27]

 

Anlage 4: Aufsichtsbeschwerde wurde abgelehnt. Schreiben der OSM vom 20.03.02[28]

 

Anlage 5: Schreiben an Frau Prof. Däubler-Gmelin vom 22.05.2002[29]

(Das Schreiben der „AK Polizei“ der Mobbingzentrale Hamburg e.V. an die seinerzeitige Bundesjustizministerium Hertha Däubler-Gmelin vom 22.05.2002 war dieser offenbar keine schriftliche Antwort wert.)

Der Leiter der „AK Polizei“ Ernst G. Jurczyk erhielt inzwischen lediglich einen Anruf aus dem Justizministerium, dessen Inhalt sich wie folgt zusammenfassen läßt:

Ausgehend von dem Schreiben des Herrn Jurczyk vom 22.05.2002 hat sich das Justizministerium zum Fall der Frau Dr. Bauer an das Bundesverteidigungsministerium gewandt. Nach Auffassung des Verteidigungsministeriums ist die Verfahrensweise sowohl der politischen wie militärischen Führung nicht zu beanstanden. Auch für Justizministerin Däubler-Gmelin (seit der Bundestagswahl und ihrem angeblichen Vergleich von US-Präsident Bush mit Hitler nicht mehr im Amt) war der Fall damit erledigt.

Was einem widerfahren kann, wenn man sich mit großem Engagement für andere einsetzt, davon kann der bereits erwähnte Leiter der „AK Polizei“ in Hamburg ein Lied singen. Nach seiner Eingabe an die Bundesjustizministerin wurde er als Polizist in der Hansestadt zumindest „durch die Blume“ vor beruflichen Nachteilen bei Fortsetzung seines En­ga­gements gewarnt. Seither hat er seinen Einsatz für eine post­hu­me Ehrenrettung von Frau Dr. Bauer eingestellt.

Polizeiwesen ist in Deutschland überwiegend Ländersache. Die Mitglieder der Bundesregierung (egal ob zuständig für die Ressorts Justiz, Verteidigung oder anderes) sind Bedienstete des Bundes. Gibt es da keinen Zusammenhang? Ein Schelm ist wohl, wer daran erinnert, daß sowohl beide Bundesminister als auch der Hamburger Landesvater und sein Innenminister der  selben Partei angehören – der SPD.

Es wird bestimmt keine weitere Maßnahme zum Wiederaufnah­meverfahren erwirkt werden. Der Tod von Christine Bauer, der Vorzeigefrau der Deutschen Bundeswehr, wird wohl niemals aufgeklärt werden. Und so legt sich der Verdacht nahe, daß die Bundeswehrführung in der Aufklärung eine Gefahr für sich sieht. Es könnte z.B. ja weitere Pressemeldungen geben, die für die Führung unangenehm wären?

Dabei braucht die Obrigkeit überhaupt keine Angst zu haben. Sogar die Staatsanwaltschaft bewahrt sie vor angemessener Strafe. (Wenn man anderweitig zur Kenntnis nehmen muß, in welchem Umfang die Staatsanwaltschaft in manch banalen Fällen bereit ist, zu recherchieren, kann man sich zumindest eines Kopfschüttelns nicht erwehren.)

Im Falle Christine Bauer wird nicht einmal der Versuch unternommen, einen einzigen der vielen Zeugen zu vernehmen, um Einblick in die damalige Situation zu bekommen.

Der Tod von Dr. Christine Bauer war das Ende einer Kariere, aber sicher auch ein Bestärken der Resignation in der Truppe. Dies wäre zu verhindern gewesen.

 

Halte Deinen Mund, schweige, auch wenn es noch so schwierig ist, diesem System zu folgen und deinen Dienst zu verrichten. Du wirst genauso alleingelassen wie Dr. Christine Bauer. Du bist einer Macht ausgeliefert, der du nicht entkommen kannst.

 

Christine Bauer wurde in aller Stille beerdigt. Niemand wußte, wann und wo. Freunde und ehemalige Kollegen suchten und wurden fündig. Versteckt auf einem Friedhof in Friedrichshafen. Eine Gruppe von Menschen traf sich einige Monate nach ihrem Tod am Grab und nahm Abschied.

 

Viele Angehörige der Truppe haben kein Vertrauen mehr in die Deutsche Regierung und die Deutsche Bundeswehr. Sie fühlen sich alleingelassen. Unmut macht sich breit und kann vor der Öffentlichkeit kaum noch verborgen werden. Trotz aller Versuche des Verteidigungsministeriums, die Bundeswehr positiv darzustellen, wächst die Zahl ernsthafter Kritiker.

Die Bundeswehr ist ein Wirtschaftsunternehmen mit Kapital, welches aus Steuergeldern bezahlt und mit großer Selbstverständlichkeit mißwirtschaftlich zum Einsatz kommt.

Man ist sich in einigen einflußreichen Kreisen in Deutschland nicht sicher, ob die Bundeswehr noch gebraucht wird. Ich sage ja; wir brauchen die Bundeswehr, wir brauchen in erster Linie fähige, gute Soldaten. Was wir nicht brauchen, sind Korruption, Mißwirtschaft und sinnlose Geschäfte, die dem wichtigsten Bestand nichts nützen.

Der wichtigste Bestand der Bundeswehr bleibt der Mensch, der Soldat. Und wir, die wir uns im Schutz der Soldaten bewegen, tragen die Verantwortung dafür, daß diese Soldaten geachtet, geschätzt und gut behandelt werden. Für den Einsatz seines Lebens, um Leben zu schützen und zu retten, muß man eine vernünftige Gegenleistung erhalten.

 

Dr. Christine Bauer ist kein Einzelfall. Ich habe erst vor wenigen Wochen erfahren müssen, wie die Bewertungen ausfallen, wenn Vorgesetzte nach Sympathie beurteilen. Mobbing gibt es in der freien Wirtschaft, Mobbing gibt es bei der Polizei, Mobbing gibt es überall. Aber gerade dort, wo die Regierung als Ar­beitgeber auftritt, sollte ernsthaft versucht werden, diese Misere zu beseitigen. Dies kann aber nicht gelingen, wenn man die Tä­ter schützt und befördert und die Opfer bestraft. Die Regierung ist gefordert.

Wenn man politisch nicht in der Lage ist, das schlechte Rechtswesen in diesem Staat in den Griff zu bekommen, sollte man wenigstens als Arbeitgeber Ansätze finden, Mißstände im ei­genen Bereich zu beheben. In unserem Rechtsstaat haben wir kaum noch Rechte, das habe ich am eigenen Leib erfahren müs­sen. Rechte haben nur noch Juristen. Richter dürfen verfahren wie sie wollen. Sie dürfen ihre Entscheidungen nach Lust und Laune treffen. Um in diesem Land Recht zu be­kom­men, muß man über enorme Geldsummen verfügen. Nur so hat man das Potential, von einer Instanz zur anderen zu gehen oder – notfalls – zu bestechen.

 

Im Mai 2001, während ich mich mit dem Schicksal von Dr. Christine Bauer befaßte, erfuhr ich von dem Selbstmord eines Soldaten. Er war 41 Jahre alt und Vater zweier Kinder. Die Ehe war glücklich. R. Sch. leitete die letzten vier Jahre seines Lebens ein Munitionsdepot der Bundeswehr. Als ein neuer Vorgesetzter kam, erhielt R. Sch. plötzlich schlechte Beurteilungen, wurde mit Arbeit überschüttet und vor Kollegen lächerlich gemacht. Er sprach nicht viel über seine Probleme, bekam Magenschmerzen vom Ärger. Seine Schwester fragte ihn, womit er Ärger habe, und er sagte lediglich, mit seinem neuen Chef.

Die Bundeswehrführung schickt nach dem Selbstmord von R. Sch. Ermittler ins Munitionsdepot. Sie verhören sechs Monate lang die Mitarbeiter, den Vorgesetzten und die Familie. Sie erheben schwere Vorwürfe gegen den Vorgesetzten:

Oberstleutnant S. habe einen wesentlichen Anteil an der Unzufriedenheit einiger Mitarbeiter des Depots gehabt, von denen einige zwischenzeitlich freiwillig das Depot verlassen haben. Hauptfeldwebel Sch. fühlte sich unter allen Depotangehörigen am meisten persönlich betroffen.

Für die Bundeswehrermittler ist klar: Oberstleutnant S. habe...wahrscheinlich einen großen Anteil am Tod des Soldaten R. Sch., jedoch keine Schuld daran.

 

Die vertraulichen Unterlagen wurden dem Anwalt und Mobbing- Experten T.E. vorgelegt.

Dieser kommt zu einem schärferen Urteil: „Der Vorgesetzte trägt die Verantwortung für den Suizid des Hauptfeldwebels. Dies beruht darauf, wie festgestellt wurde, daß seine Führungsqualitäten mangelhaft waren. Er soll sich nach Zeugenaus­­sagen nach Gutsherrenart aufgeführt haben, von Macht­stre­ben ist keine Rede, egoistisch soll er gewesen sein, kein Lob verteilt haben. Er soll die Psyche des Verstorbenen massiv beschädigt haben.“

Solch folgenschweres Fehlverhalten ist vermeidbar; z.B. könn­te eine verbesserte Ausbildung, auch im Bereich Psychologie, helfen oder Beurteilungen von Soldaten sollten von mehreren Vorgesetzten geschrieben werden.

Ich kenne solche Bewertungen gut. Oft meint man, die Soldaten können alle übers Wasser laufen. Andere, die zuvor Meere überquert haben, bekommen einen neuen Chef und saufen plötzlich ab.

 

 

 

Einmal freiwillig in Afghanistan!

 

 

Freiwillig bedeutet in der Bundeswehr: Der Soldat meldet sich zu einem Auslandseinsatz für einen bestimmten Zeitraum, um zu verhindern, daß er den Zwangseinsatz von seinen Vorgesetzten zu Zeiten erteilt bekommt, die ihm unvorteilhaft erscheinen.

Der Begriff freiwillig ist also begrenzt auf die Tatsache, daß man sich für einen Zeitraum eigener Wahl entscheiden kann, um nicht für einen persönlich ungelegenen Zeitraum befohlen zu werden.

 

Es meldeten sich Heeresflieger zur Teilnahme im ersten Kontingent nach Afghanistan ab dem 10.04.02, für die Zeit von 3 ½ Monaten. Sie machten u.a. bei diesem Einsatz z.T. erschreckende Erfahrungen:

 

 

Ich war bestürzt, daß ich ohne große Vorbereitung in einen solchen Einsatz geschickt wurde. In der den Heeresfliegern zu­ge­wiesenen „area“ im Bereich des Flugplatzes Kabul war außer einer im Bau befindlichen Flugzeughalle nichts vorhanden, weder eine Unterkunft noch die Möglichkeit der korrekten Versorgung. Ebensowenig war Gerät vor Ort oder herbeizuschaffen, um diese Lager zu errichten. Wir bemühten uns, unsere Sechs-Mann-Zelte zu erstellen, füllten Sandsäcke und bauten Schutzwälle.

Bereits in der ersten Nacht wurden wir mit Raketen beschossen. Eine ging knapp am Lager vorbei, die andere, über das Lager fliegend, kam in unmittelbarer Nähe zum Einschlag. Angst machte sich breit. Die Zelte erbebten. Es gab keine Mög­lichkeit des Schutzes oder der Verteidigung.

Wir waren froh, französische und englische Soldaten zu finden, die uns am nächsten Tag im Tausch von Alkohol schweres Pioniergerät übergaben. Nur somit hatten wir die Möglichkeit, gut und schnell dieses Lager zu errichten.

Wir waren im Einsatz zur „Suche und Rettung“. Jedoch konnten wir diese verantwortungsvolle Aufgabe nicht wahrnehmen, da es im Lager kein Wachpersonal gab. Wir, die Heeresflieger, mußten uns deshalb selbst bewachen und konnten anhand der Vorgaben der Flugsicherheit keine Einsätze fliegen, da wir allein mit der Bewachung zeitlich ausgelastet waren. Somit standen unsere CH 53 nutzlos herum. An Schlaf war sowieso kaum zu denken, da wir mit dem Lärm des 24stündigen Flugbetriebes des Airports Kabul belastet waren. Zudem kam die Angst vor Angriffen.

Die Sanitäreinrichtungen, bestehend aus DIXI Toiletten waren schon in Ordnung. Es hätte auch andere Wege gegeben, Sanitäreinrichtungen zu schaffen. Die Toiletten wurden täglich von einer Servicefirma entleert, dies nur einige Meter vom Lager, aber die Entsorgung der Fäkalien kostete pro Tag und pro Toilette 20 US $.

Die Essensversorgung war unter aller Sau. Am Morgen wurde ein klebriges Weißbrot und Marmelade gereicht, einmal in 3 ½ Monaten gab es sogar Trockenei.

Beschämend auch die Hauptmahlzeit. Fast ungenießbar und für viele Soldaten zur Folge, daß sie an einer Darmgrippe erkrankten. Kassler wurden zerkleinert und in einer Suppe serviert, die ursprünglich als Kartoffelbrei gedacht war.

Unverständlich, daß rein nichts vor Ort war, was im Vorfeld hätte leicht organisiert werden können und den Zustand des Aufenthaltes für die Soldaten erleichtert hätte. Da stellt man an sich natürlich die Frage, wozu hat die Bundeswehr übertrieben viel Verwaltungspersonal, welches nur unsinnige Dinge bereitet. Keiner weiß, was der andere tut. Und dann noch die langen Wege von Überdenken, Vorschlägen und Anträgen, bis hin zum entscheidungsfähigen Vorgesetzten, daß der Einsatz schon fast zu Ende geht, bis eine Aufgabe gelöst ist.

 Unglaublich die Einstellung der Soldaten, die zusehen müssen, welch ein Mist bei der Bundeswehr betrieben wird. Wäre es nicht so ernst, könnte man einen Comic oder eine Komödie daraus drehen!

Vorschriften über Vorschriften. Ein bürokratisch unübersichtliches System, welches niemals, vor allem nicht in der Praxis der Auslandseinsätze eingehalten werden kann. Niemand warnt uns vor der Realität, die dem Auftraggeber bekannt sein müsste. Wir werden hier wirklich wie ein „Selbstmordkommando“ losgeschickt und müssen vor Ort lernen, erkennen und erfahren, welche Gefahren auf uns lauern.

Ganz am Anfang erzählte uns ein amerikanischer Kamerad, daß vor wenigen Wochen ein Soldat aus einer CH 47 zirka 10 Meter in die Tiefe stürzte und überlebte.

Ein unbemanntes Aufklärungsflugzeug filmte dann mit, was am Boden geschah. Die Taliban stürzten sich über den verletzten Soldaten, schnitten ihm bei lebendigem Leibe die Genitalien ab und die Haut mittig am Leibe auseinander, zogen ihm die Haut über den Kopf und ließen ihn inmitten von Fliegen und Ungeziefer elendig sterben. Deshalb sollte man immer eine Waffe bei sich tragen, um sich schnell umzubringen zu können, bevor man diesen Monstern in die Hände falle. Als wir nachfragten, wie dies geschehen konnte, erklärte uns der US-Kollege, daß sie sich vor Angriffen von Panzerfäusten schützen, indem sie nicht nur die Besatzung mitführen, sondern zusätzlich zwei Soldaten, die sich rechts und links im Hubschrauber postieren, um zu sehen, ob Raketen auf sie abgeschossen werden. Zudem wird die Ladeklappe leicht geöffnet und ein weiterer Soldat überblickt den hinteren Bereich der Maschine. Somit kann ein Angriff abgewehrt werden. Hierdurch haben wir von den amerikanischen Kollegen etwas gelernt, was wir in Deutschland niemals erfahren hätten. Aber diese Möglichkeit des Einsatzes wäre uns auch nicht gegeben gewesen, da wir über das Personal vor Ort nicht verfügten. Unsere ursprünglich geplanten Einsätze, die wir erst nach 6 Wochen durchführen konnten, waren ebenfalls nur teilweise zu bewältigen. Es fehlte an Rettungsgerät und Ausrüstungspaketen für Wüstenlandungen. Somit konnten wir wegen Ausrüstungsmangel Verletzte nicht fliegen. Zum Schutz vor Angriffen haben wir uns dann noch einen eigenen Bunker gebaut. Ein 6er Pack Bier als Bezahlung für 1 Stunde Planierraupe der alliierten Soldaten.

Wir, die Heeresflieger mussten einen 24h Dienst verrichten. Alle anderen Dienstleister in unserem Lager hatten feste Öffnungszeiten. Somit war es immer schwer, dann etwas zu bekommen, wenn man es gerade braucht. Diesen Zustand fanden wir bei den anderen Streitkräften nicht.

 

Die Franzosen und Engländer wurden fürstlich von einer Catering-Firma mit Nahrung versorgt. Während wir mit Kartoffelbreisuppe vorlieb nehmen mussten, speisten unsere aus­ländischen Kameraden die besten Gerichte.

Wenn wir als Deutsche Soldaten dazu noch ein gutes Armee-System vor allem der Engländer erkennen, die für solche Auslandseinsätze perfekt vorbereitet erscheinen, bleibt uns die Spucke weg. Warum gibt es dort eine perfekt durchorganisierte Armee, mit überaus guten Ausbildungen? Warum hören nur wir in Deutschland immer wieder von finanziellen Problemen, den Einsparungsmaßnahmen und Streichungen von Test- und Ausbildungsflügen?

Jeder von unseren Heeresfliegern soll alles können. Man wird aber nur möglichst schnell und unprofessionell in alle Bereiche eingewiesen und am Ende kann niemand von uns etwas gut und richtig.“

Ein Hubschrauberpilot aus England hatte allein in einem Monat 100 Flugstunden zur Vorbereitung und somit perfekte Kenntnisse und praktische Erfahrungen, die wir niemals nachweisen können. Uns Soldaten der Deutschen Bundeswehr steigt die Schamesröte ins Gesicht, wenn ein französischer Soldat lächelnd fragt: Habt ihr auch Hubschrauber zum Fliegen oder nur als Museumstücke.

1200 Deutsche Soldaten befinden sich allein in Afghanistan. Davon sind 160 im Vier-Stunden-Rhythmus zur Streife in Kabul eingesetzt. Hierbei scheint Langeweile aufzukommen, da ein Major per Texttafeln Soldaten für einen Fünf-Meilen-Lauf suchte.

Dort, wo es an Soldaten fehlt, sind keine, dort, wo wenige gebraucht werden, gibt es zu viele.

Man bedenke, daß meines Wissens die Regierung für jeden im Ausland eingesetzten Soldaten pro Tag von der UNO mehrere Hundert US $ erhält – ein nicht schlechtes Geschäft. Der im Ausland eingesetzte Soldat bekommt davon nur einen Anteil von ca. 90 Dollar. Ich habe die Information, das sich zur Zeit 8700 deutsche Soldaten in UN-Einsätzen be­finden. Es ist leicht zu errechnen, welcher Anteil der Regierung zufließt.

Bei einem Einsatz in Verbindung mit aufgefundenem Raketen­material der Taliban kamen zwei deutsche Soldaten ums Le­ben. Angeblich ein Unfall beim Entschärfen. Am Ort des Ge­schehens anwesende deutsche und französische Soldaten be­richten jedoch davon, daß es einen Befehl gab, die Raketen zur Überprüfung auseinanderzubauen – wie üb­lich widersprüch­li­che Darstellungen.

 

Zur finanziellen Misere nur ein paar Hinweise: Seit etwa zwei Jahren sind die Panzerhaubitzen 2000 im Einsatz. Aber, so muß gefragt werden, was denken sich eigentlich diejenigen, die solche Einkäufe tätigen? Diese Haubitzen können nicht zum Einsatz kommen, da man sie nicht befördern kann. Hierzu fehlen entsprechend große Transportflugzeuge.

Für die Transporte nach Afghanistan mit der angemieteten rus­sischen ANTONOW werden pro Flug ca. 260.000 US-Dol­lar bezahlt. Allein bis Juli 2002 wurden ca. 160 Flüge durchgeführt!

 

Ein Soldat, der bereits vor dem Einsatz in Afghanistan vor Ort die Lage und den Sachstand mit weiteren 16 Fachleuten ermitteln wollte, sah die großen Probleme und riet davon ab, die Truppe der Heeresflieger unter solchen Umständen hierher zu befehlen: „Der Zeitpunkt und die Rahmenbedingungen wären auf keinen Fall gegeben.“[30]

Seine Ansicht wurde nicht geteilt, und der Befehl kam.

 

 

Daß es zu Fehlentwicklungen kommt, liegt nicht an den Soldaten selbst, obwohl man erkennt, daß die Qualität der Übernahme eines Soldaten sich nachteilig verändert hat. Die zu beklagende Situation liegt allein am verworrenen System. Wir haben zwischenzeitlich bei der Deutschen Bundeswehr mehr als 250 Generäle. Man stelle sich vor, es gäbe bei den Bienen vorwiegend Königinnen und viel zu wenige Arbeiterinnen! Das Ende der Bienen wäre die Folge, und genauso zeigt es sich bei der Bundeswehr. Im Einsatz in Kabul befanden sich 160 Leute im Stab; es hätten 30 ausgereicht. Es gab also 160 Papierkrieger, aber nur einen Schreiner. Schreiner und Handwerker wären gebraucht worden, doch die fehlten. Die in der Vergangenheit feststellbare Tendenz, Stäbe wasserkopfartig aufzublasen, zeigt sich auch hier.

Der Stab war, wie das aus allen Zeiten des deutschen Heeres bekannt ist, gut ausgestattet untergebracht. Die eigentliche Truppe hingegen lag bei mehr als 50° Hitze in Zelten, bekamen überaus schlechte Verpflegung und sollten dennoch  hochmotiviert Dienst leisten. Was nützen uns 160 Leute im Organisatorischen, wenn acht ungesicherte Telefonleitungen für 1.200 Soldaten bereitstehen, die von den Fernmeldesoldaten nicht korrekt zur Nutzung gebracht werden konnten. Ebenso war ein IT-Fachmann vor Ort, aber bis zum Einsatzende des ersten Kontingents  funktionierten 40 % der Computer nicht.

Wir hören nur von Sparmaßnahmen, haben kaum noch Chan­cen, uns auf geforderte Leistungen vorzubereiten. Das Geld fehlt! Wo wird gespart – an uns Soldaten und an der guten Ausbildung. Wir haben Waffensysteme und Schutzvorrichtungen, die wir gar nicht in Anspruch nehmen können, da wir nicht wissen, wie sie funktionieren.

Gut organisierte Armeen gibt es genügend. Sehen wir nur den Zustand bei Engländern und Franzosen. Hier funktioniert nicht nur die Führung, hier funktionieren auch die Soldaten. Heeresflieger der Britten haben das 15fache an Übungsflügen wie wir. Somit möchte ich auch nicht unbedingt den Soldaten der Luftlandebrigade Vorwürfe machen. Ich mache meinen Arbeitgeber für diesen Zustand verantwortlich.

 

 

Die Wahrheit bleibt im Verborgenen; die Soldaten müssen schweigen, obwohl sie bereits jeden Sinn in ihrer schwierigen Auf­gabe verloren haben.

 

Ein weiter Einsatzpilot erklärte sich bereit, über seine Erfahrungen zu berichten. Oberleutnant K. war als Betreuungsoffizier ebenfalls von April bis Juni am gleichen Einsatzort:

 

 

Uns wurden politischerseits sogenannte Sozialbaukästen zu­gesichert. Beinhaltet in den Sozialbaukästen waren Fernsehen, Sportartikel und Möglichkeiten der Unterhaltung. Mehr­fach habe ich im Stab nachgefragt, wann diese Sozialbaukästen in un­serem Lager eintreffen. Einmal behauptete ein Leutnant, die Ware sei verlorengegangen.

Nach mehreren weiteren Versuchen bemerkte ich seine genervte Haltung. Ich fragte ihn: „Interessiert sie das überhaupt?“ Er schaute mich an und sagte: „Nein.“

Wir bemerkten alle, daß wir total ignoriert wurden. Wenn wir um Obst oder andere vorhandene Nahrungsmittel baten, kam die Ausrede, der Weg sei zu weit oder, wegen der Hitze sei es nicht möglich die Ware zu überführen. Während der Stab genug hatte, standen wir wie Bettler da. An eine Truppenküche war auch nicht zu denken, und so erhielten wir aus dem Warehouse das Essen. Genauso lieblos und grausig schmeckte es auch.

Ich organisierte für meine Leute einen kleinen Emma-La­den, so daß überhaupt eine Möglichkeit bestand, Cola und Ge­nußmittel zu erwerben. Damit hatte ich viel zu tun. Hätte ich nicht einen eigenen PC mitgebracht, wäre es fast unmöglich ge­wesen. Unser Luxus bestand aus einem Toaster und einem al­ten Staubsauger, Geräte die ich selbst mit­gebracht habe. Klei­nigkeiten, wie zum Beispiel ein Fußball, um den Soldaten ein wenig Abwechslung zu verschaffen, waren aussichtslos. Als Beckenbauer sich anmeldete, unseren Stab zu be­suchen, glaubte ich, dieser würde uns mit Fußbällen beglücken. Im Stab sag­te man mir, daß diese zur Versteigerung kom­men.

Es war einfach alles ein Kampf, und wir hatten keine Motiva­tion mehr. Egal, was wir beantragten und benötigten, es wurde, wenn überhaupt, nur zögerlich übergeben.

Nur mit Eigeninitiative gelang es mir, 100 Telefonkarten zu er­­gattern. Es wurden 1.000 übergeben, 1.000 für 1.200 Mann.

Ich muß und kann es nur immer wieder betonen, wir wurden von den eigenen Kameraden gemobbt. Ist das „positiv“ in einem solchen Auslandseinsatz?

 

 

Zu diesem Thema fand ich auch Quellenangaben.

 

 

 

Afghanistan – und es kam schlimmer

 

 

Der Brigadearzt der Luftlandbrigade 26, Dr. V.H., referierte bei der Kreisgruppe Saarland West zum Thema: Erfahrungen aus den Erkundungsergebnissen in Albanien und Kabul.

Aus Albanien konnte der Brigadearzt Dr. H. positive Erlebnisse von der Zusammenarbeit der 32 Nationen berichten. Auf der Negativseite dokumentierte er die katastrophalen Zustände in den Unterkünften und bei der Verpflegung. Hinzukamen die Berichte über die wesentlich bessere Ausrüstung der vielen Hilfsorganisationen.

„Als der Erkundungsauftrag für Afghanistan kam, dachte jeder, daß es nach Albanien und Kosovo nicht mehr schlimmer kommen könne – und es kam schlimmer“, erklärte der Referent. Die Stadt Kabul sei nicht allzu sehr zerstört – mit Ausnahme eines Viertels in dem anscheinend eine Ethnie gelebt habe, auf die alle anderen eingeschlagen hätten. Jedoch sei an allen Gebäuden, die zur Auswahl standen, alles erdenkliche geplündert gewesen.

Die Infrastruktur sei noch aus sowjetischen Zeiten recht gut. Der Schmutz und die unhygienischen Zustände stänken je­doch zum Himmel. Ganz traurig habe es bei den Fern­mel­dever­bindungen ausgesehen. Sogar die Rumänen seien bes­ser aus­gestattet gewesen, als das deutsche Er­kun­dungs­kommando.

 

Es schien sich schnell herumzusprechen, daß ich ein Buch über die Bundeswehr schrieb, denn immer mehr Soldaten woll­ten freiwillig ihren Beitrag leisten. Dies sicher nicht, um ei­ne Hauptrolle in einem Buch zu bekommen, sondern, um ih­re Wut und Trauer zu unterstreichen.

Hierzu Oberleutnant R, der vom 26.05. bis 31.07.2002 in Afghanistan im Einsatz war:

 

 

Ich war nun im 5. Auslandseinsatz in den vergangenen 7 Jahren. Die Lage war immer die gleiche. Katastrophale Un­ter­bringung, schlechte Versorgung, 4 Duschen, 4 Waschbecken und Dixi-Toiletten. Mehr braucht man wohl nicht zu sagen. Zudem möchte ich auch betonen, daß unsere Politiker, die doch alle wissen, was läuft, uns in Einsätze schicken, für die wir nicht ausreichend ausgebildet sind. Der Stab wird erhöht auf mehr und mehr Papierkrieger, die wichtigen Kräfte fehlen.

Um etwas Ablenkung zu erhalten, haben wir Soldaten uns einen Fernseher, Sat-Anlage und eine Stereoanlage gekauft. Man kann froh sein, wenn man bei 45 Grad nicht täglich mit Sauerkraut und Kaßler abgefüttert wird. Einmal die Woche bekommt man ein EPA[31] da die Küche gereinigt werden muß. In einer Woche bekamen wir es zweimal hintereinander, da das Plastikgeschirr ausging.

 

 

Verbessert habe sich die Situation dahingehend, daß Küchenbereich, Arzträume und das Büro klimatisiert waren. Unausgeruht wegen des Tag und Nachtbetriebes des Airports, bei 45 Grad in Zelten und der miesen Verpflegung, so kann wohl kein Soldat motiviert werden.

 

 

Alle in unserem Lager litten unter Durchfall und waren sehr geschwächt. Dies, so hat man gerade heute erfahren, lag an der Einnahme der verabreichten Malariaprophylaxe, die nun ab­gesetzt wird. Auch sehr interessant sind die schnellen Ver­änderungen bei der Vorbereitung der Soldaten für Auslandseinsätze. Bis vor wenigen Tagen konnten nur Soldaten in den Einsatz, die mit wichtigen Impfungen versehen waren. Soldaten, die diese Impfungen nicht vertragen haben oder allergisch reagierten, blieben in der Heimat. Plötzlich braucht man keinen Impfschutz mehr. Warum? Es gibt zu wenig Soldaten, also schickt man alles los, was man hat.

 

 

„Waren Sie vor Ort, als unser neuer Verteidigungsminister Struck in Kabul war?“ fragte ich den Soldaten. Seine Antwort: „Mein Eindruck, eine rein medienwirksame Präsentation, die für Belange und Probleme der Soldaten keine Zeit gelassen hat. Aber ich bin mir sicher, auch Herr Struck ist nicht der Retter der Bundeswehr. Das weiß er bestimmt auch selbst.“

 

 

Ich hatte 40 Flugstunden vor Ort, davon nur eine zur Rettung. Ein Soldat hatte sich am Airport die Beine gebrochen. Wenn Sie mich fragen, könnte man diese Rettungsflüge ab­brechen und die Rettung kostengünstiger durchführen. Ich erblasse als Soldat vor Neid, wenn ich die Ausrüstung, die Versorgung und die technisch perfekten Systeme der Alliierten sehe. Hauptsächlich waren es Franzosen und Niederländer, mit denen wir Kontakte pflegten. Alle Achtung, davon können wir nur träumen.

 

 

Träumen sollten wir nicht mehr, sondern aufwachen, begreifen und tätig werden. Haben wir Zivilisten nicht auch eine Verantwortung gegenüber unseren Soldaten zu tragen?

 

 

Was tut das Kommando Spezialkräfte in Afghanistan? Eine Analyse von Tobias Pflüger:

 

 

Die umfangreichsten Kämpfe seit Kriegsbeginn

 

 

Es war eine Frage der Zeit, bis die Information bestätigt würde, daß auch deutsche Elitekampfsoldaten des Kommandos Spe­zialkräfte (KSK) aus Calw an den Kämpfen der US-Armee in Afghanistan beteiligt sind. Nur der Zeitpunkt der Bestätigung kam für viele überraschend. Die US-Armee startete Ende Fe­bruar ihre größte Offensive seit dem Kriegsbeginn am 07. Oktober 2001. (Damit wurden auch all jene Lügen gestraft, die schon in der Vergangenheitsform vom Afghanistankrieg sprachen.) Im Südosten Afghanistans, an der Grenze zu Pakistan, in der Provinz Paktia, bei der Stadt Gardes, starteten Truppen der USA ein umfangreiches Bombardement, dabei seien bis zu 200 „versprengte Taliban- und El Qaida-Kämpfer“ und ca. 7 US-Soldaten getötet worden. Die US-Truppen testeten dabei ihre neue „Thermobaric“-Bomben. Der offizielle Name ist „BLU-118/B“, sie soll „extrem zielgenau“ sein und dringe besonders tief in Höhlenkomplexe ein. Dort entzünden sich mit Benzin gefüllte Sprengköpfe. Diese explodieren mit gewaltigen Feuerbällen. Damit würden sie den Sauerstoff aus dem Höhlenkomplex förmlich aufsaugen. Wer nicht durch die Explosion selbst getötet werde, sterbe einen erbärmlichen Erstickungstod.

 

 

 

Geheimer Kampfeinsatz des Kommandos Spezialkräfte

 

 

Nach Angaben des Pentagons waren an den Bodentruppenkämpfen zwischen ca. 3.000 „sich neu organisierenden Taliban- und El Qaida-Kämpfer“ einerseits und der Terrorallianz andererseits, auf US-Seite auch Spezialtruppen aus Australien, Kanada, Dänemark, Deutschland, Frankreich und Norwegen beteiligt. Der oberkommandierende Heeresgeneral Tommy Franks wird wie folgt in Erklärungen des Pentagons zitiert: „He said U.S. forces are joined by a like number of Afghan fighters and about 200 special operations troops from Australia, Canada, Denmark, Germany, France and Norway”. Außerdem bombardierten auch erstmals neben britischen und amerikanischen französische Flugzeuge.

Der deutschen Bundesregierung war die offizielle Mitteilung aus den USA nicht recht, der Einsatz der KSK-Soldaten sollte geheim bleiben. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Franz Borkenhagen, meinte, es sei „außerordentlich sinnvoll, derartige Operationen mit entsprechendem Schutzgrad zu versehen“. Er kritisierte die US-Militärs und die US-Re­gie­rung offen: „Der Informationsbeitrag in den Vereinigten Staaten wäre meiner Meinung nach nicht notwendig gewesen.“ Es sei falsch, daß der Einsatz „deutscher Kräfte in diesem Rahmen zum heutigen Zeitpunkt“ bekanntgegeben werde.

Was die KSK-Soldaten in Afghanistan machten, erfuhr man aus Norwegen: Dort sagte der Stabssprecher Dag Aamoth zur Kriegsoffensive: „Die norwegischen Spezialeinheiten nahmen an andauernden Kampfhandlungen teil, bei denen Einheiten der Koalition versuchten, mehrere Hundert Mann der El Qaida niederzukämpfen. Es handelt sich um eine koordinierte Operation von Luft- und Bodentruppen, die zähen Widerstand zu überwinden haben.“ Daran sind also auch die deutschen KSK-Soldaten beteiligt. In einem kargen Nebensatz bestätigte dies auch Rudolf Scharping: „In laufenden Operationen werden Spezialkräfte eingesetzt.“

 

 

 

1. Nebelbomben für und gegen die Presse

 

 

Nebenbei wurden für die Presse Nebelbomben geworfen: Rudolf Scharping: „Wir haben sanitätsdienstliche Unterstützung geleistet, damit Soldaten von (dem Militärflughafen) Bagram nach Kabul kommen konnten.“ Also ein weiterer Einsatz, der wiederum von den konkreten Kampfteilnahmen der KSK-Soldaten ablenken sollte.

Ausführlich beschäftigte sich der Minister mit angeblichen oder tatsächlichen Drohanrufen bei Familien der KSK-Sol­da­ten. Er bezeichnete Anfragen als „widerliches Verhalten“ von Journalisten, die wohl versuchten, an Informationen über die KSK-Einsätze zu gelangen. Einige Familien von KSK-Sol­da­ten hätten mit neuen Identitäten ausgestattet werden müssen. Zuvor hatte das Verteidigungsministerium über befreundete Me­dien wie die „Welt am Sonntag“ eine Story von einer „Hysteriewelle“ in Calw gegen Angehörige von KSK-Soldaten lan­cie­ren lassen.

Die politisch-militärische Führung produziert mit ihrer Geheimniskrämerei über die Einsätze des Kommandos Spezialkräfte geradezu solche „Zustände“, wie sie die Welt am Sonntag beschrieb.[32]

 

 

2. Informationspolitik der Bundesregierung oder wachen die schlafenden Parlamentarier auf?

 

 

Parteivertreter von CSU und PDS haben sich über die Informa­tionspolitik der Bundesregierung in Sachen Bundeswehr­ein­sätze und Einsätze des Kommandos Spezialkräfte beklagt. Es hieß, der KSK-Einsatz sei nicht vom erteilten Mandat des Bundestages gedeckt. Den „aufwachenden“ Parteivertretern sei die Lektüre des Bundestagsbeschlusses vom 16.11.2001 empfohlen. Darin wurde u.a. der Einsatz von „ca. 100 Spezialkräften“ freigegeben.

In unserer damaligen Analyse des Beschlusses (vgl. http:// www.imi-online.de/2001.php3?Id=258) haben wir darauf hin­ge­wiesen, daß der Bundestag der Bundesregierung für mindestens ein Jahr für den Einsatz von 3.900 konkret benannten Bundeswehrsoldaten freie Hand gegeben hatte. Aktionen der Bundeswehr auf einem Drittel des Globus  („Ein­satzgebiet ist das Gebiet gemäß Art. 6 des Nordatlantikvertrags, die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Afrika, sowie die angrenzenden Seegebiete) in allen Optionen, von sogenannter humanitärer Hilfe bis zum reinen Kampfeinsatz, wurde zugestimmt.

Die ergänzende unverbindliche Protokollerklärung, die insbesondere auch zur Beruhigung von bündnisgrünen und linkssozialdemokratischen Gewissen verabschiedet wurde, war schon damals politisch-militärischer Unsinn: Die Protokollerklärung umfaßt einige Unwahrheiten. Die Aussage: „Dabei um­faßt die Aufgabe der Spezialkräfte polizeilich-militärische Aufgaben wie z.B. Geiselbefreiung, Verhaftungen etc.“ ist für Kenner des KSK sichtlich falsch, da es keine militärischen Einsätze als die des KSK gibt. Auch die Aussage, daß der Einsatz deutscher Soldaten unter deutschem Kommando stattfände, war eine kalkulierte Falschmeldung: Sowohl die deutsche Marine am Horn von Afrika als auch das KSK kämpfen derzeit unter US-ame­ri­ka­ni­schem Kommando.

Leider haben viele Parlamentarier aufgrund der Koppelung mit der Vertrauensfrage nicht begriffen oder begreifen wollen, über welch umfassende „Kriegsermächtigung“ sie abgestimmt haben. Bedauerlicherweise sind die KSK-Einsätze in Afghanistan vom Bundestagsmandat gedeckt. Voraussetzung ist allerdings, daß es tatsächlich 92 und nicht 200 sind, wie der geschwätzige Helmut Wieczorek (Vorsitzender des Verteidigungsausschusses) behauptet.

Mit dem Einsatz des KSK ist seit dem 07.11.2001 zu rechnen gewesen.[33] Seit November beteiligen sich die KSK-Trup­pen, zuerst durch Übungen in Oman und im Iran und dann kämpfend in Afghanistan, am Terrorkrieg.

...

 

 

 

5. Illegale Aktionen des Kommandos Spezialkräfte

 

 

Die US-Truppen agieren bei ihrem Terror-Krieg in Afghanistan ja so, daß sie nur, „wenn notwendig“, Gefangene nehmen. Die Zahl der getöteten Zivilisten übersteigt nach Angaben von Mac Herold (Universitätsprofessor in New Hamp­shire) inzwischen sicher die 3.000er Grenze Über die getöteten örtlichen Kämpfer werden wir entweder nie oder sehr spät (vgl. Golfkrieg 2) etwas erfahren. Die Gefangenen, die die US-Truppen machen, werden nicht – wie im Völkerrecht und Kriegsvölkerrecht festgeschrieben – als Kriegsgefangene be­handelt, sondern als sogenannte „unrechtmäßige Kämpfer“ festgehalten und zum Teil nach Guantanamo auf Kuba gebracht. Sollten die KSK-Truppen den ihnen zugeschriebenen Auftrag ernst nehmen (gegen El-Qaida- und Taliban-Kämpfer Krieg zu führen und diese, „wenn nicht anders möglich“, gefangenzunehmen), handeln sie bei Übergabe von Gefangenen an die US-Truppen rechtswidrig. Wollten sie nach dem Kriegsvölkerrecht handeln, müßten die KSK-Truppen ihre Einsätze sofort beenden. So bleibt anschließend nur festzustellen: Die KSK-Soldaten führen Krieg in Afghanistan mit vollem Mandat des Bundestages und mit einem illegalen, völkerrechtswidrigen Auftrag. (Deutsche Militärpolitik 2002)[34]

 

 

 

Der Drang nach oben

 

 

Ein Heeresfliegerregiments verfügt verschwenderisch über unwirtschaftlich eingesetzte Führungskräfte und einen personell überzogenen Stab, der den bürokratischen Aufwand bearbeitet.

Die Heeresdienstvorschrift vom 03. Dezember 1986 ist ein überaus interessantes Dokument. Die Vorschriften sind gut durchdacht, aber die Vorgaben sind leider oft nicht durchführbar.

 

 

Führung, Führungsorganisation, Kommandeur und Stab

 

 

Der Regimentskommandeur führt das Regiment. Er ist verant­wortlich für die fliegerische, personelle und materielle Ein­satzbereitschaft des Regiments. Er berät den Kommandeur des Heeresfliegerkommandos in allen Fragen des Einsatzes seines Regiments.

Der Regimentskommandeur bestimmt durch seine Persönlichkeit, seinen Führungsstil und sein fachliches Können wesentlich den Erfolg des Regiments im Einsatz. Er richtet alle Kräfte des Regiments auf die Erfüllung des Auftrags aus. Beim Einsatz des Personals und Materials berücksichtigt er das fachliche Können der nachgeordneten Führer, des Stabes und der Soldaten des Regiments,

-                 die Leistungsbereitschaft des Personals und die Grenzen seiner Belastungsfähigkeit und

-                 die Einsatzfähigkeit des Materials.

Ein Schwerpunkt seiner Führungsaufgaben ist das Zusammenführen aller Kräfte zu einem gemeinsamen Wollen.

Der Regimentskommandeur sucht das fürsorgliche Gespräch mit den Soldaten. Hierdurch stärkt er das Zusammengehörigkeitsgefühl im Regiment und erkennt schon früh, wenn zu hohe Belastungen die Truppe zu überfordern drohen.

 

Die Realität: Um in einer militärisch strukturierten Hierarchie das eigengesetzte Ziel auf der sogenannten Karriereleiter erreichen zu können, muß man durchgängig im soldatischen Berufsleben von seinen Vorgesetzten optimal gefördert, das heißt beurteilt, werden. Somit ist auch leicht verstehbar, weshalb jeder Führer, egal auf welcher Ebene, zwanghaft vermeiden will, derjenige zu sein der melden müßte, „das geht nicht/ ich kann das nicht!“ Dabei ist völlig unerheblich, ob der betreffende Führer erkennt, daß die Aufgaben aus unterschiedlichen Gründen (mangelnde Finanzmittel, Ausbildungs-/Aus­stat­tungs-/Bewaffnungsdefizite etc.) nicht oder kaum erfüllbar sind. Lieber wird „getürkt“ ehe man das Risiko eines Karriere­knicks in Kauf nimmt.

Der sich seit Jahren zunehmend abzeichnende Trend in der Bundeswehr ist eigentlich für jeden klar erkennbar. Reduzierung des Verteidigungsetats, Personaleinsparung, Ausweitung der Aufgabengebiete, Einsätze mit völlig veraltetem Gerät und Ausrüstung, Ausweitung von Zusatzaufgaben, sowie stagnierende Besoldung und Beschneidung von sozialen Versorgungsleistungen fordern mittlerweile Übermenschliches von den Soldaten in Bezug auf Motivation und Improvisationsvermögen. Wie gesagt, eigentlich weiß das jeder!

Doch zurück zum Kommandeur! Relativ gut geschützt durch diesen Mechanismus gibt er mit relativ gutem Gewissen die Aufträge von oben nach unten durch, und wird sich hüten, an seinen unterstellten Kommandeuren und anderen Staffelkapitänen vorbei, allzu genau zuzuhören. Er würde bei allzu genauen hinterfragen nur riskieren, selbst melden zu müssen, daß sein Regiment Probleme hat, die von oben geforderte Aufgabe meistern zu können. Das Ergebnis wäre eine sogenannte „überschaubare Karriere“!

Fazit: Das in der Vorschrift so vorbildlich geschnürte Aufgabenpaket wird entsprechend delegiert, und der „einzuhalten­de Dienstweg“ verhindert sowieso jede auch noch so konstruktive Kritik. Mit relativ gutem Gewissen wird somit auch auf dieser, wie auf jeder Führungsebene innerhalb der Bundeswehr, karriereförderlich nach oben gemeldet was so nicht stimmt.

Die Formulierungen in den entsprechenden Dienstvorschriften, „Führungsaufgaben und Fürsorgepflichten von Vorgesetzten“, entstanden in den Jahren des Aufbaues der Bundeswehr, also zu Zeiten des „Kalten Krieges“, und inzwischen nicht nur überholt, sondern in den Ohren von Untergebenen wie blanker Hohn.

In Kenntnis dieser Abläufe wird verständlich, weshalb der Vorgesetzte, egal ob Kompaniechef oder General, kein vitales Interesse daran haben kann, in Erfahrung zu bringen, warum etwas nicht erfüllbar sein könnte, da er vor allem sich selbst mit einer entsprechenden Meldung „nach oben“ schaden würde. Diese Erkenntnis habe ich in zahlreichen Gesprächen mit Soldaten gewinnen müssen.

Jedem Vorgesetzten muß klar sein, daß er die gemäß Dienstvorschrift an ihn gestellten Forderungen gar nicht erfüllen kann, und müßte sich dagegen wehren. Aber selbst hier in der rein plakativen Frage einer Vorschriftenformulierung, bar jeder inhaltlichen, praxisbezogenen Aussage, bleibt das Schweigen der militärischen Führer unüberhörbar, nach dem Motto: „Warum soll ich mir das Maul verbrennen?“

Der Regimentsstab unterstützt, heißt nicht Abnahme der Gesamtverantwortung. Trotzdem bleibt festzustellen, daß weder der Stab noch der Kommandeur den gestellten Aufgaben gerecht wird.

Allein in bezug auf Wahrung der Flugsicherheit ist es nicht nur den Piloten seit langem klar, daß die Reduzierung von Flugstunden ein Minimalniveau erreicht hat, die ein „current feeling“ gar nicht mehr aufkommen lassen kann; dies wissen auch die Kommandeure in fliegenden Verbänden nur allzu genau. Trotzdem schweigen sie.

Kein ziviles, nach wirtschaftlichen Überlegungen ausgerichtetes Unternehmen könnte es sich erlauben, mit derart veraltetem Fluggerät zu operieren, wie die Bundeswehr es tut. Wenn durch heute noch in Betrieb befindliche, damals für den Vietnamkrieg konzipierte Wegwerfhubschrauber mit einem nicht mehr vertretbaren technischen Aufwand [(ca. fünfzig Instandhaltungsstunden für eine Flugstunde (!)] aus Kostengründen eine unzumutbare Gesamtreduzierung der Flugstunden für das fliegende Personal in Kauf genommen werden muß, ist das En­de der Fahnenstange erreicht. Hier müßte man tätig werden und Meldung machen. Es passiert jedoch nicht – wir wissen bereits, warum!

Wie ich aus Gesprächen mit betroffenen Soldaten weiß, gibt es auch in fachspezifischen Bereichen Anlaß zur Kritik.

Gebirgsnah liegende Verbände bilden einen Teil ihrer Piloten auch im Gebirgsflug aus. Mit der für die Bundeswehr offen­sichtlich überraschenden Tatsache, Piloten aus allen Verbänden der BRD (ohne Gebirgsflugberechtigung) zu Auslands­ein­sätzen, z.B. Afghanistan, Ex-Jugoslawien, einsetzen zu müssen, reagierte man erwartungsgemäß. Bis dahin bestehende strik­te klare Formulierungen in Vorschriften, den Gebirgsflug be­treffend, wurden aufgeweicht, Aus- und Weiterbildung wurden im bedarfsorientierten Sinne korrigiert und reduziert.

Erfahrene Gebirgspiloten behaupten, daß es gerade bei dieser Fliegerei einer intensiven kontinuierlichen Aus-, Weiterbildung und Erfahrung bedarf.

Ein abschreckendes Beispiel in punkto Flugsicherheit: Piloten aus norddeutschen Verbänden, die niemals einen Gebirgsflug­einsatz geflogen haben, wurden zu einer Ausbildung bei Ge­birgsfluglehrern befohlen. Alle betroffenen Piloten lehnten die Teilnahme an dieser Ausbildung mit der Begründung ab, nicht über die entsprechenden Voraussetzungen zu verfügen. Der Vorgesetzte der Piloten begründete dies stichhaltig in ei­nem Schriftsatz. Trotzdem wurden die Soldaten zu dieser Aus­bildung befohlen. In der Ausbildung wurde durch die Gebirgsfluglehrer sowie den Lehrgangsleiter festgestellt, daß die Eignung und Voraussetzungen fehlten. Der Lehrgang muß­te abge­brochen werden.

Der Regimentsstab soll den Kommandeur in allen Führungs-Grund- und Fachgebieten, im einzelnen bei der Personalführung unterstützen, so z.B. bei der Koordinierung des flie­gerischen und luftfahrzeugtechnischen Einsatzes,

-                 der Wahrung der Flugsicherheit

-                 der Planung und Befehlsgebung für den Einsatz der Fernmeldemittel,

-                 der Sicherung, Logistik und des Truppensanitätsdienstes.

Hierzu besteht aus finanziellen Gründen keine Möglichkeit. Die Wahrung der Flugsicherheit ist allein deshalb nicht gegeben, weil Ausbildungen und Flugzeiten gekürzt und junge Piloten, die kaum Erfahrungen im Gebirgsflug haben, als Gebirgsfluglehrer ausgebildet werden, Piloten, die selbst wissen, daß sie einer solchen übereilten und unprofessionellen Ausbildung nicht gewachsen sind.

Erfahrene Gebirgsfluglehrer berichteten mir, bei Gebirgsflug­stunden mit Schülern, die kaum einen Hubschrauber fliegen können, selbst in großer Angst zu leben, da die Schüler die Gefahren und Windgegebenheiten nicht kennen und in der Kürze der Zeit nicht bewältigen. So wurde erst vor kurzer Zeit ein Befehl herausgegeben, Gebirgsfluglehrer für ein Regiment im Flachland auszubilden, die nur selten oder sehr kostenaufwendig die Möglichkeit haben, Gebirgsflug zu üben.

Wie kann man hier noch von Flugsicherheit sprechen?

In der Heeresdienstvorschrift findet sich das Kapitel ABC-Abwehr mit folgendem Inhalt:

 

 

Der Einsatz von ABC-Kampfmitteln durch den Feind kann schlagartig zu großen Verlusten an Mensch und Material sowie der Zerstörung, Verstrahlung, Verseuchung und Vergiftungen führen. Darüber hinaus ist eine erhebliche psychologische Belastung der betroffenen Soldaten zu erwarten. Durch Auflockerung und Deckung kann das Regiment die Auswirkungen von ABC-Kampfmitteln mindern. Die Anwendung von ABC-Schutzmaßnahmen darf jedoch nicht die Fähigkeit beeinträchtigen, den Auftrag auszuführen.

ABC-Schutzvorkehrungen des Regiments haben den Zweck, die Teileinheiten vor dem Einsatz von ABC-Kampf­mitteln und seinen Auswirkungen zu warnen, ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten und sie in die Lage zu versetzen, ihren Auftrag auch unter ABC-Bedingungen zu erfüllen.

 

 

Dieser Absatz enthält nichts weniger als die bestürzende Verordnung für den Soldaten: Der Auftrag wird erfüllt, auch wenn es dich das Leben kostet.

 

 

A-, B- oder C-Warnung wird angeordnet vor dem Einsatz eigener Atomsprengkörper oder wenn der Einsatz von ABC-Kampfmitteln durch den Feind vermutet oder erkannt wird sowie bei Gefährdung durch Fallout oder Kampfstoffwolken.

Atomalarm oder ABC-Alarm löst das Regiment aus, wenn ein eigener A-Waffeneinsatz unmittelbar bevorsteht oder wenn der Einsatz feindlicher ABC-Kampfmittel erwartet oder erkannt wird.

 

 

Wir setzen Atomwaffen ein? Hieß es nicht immer, daß wir über keine Atomwaffen verfügen?!

 

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Erfüllung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Hierzu der Fall eines Soldaten, der sich an einem Standort in Bayern als Heeresflieger befand. In der Nähe des Standortes hat­te Oberstleutnant K. ein altes Haus gekauft und mit viel Fleiß über Jahre in Nachtarbeit renoviert. K wurde wegen Auf­lö­sung seiner Staffel mit einer Versetzung konfrontiert, die, bedingt durch seine private Situation sehr schwierig war. Er war bereits seit etwa fünf Jahren alleinerziehender Vater einer zehnjährigen Tochter und wurde mit dieser belastenden Si­tu­a­tion von einem Tag auf den anderen konfrontiert. Neben der schrittweisen Akzeptanz und Aufarbeitung bestehender Trennungsproblematik mußte er versuchen, der gesteigerten pädagogischen Verantwortung gegenüber seiner Tochter gerechtzu­werden. Weitmöglichst sollten emotionale, die persönliche Entwicklung störende Defizite vermieden, zumindest eine „Scha­densbegrenzung“ erreicht werden. K. mußte dazu auf Nach­barschaftshilfe und Pflegefamilien zurückgreifen. Dies hat sich nicht immer problemlos ergeben. Oft traten Schwierigkeiten auf.

Die Tochter fand eine Familie, die geeignet schien und ein vertrauensvolles Verhältnis zeigte. Ein Sozialarbeiter, dem sich Herr K. anvertraute, gab diesbezüglich eine Stellungnahme mit folgendem Wortlaut ab:

 

 

Die Tochter von Herrn K. braucht diesen sie umgebenden Rahmen einer familiären Atmosphäre, die sie stützt und in den alltäglichen Abläufen begleitet. Sie benötigt diese kontinuierliche Ansprechbarkeit, um neues Vertrauen zu schöpfen. Auch für K. ist eine geeignete Pflegefamilie unverzichtbar, er weiß sein Kind in guten Händen, er kann seiner Verantwortung als Vater gerecht werden.

Ein solch funktionierendes Zusammenwirken zwischen ihm und der Pflegefamilie schafft die Voraussetzung einer guten Entwicklung des Kindes, die Aufarbeitung, Ausgleich und weitere Lebensfähigkeiten zum Inhalt haben muß. Eine Versetzung des K., die zwangsläufig mit einer Herausnahme des Kindes aus seinem sozialen Umfeld verbunden wäre, würde m.E. eine positiv eingeleitete und begonnene Entwicklungsphase empfindlich stören und eine günstige Prognose erschweren.

Aus sozialpädagogischer Sicht sollte eine Personalentscheidung gefunden werden, die dem besonders gelagerten Problem des K. und seiner Tochter gerecht wird.

 

 

K.s Eingabe beim Bundesministerium der Verteidigung wurde abschlägig beschieden:

 

 

Sehr geehrter Herr K,

 

mit o.a. Bezug 1 u. 2 beantragen Sie, im Hinblick auf die geplante Auflösung der GebHFlgStff, Ihre Versetzung zum LTG 61 (gleicher Standort) unter gleichzeitigem Wechsel der Teilstreitkraft zur Luftwaffe. Sie begründen dies mit der besonderen Problematik als Alleinerzieher einer 10jährigen Tochter, für die Sie nach mehrmaligem Wechsel nun endlich eine Familie für die Betreuung gefunden haben.

Auch in Würdigung Ihrer besonderen Situation vermag ich Ihrem Antrag leider nicht stattgeben.

Obwohl Sie – trotz grundsätzlichem Bedarf in Ihrer Ausbildungs- und Verwendungsreihe (Flugeinsatz/Flugsicherheit) – für eine Versetzung zur Luftwaffe freigegeben wurden, besteht dort leider keine Einplanungsmöglichkeit für Sie. Die entsprechenden Dienstposten im LTG 61 sind derzeit alle adäquat besetzt. Mit der Einnahme der neuen Struktur im Lufttransportbereich wird der Dienstpostenumfang der Hubschrauberbesetzung im LTG 61 reduziert. So daß dort ohnehin Personalüberhänge entstehen und abzubauen sind.

Ob sich alternativ nach Auflösung der GebHFlgStff eine Verwendung als VBH-Offz FD bei MTH-Rgt 25 realisieren läßt, kann noch nicht entschieden werden. Eine Mitteilung über die weitere Verwendungsplanung erfolgt sobald als möglich.

Ich bedauere, Ihnen unter diesen Umständen keinen günstigeren Bescheid erteilen zu können. Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist Bestandteil dieses Bescheides.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Im Auftrag...

 

 

Nachfolgend entschied der 1. Wehrdienstsenat gegen den Antrag des Herrn K.

 

 

Auszug aus dem entsprechenden Urteil:

 

Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Verwendung oder Versetzung zu einem bestimmten Truppenteil oder Standort. Ebenso wenig steht ihm ein Anspruch auf Wechsel der Teilstreitkraft zu. Hierüber entscheidet vielmehr der zuständige Vorgesetzte, sofern dienstliche Belange nicht entgegenstehen, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen. Im vorliegenden Fall ist die Zuversetzung des Antragstellers zum LTG 61 auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Interessen mit den dienstlichen Belangen nicht in Einklang zu bringen.

Eine Versetzung zum angestrebten Verband unter gleichzeitigem Teilstreitkraftwechsel würde eine Ausbildung zumindest auf dem leichten Transporthubschrauber (LTh) BELL UH-I D notwenig machen. Eine solche Ausbildung, die ca. 1 Jahr dauert und unter Umständen in den USA absolviert werden müßte, kostet ca. 470.000 DM.

Angesichts der Tatsache, daß aufgrund des Dienstpostenumfangs auch bereits ausgebildete LTH-Offiziere abgebaut werden müssen, ist diese nicht bedarfgerechte Ausbildung im Hinblick auf die hohen Kosten als mit dienstlichen Belangen unvereinbar anzusehen.

Die weitere Verwendung des Antragstellers nach Auflösung der Gebirgsflugstaffel ist am Heeresfliegerstandort L. vorgesehen, der ca. 100 km von seinem jetzigen Wohnort entfernt ist. Diese Entfernung ermöglicht es dem Soldaten, nicht nur am Wochenende, sondern nach Bedarf auch innerhalb der Woche, seine Tochter zu besuchen.

 

 

Oberstleutnant K. verkaufte sein Haus und zog mit seiner Tochter nach L. Dank seiner 80jährigen Mutter konnte er seinen Beruf weiterhin ausüben, ständig in der Angst, daß seine alte Mutter die Kraft verliert und er erneut vor großen Problemen steht.

Kurze Zeit nach der Versetzung des Olt. K. wurden mehrere Ausbildungen für das Waffensystem C-160 Transall durchgeführt. Sogar Soldaten aus dem Osten wurden hierzu versetzt...

 

 

 

Geldnot bei den Heeresfliegern

 

 

In Deutschland gibt es drei Standorte von Heeresflugplätzen mit je zweiunddreißig CH 53.

Die Heeresfliegerwaffenschule verfügt ebenfalls über den gleichen Bestand an CH 53.

Im Sommer 2002 wurde festgestellt, daß an vielen Rotorblättern dieses Typs Schäden vorhanden sind – zwar nur leichte,  jedoch durch die Flugsicherheit nicht zu akzeptierende. Wie sollte man ein solches Problem beheben, wenn die Finanzen fehlen? Es wurden von vielen Hubschraubern die Rotorblätter entfernt, um sie auszutauschen. Somit stand dem Heeresflugplatz Laupheim von zweiunddreißig Maschinen nur noch eine zur Verfügung. Jedes Rotorblatt hat leichte Unterschiede im Gewicht. Um eine Gleichmäßigkeit herzustellen, ist der Austausch ein großer technischer Aufwand.

Neue Rotorblätter kann man sich nicht leisten, und man bemüht sich, mit dem vorhandenen Material auszukommen, was wiederum für den Gebrauch, für Testverfahren und für die Ausbildung zur Folge hat, daß Piloten und Auszubildende keine ausreichende Möglichkeit haben, den vorgegebenen Flugdienst zu bewältigen.

Wiederum bedingt durch Sparmaßnahmen, wurde die technische Abteilung eines Regimentes bereits 1998 darauf hingewiesen, daß Befestigungsbausätze nicht bereits nach einmaligem Gebrauch ausgetauscht werden dürfen, sondern gebrauchtes Material wiederzuverwenden ist. Nach Infor­ma­tionen der Techniker ist dies kaum zu vertreten, da es sich um Bolzen mit selbstsichernden Muttern handelt, die bei Wiederverwendung Verschleißerscheinungen zeigen, sich lösen und zu katastrophalen Unfällen führen können.

Warum spart man ausgerechnet dort, wo das Leben der eigenen Soldaten gefährdet ist?

Mehr Geld für die Bundeswehr ist meiner Ansicht nicht nötig. Eine komplette Umstrukturierung wäre der richtige Weg. Sinnlose Ausgaben zu stoppen ist überaus wichtig, und davon werden bei der Bundeswehr mehr als genug getätigt. Hierzu müßte man den Geschäftsvorgängen innerhalb der Bundeswehr mehr Beachtung schenken. Vor allem wäre es von Vorteil, die Bürokratie einzuschrumpfen, die eine Menge an Personal unnütz beschäftigt. Ebenso müßten Führungspositionen eingegrenzt als auch die Stabsführung reduziert werden. Ein Augenmerk könnte sich auch darauf richten, Standorte zu halten, die über Kapazitäten verfügen, und stillgelegte Standorte zu veräußern oder zu verpachten.

Mehr Kontrolle und größere Wartungsmöglichkeiten von vorhandenem Material sind besser und kostengünstiger als Neuanschaffungen – in der Vergangenheit wurde brauchbares Gerät ans Ausland verschenkt.

Ideen von erfahrenen Soldaten sollten überdacht und nicht über fünf langwierige Instanzen im Nichts verschwinden. Damit würde die Motivation gefördert, auf finanzielle Mittel und Materialbestand zu achten.

 

 

 

Der Gau und die Folgen[35]

 

 

Unter dieser Überschrift fand ich einen Artikel des Kommandeurs einer fliegenden Abteilung. Er berichtet darin über seine Gefühle, als er vom Absturz einer Maschine erfuhr, bei der es vier Tote gab. Mich beeindruckt der Mut des Kommandeurs, diesen Beitrag zu veröffentlichen, obwohl es einen „Maulkorb“ für Soldaten gibt. Mit großer Hoffnung nahm ich Kontakt zu dem Kommandeur auf, diesen Bericht für mein Buch übernehmen zu dürfen. Anfänglich schien meine Bitte zur Übernahme erfolgversprechend. Doch einen Tag später erhielt ich folgenden Brief:

 

 

Sehr geehrte Frau Christ,

 

leider muß ich Ihnen mitteilen, daß ich den Artikel „Der Gau und seine Folgen“ nicht zur Veröffentlichung, so wie von Ihnen gewünscht, freigebe.

Tatsächlich ist die Resonanz auf diesen Artikel bislang bereits recht vielfältig und – aus den entsprechenden Ebenen heraus – ausgesprochen zustimmend. Selbstverständlich verfolge ich damit auch sehr bewußt eine gewisse Absicht; und dies im Zuge einer nicht risikolosen Gratwanderung. Eine Veröffentlichung „mit freundlicher Genehmigung des Autors“ in der nicht von der Bundeswehr autorisierten Publikation wird die Ernsthaftigkeit dieser Absicht in Frage stellen, weil es spätestens dann – so meine tiefgreifende Erfahrung – nur noch um die Form (die dann heißen wird „Nestbeschmutzung“) und nicht mehr um den Inhalt gehen wird. Bislang habe ich die Gelegenheit, bei einem relativ hohen Aufmerksamkeitspegel anderer, inhaltlich an Veränderungen zu arbeiten, und diese Möglichkeit will ich mir in jedem Fall erhalten.

Ich hoffe auf Ihr Verständnis für meine Entscheidung und verbleibe

 

mit freundlichen Grüßen

 

Oberstleutnant ...

 

 

Hierauf schrieb ich dem Verteidigungsministerium:

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

als Autorin arbeite ich an einem kritischen Manuskript über die Bundeswehr, das System und über die deutschen Soldaten. Das Buch soll keineswegs einen Schaden verursachen, sondern die Leser über die wahre Lage der Bundeswehr informieren. Ich möchte als Bürger dazu beitragen, auf ein System zu verweisen, das nicht nur den Soldaten große Probleme schafft, sondern auch national Sorge bereitet und international belächelt wird. Wie überall gibt es Negatives und Positives zu berichten. Und meine Informationen erhalte ich auch direkt aus Reihen der Bundeswehr sowie von Betroffenen und Geschäftsleuten, die direkt mit der Bundeswehr zusammenarbeiten. Ich verfüge zwischenzeitlich über eine Ansammlung von internen Schriftstücken und Berichten, die mich sehr betroffen machen. Oft zeige ich Gegebenheiten auf und beende diese mit einem großen Fragezeichen.

Alles, was ich schreibe, kann ich belegen und beweisen, um mich als Autorin selbst zu schützen.

Was mich und auch meine Leser bestimmt am meisten bela­stet, ist die große Angst der Soldaten, die, mit einem „Maul­korb“ versehen, viele Probleme erkennen, mit Unmut re­­agieren, ihren Zweifel zum Ausdruck bringen, aber, sich selbst zu schützen, bittend flehen, die Wahrheit nicht zu Pa­pier zu bringen oder vor allem ihre Namen nicht zu nennen.

So auch im Fall eines Kommandeurs, welcher einen Bericht veröffentlichte, der mir sehr naheging.

Als ich ... die Bitte äußerte, diesen Beitrag für mein Buch zu übernehmen, war eine anfänglich positive Reaktion ganz schnell in eine angstvolle Absage übergegangen. Diese Situation ist mir nicht nur einmal in den vergangenen Jahren zuteil geworden. Alle Soldaten, die ich befrage, die mit mir stundenlange Gespräche führen, sind mit „Leib und Seele“ Soldat. Mit immer gleichen Problemen resignieren sie nach mehreren Jahren im Dienste der deutschen Regierung und bezweifeln ihren Berufsstand in einem verwaschenen, faulen System.

Auf Anfrage erhielt ich ein Schreiben des Kommandeurs mit folgendem Satz: Eine Veröffentlichung „mit freundlicher Genehmigung des Autors“, in einer nicht von der Bundeswehr autorisierten Publikation, wird die Ernsthaftigkeit dieser Absicht in Frage stellen, weil es spätestens dann – so meine tiefgreifende Erfahrung – nur noch um die Form (die dann heißen wird „Nestbeschmutzer“) und nicht mehr um den Inhalt gehen wird.

Es ist sehr schade, daß die Realität, die Angst und die großen internen Probleme nicht an die Bevölkerung weitergegeben werden, die sicherlich Reaktionen zeigen und zu einer Verbesserung beitragen könnte.

Ich habe kein Recht, den Bericht ohne die Unterstützung des Kommandeurs in mein Buch zu übertragen, aber ich habe das Recht zu zitieren, den Beitrag zu erwähnen und auf ihn hinzuweisen, was ich tun werde. Zudem werde ich dieses „Angstschreiben“ mit der Absage in mein Buch einbinden, was bestimmt keinen positiven Effekt ergibt. Ich möchte keine persönlichen Angriffe wagen, möchte niemandem schaden, vor allem nicht den Menschen, die m.E. Respekt und Achtung verdienen, nämlich den Soldaten. Was ich möchte, ist, ... ein System darstellen, welches umgehend einer großen Reform und damit sichtlicher Veränderungen bedarf.

Ich spreche vielen Bürgern meines Landes aus der Seele und möchte nicht mehr mit ansehen, daß wirtschaftliche Aspekte, mißwirtschaftliche Geschäfte im Mittelpunkt der Deutschen Bundeswehr stehen, ich möchte das, was in unserem Grundgesetz verankert ist: Der Mensch ist Mittelpunkt!

 

Ich bitte Sie von ganzem Herzen, mir zu der Situation „Soldat mit Maulkorb“ eine Stellungnahme zu unterbreiten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Eva Christ

 

 

Ich erwartete keine Antwort, habe sie auch bis heute nicht bekommen.

 

Zu dem überaus sachlich und ehrlichen Beitrag des Kommandeurs. Ich zitiere:

 

 

„Habt ihr die Angehörigen informiert?“

„Derzeit noch nicht.“

Wer sind eigentlich die Angehörigen des Hptm A., und in diesem Moment spulte sich vor meinen Augen ein 10-Sekunden-Ausschnitt aus einem uralten Schwarz-Weiß- Ausbildungsfilm aus dem Bereich der inneren Führung ab, wo ein Kompaniechef seinen Spieß fragte: „Was wissen wir schon über das Leben unserer Soldaten?“

 

...

 

Überprüfung der Generalflugsicherheit der Bw: Ich freue mich darauf, und das ist Ernst gemeint – denn hier pulst das Leben:

●Verfügbarkeit von Führungspersonal auf Dienstposten: katastrophal; genauso bei den Einsatzpiloten;

●Kontinuierliche Aus- und Weiterbildung nahezu unmöglich, eben aufgrund der katastrophalen Verfügbarkeit;

●Flugstunden Führungspersonal: viel zu wenig – eben weil zu selten auf Dienstposten;

●Abstellungen und Nebenfunktionen: seitenlange Listen und

●schließlich die faszinierende Aussicht, auf nicht absehbare Zeit ununterbrochen Männer im Auslandseinsatz zu wissen: entweder bei SFOR oder bei KFOR.

 

Nun kennen wir auch alle unsere Notverfahren zu 100 %. Das Nagen in mir kommt eigentlich nur zu einem Ergebnis: Ich habe keinen Mann verloren, weil

● ein Fahrzeug vom Bediener feststellbare Mängel aufweist

● die Kontrolle des Verbandskastens auf dem Flur im letzten Quartal unterblieben ist und das wiederum nicht im Zuge der Dienstaufsicht festgestellt wurde oder

● eine PERFIS-Eintragung[36] fehlerhaft war.

Ich habe einen Mann verloren und trage irgendwo auch die Mitverantwortung für den Tod von drei weiteren Bundeswehrangehörigen, weil

● die mit dem Kernauftrag eines fliegenden Verbandes (nämlich dem Fliegen) eng zusammenhängenden Konsequenzen, eigentlich kaum noch jemanden so richtig zu interessieren scheinen, Hauptsache, der Auftrag wird erfüllt und die Vorgaben zur Offiziersweiterbildung werden eingehalten,

● das Kontrollsystem der fliegerischen Auftragserteilung und Dienstaufsicht hier möglicherweise versagt hat und

● ich das alles nicht rechtzeitig gesehen und gegengesteuert habe.

 

Im zweiten Halbjahr werde ich meinen Verband kaum zu Gesicht bekommen: Jahresurlaub, nach über zehn Jahren endlich mal wieder eine Kur (schon nagt es wieder: Kannst du dir das eigentlich überhaupt erlauben?), Vorbereitung auf meinen SFOR- Einsatz im nächsten Jahr. Ach ja, und da ist noch etwas mit meiner „Zweitfunktion“ als fliegerischer Vorgesetzter und „Chef- Standardisierer“ in meinem Verband:

Sea Survival ist abgelaufen (mußte nämlich wegen des besagten Generalbesuches verlegt werden), in den Simulator und fliegen muß ich auch noch, denn ich will ja auch noch meine während meiner vorherigen Verwendung in einem höheren Stab ruhende Berechtigung FLB[37] und EX wiedererlangen und das Fliegen unter BIV kenne ich auch nur vom Hörensagen usw. usw.

 

Fazit 1: Ich habe ein völlig falsches Zeitmanagement!

Fazit 2: Unser Koordinatensystem ist zu unseren Ungunsten verschoben, die Grenze der Belastung des fliegenden Personals einschließlich – und davon redet man eigentlich nicht gerne – des Führungspersonals ist überschritten. Wir müssen zurück, uns erneut auf unseren fliegerischen Kernauftrag besinnen.

Back to the basics. Das hat mich der Tod des Hptm. A. gelehrt.

 

 

Viele Kommandeure, viele Führungskräfte kennen die schlech­ten Voraussetzungen und sind zum Schweigen verpflichtet. Viele halten sich zurück und leiden innerlich, aus Angst vor einem Verfahren, aus Angst vor ihrem Arbeitgeber, aus Angst vor ihrer eigenen Regierung.

Großen Respekt und alle Achtung den Führungskräften und Kommandeuren, die den Mut haben, selbst viel zu riskieren, um Kameraden zu schützen! Hierzu nicht nur meine Hochachtung, Herr Kommandeur, sondern auch die Anerkennung vieler Soldaten.

 

 

 

Absturz der CH 53 in Kabul

 

 

Wir erfahren wenig über die Einsätze in Kabul. Vor allem er­fahren wir nicht die Wahrheit über Unfälle und Angriffe in Afghanistan, bei denen Soldaten ums Leben kommen. Doch wie ein Schlag traf uns alle die Nachricht des Absturzes der CH 53 am 21.12.02 in Kabul.

Mir schossen tausend Fragen durch den Kopf. Noch vor wenigen Wochen beschrieb ich Mängel und Materialprobleme bei der CH 53. Sollte es einen Zusammenhang geben?

Bereits am 23.12.03, obwohl es zu diesem Zeitpunkt unmöglich war, genauere Angaben durch Überprüfung der Unfallursache zu machen, gab es bereits sogenannte konkrete Anhaltspunkte für technisches Versagen. So schrieb die Presse:

Die Bundeswehr hat erste konkrete Anhaltspunkte für technisches Versagen als Ursache für den tödlichen Hubschrauberabsturz in Kabul am Samstag. „Es verdichten sich Hinweise auf ein technisches Problem im Antrieb des Hauptrotors“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin am Montag. Bei dem Absturz waren sieben Bundeswehrsoldaten getötet worden.

Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) hat einen Angriff als Ursache ausgeschlossen.

 

Ich habe Fotos von der CH 53 kurz nach dem Unfall. Ich habe auch Fotos der total zerstörten Maschine. Mir ist unverständlich, wie ein Verteidigungsminister zwei Tage nach dem Unfall einen Angriff ausschließen kann? Ebenso schleierhaft ist es, anhand der teils ausgebrannten und teils zerschellten Maschine, die niemals in so kurzer Zeit genau untersucht werden konnte, Aussagen oder Spekulationen über die Unfallursache bekanntzugeben.

Sicherlich hat die Flugsicherheitsinspektion sofort nach Eintreffen in Kabul lautstark verbreitet, ein Beschuß sei ausgeschlossen, aber kaum ein Soldat vor Ort hat einen Beschuß tatsächlich ausgeschlossen.

Wer schenkt einer solch übereilten Aussage eines Verteidigungsministers Glauben?

Es ist überall bekannt, daß die CH 53 von der US-Armee bereits während des Vietnamkrieges eingesetzt worden ist. In Vietnam kam es zu hohen Verlusten an diesen Hubschraubern, bedingt durch die Tatsache, daß die CH 53 nicht nur mit Raketen, sondern auch mit Gewehren zu treffen und zum Absturz zu bringen ist.

Könnte dies nicht auch in Kabul der Fall gewesen sein?

Warum wurde von vornherein ein Beschuß ausgeschlossen?

 

Am 19.01.03 wurde ein Wartungsfehler als Ursache angenommen. Eine falsch montierte Schraube habe möglicherweise den Absturz herbeigeführt.

Ich erinnerte mich genau an die Gespräche mit Technikern der CH 53. Nun verschaffte ich mir erneut Informationen in zwei Regimentern. Unabhängig voneinander erhielt ich genauere Angaben.

 

Inhaltliche Wiedergabe einer möglichen Unfallursache:

 

Die CH 53 G verfügt über zwei Triebwerke, die das Rotorsystem (Haupt- und Heckrotor) über ein Hauptgetriebe antreiben.

Die Triebwerke sind links bzw. rechts oberhalb des Laderaums und hinter dem Cockpit eingebaut. Das mittig, im Schwerpunkt des Hubschraubers, oben eingebaute Hauptgetriebe wird pro Triebwerk (insgesamt zwei Triebwerke) über eine Welle angetrieben. Mit ca. 6000 Umdrehungen/min wird somit die Kraft der Antriebsturbinen auf das Hauptgetriebe übertragen.

Beide Wellen sind jeweils an den Hauptgetriebeeingängen und an den Triebwerken angeflanscht. Wegen der hohen Drehzahlen dürfen für die Befestigungen der Wellen nur sogenannte Befestigungspakete, die einer genauen Toleranz unterliegen, verwendet werden. Ein Befestigungspaket enthalt zwei Federpakete und zwölf Bolzen mit entsprechenden „selbstsichernden Muttern“. Für jede Welle sind wegen des Zwischenlagers also insgesamt drei Befestigungspakete erforderlich. Wegen der möglichen thermischen Belastung an den Befestigungen dürfen keine selbstsichernden Muttern mit Kunststoffeinsatz verwendet werden. Der Reibewert dieser „selbstsichernden Muttern“ wird durch ein Spezialverfahren bei der Herstellung (Aufbringen einer sog. Kadmiumbeschichtung) er­zielt.

Für den Lufttransport der CH 53 nach Afghanistan wurden spezielle Air -carrier „Antonow“ eingesetzt. Für diese Transporte war es erforderlich, u.a. auch diese Befestigungspakete zu lösen und dort vor Ort wieder zu montieren.

Eine kurz nach dem Unglück vorgetragene spekulative Unfallursache:

 

Auf der Antriebswelle des rechten Triebwerks seien die deutlichen Abdrücke der Gewindegänge eines Befestigungsbolzens gefunden worden. Die Länge des Abdrucks deute darauf hin, daß sich zuvor die sogenannte selbstsichernde Mutter gelöst haben müsse.

Bei einem evtl. Bruch des Bolzens und Haltens der Mutter, sei durch das Abdecken des Gewindeanteils des Bolzenrestes durch die Mutter ein Abdruck an der Antriebswelle, wie vorgefunden, nicht möglich gewesen.

Diese sensiblen Befestigungen werden durch entsprechendes Fachpersonal mit sogenannten Torqueschlüsseln mit einem vorgeschriebenen Torquewert festgezogen. Die geringe Toleranz dieser Werkzeuge garantiert ein genaues Anzugsmoment (d.h. die Schrauben sind fest) und verhindern andererseits einen zu starken Anzugsmoment (Überlastung/Abreißen der Schraube).

Alle durchgeführten Arbeiten dieser Art an einem Hubschrauber der Bundeswehr werden in mehreren Instanzen geprüft und abgenommen.

Nach dem Unfall wurde im Rahmen einer VTA[38] bei allen CH 53 Verbänden die Überprüfung sämtlicher Befestigungen dieser Art veranlaßt. Das Ergebnis nur eines Regiments ergab, daß von ca. 150 überprüften Bolzen und Muttern zum Teil mehr als die Hälfte außerhalb der zulässigen Toleranz lagen.

Teilweise wiesen die „selbstsichernden Muttern“ überhaupt keinen Reibewert mehr auf und konnten wie eine normale Mutter ganz leicht von Hand auf dem Gewindegang des Bolzens bewegt werden.

Da die wenigen Torqueschlüssel, die den Verbänden zur Verfügung standen, auch aufgrund der umständlichen Handhabung (veraltet) die Arbeiten zu zeitaufwendig erscheinen ließ, wurden im Rahmen dieser umfangreichen Überprüfungsarbeiten besondere Bemühungen unternommen, zusätzliches Werkzeug anzufordern, um die Arbeiten beschleunigen zu können, z.B.

- Beschaffung von 8 Torqueschlüsseln, die seit 1982 in einem Bw-Depot schlummerten. Alle beschafften Torqueschlüssel wurden vor dem Einsatz in der Kalibrierungsstelle des Verbandes überprüft und beanstandet. Alle außerhalb der zulässigen Toleranzen!

- Dezentrale Beschaffung eines modernen GEDORE-Tor­que­schlüssels. Nach Überprüfung durch die Kalibrierungsstelle waren diese ebenfalls außerhalb der zulässigen Toleranzen!!! Jetzt wurde die Kalibrierungsstelle des Verbandes überprüft, wobei festgestellt wurde, daß diese außerhalb der zulässigen Toleranzen liegt. Maßnahme: Die Torqueschlüssel wurden zur Kalibrierung zu Kalibrierungseinrichtungen von anderen Verbänden gegeben.

In Gesprächen mit Technikern wurde mir mitgeteilt, daß es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sei, daß man selbstsichernde Muttern nur einmal verwendet. Ebenso wurde mir mitgeteilt, daß bei einer Überprüfung der CH 53-Verbände vor Jahren auffiel, daß nur ein Verband dies auch so praktiziert und somit überproportional viele Befestigungspakete verbraucht. Dies wurde beanstandet und abgestellt (1998).

Der eigentliche Sinn einer „selbstsichernden“ Mutter kommt dann zum Tragen, wenn der Anzugsmoment nicht hoch genug ist und sich die Mutter durch thermische oder physikalische Einflüsse lockern kann. Der Reibewert/ Klemm­wir­kung der Mutter, auch wenn diese nicht festgezogen ist, sollte eine Bewegung/Drehung auf dem Gewindegang einer Schraube/Bolzen unmöglich machen. Genau dies war aber bei den meisten Maschinen nicht der Fall. An den CH 53 wurden von 150 über die Hälfte reklamiert. Bis auf eine CH 53 haben mindestens 26 von 150 Muttern Mängel gezeigt.

In der Schwäbischen Zeitung vom Januar 2003 wurde mitgeteilt, daß die technische Überprüfung keine Mängel ergeben habe.

Das ist die Unwahrheit.

Sollte sich bei dem Unglückshubschrauber eine dieser Muttern gelöst haben und durch die fehlende Eigenschaft („selbstsichernd“) den Gewindegang verlassen haben, ist es durchaus möglich, daß der Bolzen ebenfalls herausrutschen konnte. Mit der kinetischen Energie von 6000 U/min und der gleichzeitigen Unwucht durch den fehlenden Bolzen ist es durchaus denkbar, daß die Antriebswelle zerstört wurde und abriß. Im direkten Schlagbereich der dann abgerissenen Welle liegt das hochsensible Steuergestänge der CH 53. Somit ergäbe sich aber folgende Schlußfolgerung:

– Trotz des hohen Alter des Waffensystems liegt hier keine erkennbare Ursache

 

Mögliche Ursache:

– Fertigungsfehler oder

– Kommunikationsfehler zwischen Hersteller und Nutzer (ein­ma­lige Verwendung)

– oder/und wirtschaftliche Gründe

 

Wurde ein Hinweis auf Führungsebene an andere Verbände und Einheiten, die gegebenenfalls gleiches oder ähnliches Befestigungsmaterial, womöglich vom selben Hersteller, verwenden, gegeben?

 

Mir erscheint alles wie ein schlechter Traum. Werden solche Mängel verschwiegen, vertuscht und geheimgehalten, gefährdet man weiterhin die Soldaten – und auch Zivilisten.

Ich kannte zwei der Soldaten, die am 21.12.02 in Kabul zu Tode kamen. Zudem kenne ich genügend Soldaten, die mit großem Einsatz im Dienste des Deutschen Staates tätig sind. Wie will ich aber, ohne über die Wahrheit zu sprechen, verhindern, daß diese Menschen gefährdet werden?

Für mich stand fest, daß Mängel wie die beschriebenen Investitionslücken Menschenleben aufs Spiel setzen. Hat es das Verteidigungsministerium nicht erahnen können? Oder war vielleicht der bürokratische Weg zu lang? Hatte die Post das Verteidigungsministerium nicht erreicht, hatte keiner Zeit zu lesen?

Die Regierung muß sich umgehend informieren und reagieren. Es liegt vieles im argen!

Techniker der Heeresflieger haben mir bereits vor einigen Jahren erzählt, was sich im Bereich Wartung abspielt. Zahnräder und Muttern, die eindeutige Verschleißspuren zeigten, wurden wie vieles andere an die VEBEG[39] übertragen. Als neue Zahnräder, verpackt und mit Zusatzkarte vom Materialamt, geliefert wurden, stellten die Techniker fest, daß es sich um gebrauchte Zahnräder und Materialien handelte. Techniker reklamierten beim Luftwaffenmaterialkommandeur. Sie bekamen folgende Antwort:

 

 

Die mit Bezug dargestellte Problematik ist dem Luftwaffenmaterialkommando bekannt und wird hier unter dem Stichwort ZK-J-Problematik bearbeitet.

Lösungen mit Handlungssicherheit für die Truppe werden zur Zeit erarbeitet und in absehbarer Zeit veröffentlicht.

Bei der ET-Versorgung gelten alle Qualitätsanforderungen unverändert. Hierbei spielen betriebswirtschaftliche Erwägun­gen zu Lasten der Flugsicherheit der Qualität der Ersatzteile keine Rolle.

Allerdings werden auf Anforderung u.U. gebrauchte Teile ge­liefert oder Artikel von „alternativen“ Herstellern, weil die „Originale“ nicht mehr lieferbar sind.

 

 

Sollte, wie ich erwarte, weiterhin behauptet werden, menschliches Versagen habe zum Absturz in Kabul geführt, muß die Öffentlichkeit entsprechend aufgeklärt werden. Der Verteidigungsminister hat gegenüber den Soldaten Pflichten, und die hat er vorrangig wahrzunehmen.

 

 

 

Bundeswehr und Wehrdienst als Verfassungsproblem

 

 

Prof. Dr. Dieter S. Lutz ist Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Der vorliegende Text wurde stark gekürzt in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Autors darf ich diesen verwenden. Sein Inhalt hat mich sehr beeindruckt. Auch ich bin überzeugt, daß Politiker und das Verteidigungsministerium Gesetze so interpretieren, daß diese ihren Sinn und Inhalt verlieren.

 

 

Bundeswehr und Wehrpflicht als Verfassungsproblem

 

...Bundeswehr und Wehrpflicht (sind) im Zuge der Verfassungsnovellen von 1954 und 1956 lediglich als „Kann-Bestimmungen“ im Grundsatz verankert worden. Dies wird insbesondere bei Art. 87a Abs.1 GG deutlich: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung.“

Mit dieser – nicht im imperativ formulierten – Aussage wollte der Verfassungsgeber klarstellen, daß ausschließlich dem Bund das Recht zusteht, Streitkräfte zur Verteidigung aufzustellen (Exekutivkompetenz); es gibt auf diesem Gebiet keine Zuständigkeit der Länder. Art. 87a Abs. 1 GG ist deshalb auch nicht zufällig in Kapitel VIII des Grundgesetzes mit der Überschrift „Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung“ verankert. Die Norm stellt vielmehr – verfassungssystematisch zutreffend – die Kompetenzergänzung der Gesetzgebung für das Verteidigungswesen, das dem Bund zukommt, dar.

Vorschriften über Zuständigkeiten bzw. für Abgrenzungen von Zuständigkeiten, wie sie sich aus dem Wortlaut des Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 73 Abs. 1 GG ergeben, enthalten lediglich eine Befugnis – etwa zur Gesetzgebung –, nicht aber eine Verpflichtung. Die Notwendigkeit solcher Zu­ständigkeitszuweisungen an den Bund ergibt sich aus den Grundgesetznormen Art. 30 und Art. 70. Diese beiden Normen weisen die „Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben“ den Ländern zu, falls nicht das Grundgesetz „eine andere Regelung trifft oder zuläßt“. Zwar hat jede Zuständigkeitsabgrenzung auch eine gewisse materiell-rechtliche Wirkung: Wird zum Beispiel von „Wehrpflicht“ gesprochen, so darf damit davon ausgegangen werden, daß eine Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes nach der Verfassung „zulässig“ ist – mehr aber auch nicht! Bloße Kompetenzräume, also von der Verfassung eröffnete Handlungsmöglichkeiten, können auch gesetzesfrei und un­aus­gefüllt bleiben.

Stellt aber Art. 87 Abs. 1 GG ausschließlich die Regelung der Zuständigkeit (Exekutivkompetenz) dar, so begründet diese Norm eine bloße Ermächtigung an den Bund, nicht jedoch eine Pflicht (Verfassungsauftrag), schon gar nicht ein „Grundrecht“, dem notwendigerweise die Wehrpflicht mit dem Charakter einer „Grundpflicht“ gegenüberstehen müßte.

Diese Schlußfolgerung aus der Exegese von Art. 87a Abs. 1 GG wird bestätigt durch den Wortlaut von Art. 12 a Abs. 1 GG selbst, ferner durch de systematische Stellung dieser Norm im Gefüge des Grundgesetzes sowie durch die historischen Motive des Parlamentarischen Rates bzw. durch die Entstehungsgeschichte der Wehrpflichtnorm im Rahmen des Grundgesetzes und seiner Novellierungen. Nochmals: Folgt man dem Wortlaut von Art. 12a 1 GG, so „können“ Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden. Diese Norm erklärt somit die Wehrpflicht, d.h. eine öffentliche Dienstpflicht gemäß dem Grundgesetz der Bundesrepublik für zulässig. Einen Imperativ setzt sie jedoch nicht. Art. 12 a 1 GG ist dem Wortlaut nach ebenfalls eine „Kann-Vorschrift“, nicht jedoch eine „Muß-Vorschrift“. Die Wehrpflicht des Grundgesetzes besitzt somit keinesfalls den Charakter einer „Grundpflicht“, sie ist vielmehr „lediglich“ eine Rechtspflicht, die erst durch die politischen Entscheidungsträger mit Leben gefüllt wird.

Im übrigen ergibt sich auch aus Wortlaut und Stellung des Art. 12 a 1 GG (Wehrpflicht und andere Dienstverpflichtungen) nichts anderes als die Feststellung des bloßen Ermächtigungscharakters dieser Norm („können verpflichtet werden“), sowie die rechtslogisch und gesetzessystematisch zutreffende Verankerung ihrer Aussage: daß nämlich die Wehrpflicht eine klare Ausnahme von der grundsätzlichen Berufs- und Arbeitsorganisation (ILO) darstellt. Im Übereinkommen Nr. 29 der ILO über Zwangs- und Pflichtarbeit vom 28. Juni 1930 verpflichten sich die ra­ti­fizierenden Staaten, „den Gebrauch der Zwangs- und Pflichtarbeiten in allen ihren Formen möglichst bald zu beseitigen“. Das Übereinkommen Nr. 105 der ILO über die Abschaffung der Zwangsarbeit vom 25. Juni 1957 verbietet darüber hinaus ausdrücklich eine auf wirtschaftlichen Gründen basierende Dienstpflicht („Zwangs- oder Pflicht­ar­beit...als Methode der Rekrutierung und Verwen­dung von Ar­beitskräften für Zwecke der wirtschaftlichen Entwicklung“).

Ist es aber richtig, daß die Wehrpflicht als eine in der Verfassung aufgenommene Ausnahme von der grund­sätzlichen Berufs- und Arbeitsfreiheit des Art. 12 1 GG anzusehen ist, so findet die verfassungsrechtlich zulässige Inanspruchnah­me der Pflicht durch den Staat dann ihre Grenzen, wenn die Gründe für die Ausnahe entfallen, d. h. wenn die Inanspruch­nahme der Wehrpflicht durch den Staat nicht mehr er­forderlich ist. Die Gründe für die Existenz der Bundeswehr, für ihren Umfang und ihre Struktur sind aber sicherheits- und wehrpolitischer Natur. Präziser noch: Die Rechtfertigung für die Inanspruchnahme der Wehrpflicht durch den Staat unter Einschränkung der Grundrechte aus Art. 12 a 1 GG ergibt sich allein aus der Notwendigkeit einer (effektiven) Landesverteidigung. Dem damaligen Bundespräsidenten Roman Her­zog, zuvor Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, ist deshalb uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er aus An­laß des 40jährigen Bestehens der Bundeswehr die Frage auf­warf: „Wozu überhaupt Wehrpflicht?“ Um dann zu erklären: „Die vielfältigen Vorteile für Staat und Streitkräfte reichen aber meines Erachtens nicht als Begründung aus, ebenso wenig wie wolkige Rufe nach mehr Pflichtgefühl der jungen Leute.

Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, daß ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist also kein allgemeingültiges ewiges Prinzip, sondern sie ist auch abhängig von der konkreten Sicherheitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden kön­nen... Es ist vor allem die Landes- und Bündnisverteidigung und nicht die Beteiligung an internationalen Missionen, die Umfang und Struktur des Bundeswehr und die Beibehaltung der Wehrpflicht rechtfertigt.“

Ist die Fortführung der Wehrpflicht verfassungswidrig? Ist sie Unrecht?

Spätestens mit der veränderten wehrpolitischen Lage zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist also auch die Begründung für die Wehrpflicht als unabdingbare „Ausnahme“ von dem im Grundgesetz verankerten Freiheitsrecht entfallen. Ist so­mit die gegenwärtige Beibehaltung und Fortführung der Wehrpflicht verfassungswidrig?

Betont werden muß, daß in eine Lagebeurteilung stets politische und auch subjektiv gefärbte Einschätzungen und Wer­tungen mit einfließen. Die gilt insbesondere für Fragen der Sicherheitspolitik, d.h. für einen politischen Ge­stal­tungs­bereich, in dem die Risiken und Gefahren von morgen durch die Prävention von heute entscheidend gemindert, wenn nichts sogar beseitigt werden können. Grundsätzlich muß deshalb der Sicherheitspolitik ein breiter Ermessens- und Entscheidungsspielraum zugestanden werden. Hervorzuheben ist gleichwohl, daß es im vorliegenden Fall nicht um die – im übrigen zulässige – Abschaffung der Bundeswehr geht, sondern um die Veränderung des Charakters der Bundeswehr, weg von einer (ohnehin nur noch teilweisen) Wehrpflichtarmee hin zu einer Streitkraft, bestehend aus Freiwilligen bzw. Zeit- und Berufssoldaten. Wie die Lagebeurteilung zeigt, wie aber auch die entsprechenden Umstrukturierungsmaßnahmen bei den Streitkräften der meisten Nachbarn Deutschlands belegen, ist die Beibehaltung der Wehrpflicht keinesfalls mehr sicherheitspolitisch erforderlich.

Mit anderen Worten: Auch wenn sich die Wehrpflicht seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes 1989/90 noch wegen des angeführten Ermessungsspielraums für Jahre in einer Grauzone des „Noch-Verfassungsgemäßen“ bewegen konnte, so wurde jedoch in dem Maße, in dem sich die sicherheitspolitische Lagebeurteilung über ein Jahrzehnt hinweg Tag für Tag bestätigte, die Verfassungswidrigkeit der Fortführung der Wehrpflicht immer deutlicher erkennbar.

Ohne akademische Verschnörkelungen ausgesprochen heißt das: Es ist Unrecht!

Irgend jemand muß das endlich – so viele Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes auch einmal deutlich sagen. Es ist Unrecht, junge Menschen – ohne sicherheitspolitische Notwendigkeit – zu einem Zwangsdienst zu verpflichten. Es ist Unrecht, Menschen – zumal, wenn sie jung und im Aufbruch sind – ihrer Grund- und Freiheitsrechte zu berauben, sie aus ihrer Berufs- und Lebenswelt herauszureißen, sie in ihren Hoffnungen und Zukunftsperspektiven einzuschränken, möglicherweise sogar ihren Lebensweg grundlegend zu verändern.

Ist es zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirklich falsch, bei der Fortführung der Wehrpflicht an Unrecht zu Lasten der Wehr- und Zivildienstleistenden, vielleicht sogar an eine temporäre Variante moderner Sklaverei zu denken? Bundestag und Regierung wären jedenfalls gut beraten, die Fortführung der Wehrpflicht in Deutschland möglichst rasch auszusetzen.

 

 

Die Bundeswehr der Zukunft

 

Die Wehrpflicht und mit ihr die Bundeswehr in der ge­gen­wär­tigen Form sind Relikte längst vergangener Zeiten. Ihre Fortführung ist nur noch ideologisch begründbar (Demokratie und Wehrpflicht sind Kehrseiten einer Medaille). Ideologie aber ist der größte Feind von Modernisierung, Leistungsorientierung und Kosteneffizienz. Demokratische Staaten wie Frankreich, Großbritannien oder die USA haben deshalb bereits vor Jahren Grund­satz­entscheidungen für die Aufstellung von Freiwilligen- oder Berufsarmeen getroffen.

In der deutschen Diskussion – soweit es sie gibt – werden dagegen noch immer die Panzerschlachten der Vergangenheit angeführt.

Die Entscheidung für eine Freiwilligenstreitmacht ist längst überfällig. Sie muß unverzüglich getroffen werden. Durch das Aussetzen der Einberufung von Wehrpflichtigen für ein Jahr würden ca. 1,75 Milliarden Euro eingespart. In Kauf genommen werden muß kurzfristig allerdings eine unausgewogene Struktur. Die ist jedoch allein der Tatsache geschuldet, daß die Chance, Übergänge zu schaffen, seit Jahren verpaßt wurde. Unabdingbare, wenngleich schmerzhafte Einschnitte werden aber nicht erträglicher, wenn überfällige Entscheidungen immer wieder und wieder verschoben werden – im Gegenteil.

Wird die Wehrpflicht ausgesetzt, reduziert sich der Bestand der Bundeswehr auf den gegenwärtigen Stand von ca. 200.000 Freiwilligen und Berufssoldaten. Dieser Bestand reicht – rechnerisch betrachtet – für die künftigen Anforderungen an die Bundeswehr aus. So die Meinung von Experten.

Für Deutschland sind es Herausforderungen, Bedrohungen, Gefahren, Risiken, die sich nicht gegen das Land allein richten, sondern Deutschland als Mitglied eines Militärbündnisses (konkret: als Mitglied in der NATO und der WEU[40]) künftig vielleicht als Mitglied in einem regionalen System kollektiver Sicherheit in und für Europa betreffen. In dem Maße aber, in dem die kollektive Sicherheitsleistung eines Militärbündnisses oder eines Systems kollektiver Sicherheit an die Stelle der nationalen Sicherheitsvorsorge tritt, wird Abrüstung möglich. Darüber hinaus dürften in vielen Konfliktfällen weniger als 100.000 professionelle Soldaten ausreichen, auch, um einem erweiterten Aufgabenspektrum gerecht zu werden bzw. um die Normen der Völkergemeinschaft durchzusetzen (vgl. z.B. SFOR in Bosnien oder KFOR im Kosovo). Aber selbst im Hinblick auf die traditionelle Aufgabe der Landesverteidigung, die einen (derzeit wohl kaum möglichen) großangelegten Angriff gegen Deutschland einschließt, wird sich ein (im tra­di­tionellen Sinne) starkes Militärbündnis bzw. eine starke Europä­ische Sicherheitsgemeinschaft mit multinationalen Streitkräf­ten im Umfang von ca. zwei Millionen Soldaten begnügen können. Die derzeitigen Streitkräftezahlen in und für Europa gehen nicht nur erheblich über dieses Limit hinaus. Vielmehr ist auch kein Staat erkennbar (auch nicht Rußland), der – aus wel­chen Gründen auch immer – einen Krieg gegen Deutschland und seine Verbündeten mit Aussicht auf Erfolg führen könnte. Für Deutschland (und in ähnlicher Weise für alle an­deren europäischen Staaten) ist damit – endlich – die Chance zur Abrüstung sogar auf Kontingente jenseits eines Modells von 200.000 Soldaten bei einer erheblichen Reduzierung des Wehretats gegeben.

Geht man davon aus, daß Europa künftig eine gemeinsame Au­ßen- und Sicherheitspolitik betreiben wird, muß – ne­ben der Ab­schaffung der überdimensionierten Wehrpflichtarmee – das Konzept der parallelen Aufstellung nationaler Streitkräfte grundsätzlich überdacht werden. Das organisatorische und militärische Strukturgerüst eines eurokollektiven Sicherheitssystems, das modern, leistungsstark und gleichwohl schlank sein muß, verlangt neben der zumindest teilweisen Supranatio­na­lität der Streitkräfte und der Bildung gemischtnationaler Kontingente eine verstärkte Arbeitsteilung unter den Mitglieds­staaten der NATO, der Europäischen Union und gegebenenfalls auch der OSZE: Die arbeitsteilige Spezialisierung und Konzentration der Länder auf jeweils bestimmte Teilstreitkräfte, statt wie bisher auf gleichermaßen drei, legt Kapazitäten und Ressourcen frei, die im Verbund der Staaten für die qualifizierte und synergetische Ausbildung und Ausstattung der Soldaten einer modernen Armee insgesamt genutzt werden könnte.

Und last not least: Der zu erwartende Bedarf an Haushaltsmitteln beläuft sich bei einer Freiwilligenarmee von 200.000 Soldaten und Soldatinnen und bei einer angenommenen Investitionsquote von 25 Prozent auf ca. 19,5 Milliarden Euro, bei einer Investitionsquote von 30 Prozent auf ca. 21 Milliarden Euro (alle Angaben berechnet auf das Jahr 2003). Entgegen öffentlicher Falschmeldungen ist er also erheblich niedriger als der bisherige Ansatz.

Bleibt anschließend anzuführen, daß das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) im Herbst 1999 vor dem Hintergrund der auch im vorliegenden Beitrag aufgeworfenen Fragen und Überlegungen eine aus ca. 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Offizieren und Politikern zusammengesetzte Expertenkommission „Europäische Sicherheit und die Zukunft der Bundeswehr“ ins Leben gerufen hat. Ergebnisse der Kommissionsarbeit sind veröffentlicht u.a. in Heft 4/2001 der Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden (S+F) Nomos Verlag Baden-Baden. Zu den wichtigsten Empfehlungen der Kommission gehört u.a.:

1.             die unverzügliche Aussetzung der allgemeinen Wehr­­pflicht

2.             die Einführung eines Anreizsystems für die freiwillige Übernahme von öffentlichen Aufgaben

3.             die Reduzierung der deutschen Streitkräfte auf 200.000 Soldaten und Soldatinnen

4.             die vollständige Aufhebung der Unterteilung der Bundeswehr in Teilstreitkräfte

5.             der konsequente Abbau der Landesverteidigungskräfte und die Optimierung der Fähigkeiten und Strukturen der Bundeswehr auf ihre Eignung zu Kriseneinsätzen im OSZE-Raum

6.             die Beschränkung des Verteidigungshaushaltes auf ca. 21 Milliarden Euro

7.             die Verwendung eines Teils der freiwerdenden Haushaltsmittel für Instrumente der nichtmilitärischen Krisenprävention

8.             die Reduzierung der Umstrukturierung der Bundeswehr mit einem Bundeskonversionsprogramm unter Berufung eines Bundeskonversionsbeauftragten

9.             die zeitgemäße Weiterentwicklung und „Europäisierung“ der Konzeption der Inneren Führung

10.          eine nachdrückliche deutsche Initiative zum Aufbau ge­samteuropäischer Sicherheitsstrukturen, einschließlich der Überführung aller Einsatzkräfte in multinationale europäische Streitkräftestrukturen

 

 

 

Aufwachen statt schlafen und träumen

 

 

Für mich persönlich wären diese neuen Strukturen sinnvoll und mit vielen positiven Aspekten verbunden – nicht aber für das „Geschäft Bundeswehr“, bei dessen Rückgang Industrieunterneh­men in Deutschland betroffen wären, ebenso Politiker in Auf­sichts­rä­ten und Firmenvorständen, dazu pensionierte Ge­neräle, die sich in solchen Positionen zusätzliche Einnahmen verschaffen.

 

Politisch schwerwiegende Folgen hätte der Wegfall der Zivildienstleistenden, die als „billige Arbeitskräfte“ eingesetzt sind. Fallen diese jungen, billigen Arbeitskräfte weg, würde der Pflegedienst erheblich darunter leiden. Freilich könnte man auch die Arbeitslosigkeit reduzieren, indem man das Pflegepersonal angemessen entlohnt und auf diese Weise erreicht, daß sich wieder genügend Menschen finden, die bereit sind, Arbeiten in Krankenhäusern, Pflegeheimen und betroffenen Haushalten anzunehmen, zumal Pflegebedürftigen und Kranken weitaus besser geholfen werden könnte, wenn Fachpersonal die Fürsorge übernimmt – anstelle junger Menschen, die den Job notgedrungen und oft ohne genügende Kenntnisse, ohne Freude und Disziplin übernehmen.

Mit finanziellen Mitteln, die sinnvoll bei der Bundeswehr eingespart werden, könnte das Gesundheitswesen wesentlich verbessert werden.

Das System der Bundeswehr in seiner gegenwärtigen Form produziert und provoziert viel Sinnlosigkeit und Verschwendung. Bleiben die verantwortlichen Politiker untätig, wird die Bundeswehr ihren notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung völlig verlieren und nicht mehr lange zu halten sein.

Die einschlägigen Erkenntnisse von Instituten wie dem der Friedensforschung und Sicherheitspolitik dürfen nicht länger ignoriert werden.

Ohne persönliches Engagement möglichst vieler Bürger unsres Landes werden kaum durchgreifende Änderungen erreicht werden – die Politiker erweisen sich  entweder – aus welchen Gründen auch immer – als untätig oder als unfähig, unsere Landesverteidigung angemessen und kostengünstig zu organisieren, und versuchen dies, von der Wirtschaft unterstützt, durch lancierte Medienbeiträge zu verschleiern. Die logische Folge ist die Zunahme erheblicher Probleme. Größere Aufmerksamkeit der Gesellschaft dürfte den notwendigen Stein ins Rollen bringen...

 

 

Von einen Freund, Hubertus Grolman, ehemaliger Offizier der Luftwaffe, erhielt ich durch eine Broschüre Einblick in eine Problematik, die 1973 begann und bis heute aktuell ist:

 

 

 

Die Petition

 

 

Bereits in den siebziger und achtziger Jahren versuchten mehrere Luftwaffen-Offiziere, schwerwiegende Pflichtverletzungen der politischen und militärischen Führung im Fürsorgebereich öffentlich zu machen. Gleichzeitig unternahmen sie den Ver­such, diese durch die Einreichung einer entsprechenden Pe­tition an den Bundestag zu korrigieren. Es handelte sich dabei um Major Klaus Langer, Major Dieter Bartholomes, Major Ernst Pospisch und Major Karl-Heinz Hofmann.

Nachdem Major Langer am 23.03.76 mit einer RF 4 tödlich verunglückte, übernahm Major Dieter Bartholomes die Aufgabe, das Ziel weiterzuverfolgen.

Zu besserem Verständnis wird an dieser Stelle die Petition der Offiziere im Wortlaut wiedergegeben:

 

 

Petition zu den tätigkeitsbezogenen Zulagen der Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge der Bun­deswehr und zur Versorgung von Berufsoffizieren mit der besonderen Altersgrenze von 40 Jahren (BO 40)

 

 

An den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages

 

Diese Petition ist eine Bitte im Sinne des Artikels 17 Grundgesetz, unter Berücksichtigung des Artikels 17 a Grundgesetz. Sie basiert auf der Tatsache der einseitigen Benachteiligung nach Artikel 3 Grundgesetz über einen Zeitraum von 18 Jahren, unter Nichtbeachtung des § 10 (6) und § 31 und Verstoß gegen § 1 (1) des Soldatengesetzes und wird in der Erwartung der Abhilfe vorgelegt.

Eine Nation und ihre Lebensform werden nicht von Automaten verteidigt, sondern von denkenden, fühlenden Menschen, die den Willen und die Bereitschaft zur Verteidigung haben müssen. Die speziell der den Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge gegebene Notwendigkeit, schon im Frieden eine Höchstzahl schwerer Opfer bringen zu müssen, muß sich aus der Gewißheit ergeben, daß diese Op­fer im Sine des Grundsatzes zur Erhaltung der Lebensform unserer Nation gerechtfertigt sind.

Als Flugzeugführer der Besatzung einer RF 4 Phantom gehöre ich zu dem kleinen, nach strengen gesundheitlichen Maßstäben ausgelesenen, leistungsfähigen, mit hohen Kosten ausgebildeten Personenkreis, von dem der Dienstherr höchste Opfer und Leistungsbereitschaft fordert, um durch die fliegerischen Einsätze absolut erfolgsentscheidende Kampf­kraft im Sinne der NATO-Strategie optimal bereitzuhalten.

Es wird von mir – und nicht nur von mir – verlangt und erwartet, daß ich in den unüberwachbaren Phasen der Einsätze als Einzelkämpfer den vielfältigen Versuchungen widerstehe, den an der physischen Leistungsgrenze liegenden Be­lastungen und dem an der psychischen Grenze des Zumutbaren liegenden Risiko der Einsätze auszuweichen. Dies bedarf eines hohen Maßes an positiver Motivation, die in un­se­rer Leistungsgesellschaft dauerhaft nur durch eine spezial wirksam verdeutlichte Anerkennung dieser herausgehobenen Tätigkeit durch den Dienstherren erhalten werden kann.

Dieser Erkenntnis wurde 1958 mit Einführung der Fliegerzulage Rechnung getragen, Gewährungsmodus und Höhe be­deuteten 1958 tatsächlich einen wirksamen Ausgleich für Mehraufwendungen, die durch den fliegerischen Einsatz mit seinen besonderen körperlichen und nervlichen Belastungen bedingt und zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit erforderlich waren. (VMBL[41] 1958, Seite 530)

 

 

1. Entwicklung der Fliegerzulage und des Tätigkeitskataloges für Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge

 

a) Entwicklung der Fliegerzulage

 

Die Höhe der Fliegerzulage wurde 1958 für Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge auf 350,- DM monatlich festgelegt. Trotz der auch damals schon ständig steigenden Le­bensunterhaltungskosten wurde mit VMBL 1963, Seite 510, eine Kürzung auf 300 DM monatlich durchgesetzt, was zu erheblichen Protesten führte. Diese Proteste wurden ignoriert; Abhilfe wurde nicht geschaffen. Seither hat sich an der Höhe der Fliegerzulage nichts mehr geändert.

 

Auf der Höhe der Starfighterkrise sah sich der Dienstherr von sich aus veranlaßt, eine steuerpflichtige Stellenzulage für Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge in Hö­he von 250,- DM monatlich zu gewähren (VMBL 1967, Seite 68). Diese Stellenzulage ist eine von vielen im Zulagewesen der Bundeswehr und liegt in der Höhe erheblich unter anderen (z.B. Ministerialzulage und auch Flugsicherheitszulage)

Um eine qualifizierte Aussage über die heutige Kaufkraft mei­ner Aufwandsentschädigungen (Fliegerzulage) zu erhalten, wandte ich mich am 03.01.1974 an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, das feststellte, daß die Fliegerzulage seit 1958 weit hinter den Preisen für die Lebenshaltung zurückgeblieben sei.

Die Entwicklung der Aufwandsentschädigung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Herausgeber: Regierungs­direktor Helmut Koch, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages) machte dies in einer Gegenüberstellung besonders deutlich.

 

Zeitraum      Bundestagsabgeordnete   Besatzungen strah                               

                                                              lengetriebener

                                                              Kampfflugzeuge

 

01.04.1956   1.100,00 DM                (01.08.1958) 350,00 DM

01.06.1960   1.170,00 DM             

01.01.1963   1.270,00 DM             

01.03.1963   1.360,00 DM                (01.09.1963) 300,00 DM

01.10.1964   1.470,00 DM             

01.01.1966   1.530,00 DM             

01.10.1966   1.590,00 DM             

01.01.1968   2.360,00 DM             

01.07.1968   2.450,00 DM             

01.04.1969   2.570,00 DM                (01.01.1969) 300,00 DM

01.01.1970   2.770,00 DM             

01.01.1971   2.970,00 DM             

01.01.1972   3.090.00 DM             

01.01.1973   3.270,00 DM             

01.01.1974   3.619,70 DM                (01.01.1974) 300,00 DM

 

 

Ich gehe davon aus, daß sich die Höhe bei der Aufwandsentschädigung der Bundestagsabgeordneten, im Einzelfall begründet, aus der Notwendigkeit der Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt. Bei Anwendung des gleichen Maßstabes müßte meine Fliegerzulage per 01.01.1973 1.526 DM netto monatlich betragen haben.

Ich wurde wiederholt davor gewarnt, den Vergleich mit den Aufwandsentschädigungen der Bundestagsabgeordneten zu führen, um diese nicht zu verärgern und damit negative Einflüsse auf die weitere Bearbeitung meiner Petition hervorzurufen. Ich bin sicher, daß die bereits vorhandenen Kenntnisse über die Notwendigkeit der ständigen Anpassungen der eigenen Aufwandsentschädigungen im Zeitraum der letzten 18 Jahre bei den Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Entscheidungsprozeß über die Notwendigkeit der Anpassung der Flieger/Stellenzulage der Besatzungen strah­l­engetriebener Kampfflugzeuge erheblich erleichtern und verkürzen wird.

 

 

b) Wandlung des Tätigkeitskataloges für Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge.

 

Moderne Waffensysteme sind der ständigen technologischen Entwicklung, die spezifischen Aufgaben des fliegenden Personals dem Wandel der strategischen und operativen Konzeption „unterworfen“. Mit Einführung der neuen NATO-Strategie „Flexible Response“ und der Umrüstung auf neue Waffensysteme kam auf die fliegenden Verbände eine Fülle neuer Aufgaben zu, ohne daß von bereits bestehenden entlastet werden konnte. Dazu kommen die ständigen Veränderungen und Erneuerungen der Luftverkehrsgesetze und -regeln und die erhebliche Zunahme der Luftverkehrsdichte. Allein 1967 ist die Belastung der Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge bei der Durchführung eines Ein­satzfluges um das 2-2½fache gestiegen. (Teilergebnis einer Stabsstudie der Luftflotte vom Oktober 1975)

 

Auch hier muß festgestellt werden, daß die derzeitige Bewer­tung der herausgehobenen Funktion dieser Besatzungen hoffnungslos hinter dem tatsächlichen Inhalt des fliegerischen Dienstes zurückgeblieben ist.

Bei Anlegen des o.g. Maßstabes würde heute diese herausgehobene Funktion mit einer Stellenzulage von ca. 600,--DM netto monatlich zu bewerten sein. Dies führt rein rechnerisch zu einer Gesamthöhe von 2.126,- DM netto monatlich Flieger/Stellenzulage. Tatsächlich betragen beide Zulagen zusam­men aber nur 500,- DM. Angesichts dieser deprimierenden Benachteiligung hat die beispielhafte Dienstauffassung und Loyalität der Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge mit einer stetigen Leistungssteigerung, trotz der Negativbeispiele im zivilen Flugsicherheitsbereich (Dienst nach Vorschrift) und trotz der extrem hohen Anzahl tödlicher Unfälle (auf den ca. 1.000 Planstellen für Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge sind bisher über 250 Kameraden im Flugdienst tödlich verunglückt), den Dienstherrn in eine beschämende Position der leichfertigen Ausnutzung unter permanenter Mißachtung des gesetzlichen Auftrages nach § 1 (1) und § 31 Soldatengesetz gebracht.

 

Generäle und fliegende Verbände haben zur Problematik festgestellt:

 

Am 08.05.1974 – Kommandeur der 1. Luftwaffendivision, Ge­neralmajor Greve, an den kommandierenden General der Luftflotte, Generalleutnant Wehnelt –

 

„Ähnlich wie vor 11 Jahren wird unter dem fliegenden Personal der mir unterstellten Verbände über die seit 1963 der Inflationsrate nicht angepaßte Aufwandsentschädigung (Flie­gerzulage) diskutiert. Die Diskussion bringt erneut Unruhe in die Geschwader. Sollte aber auf dem Dienstweg keine baldige Abhilfe erreicht werden, wird m.E. die Unruhe und Unzufriedenheit des fliegenden Personals zunehmen, evtl. außer Kontrolle geraten und u.U. auf anderen Wegen versucht werden, die Forderungen einer Anpassung der Fliegerzulage an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse durchzusetzen. Damit würde das Vertrauen zu den Vorgesetzten leiden.

Die Ursache der Unruhen in den Verbänden wurde letztlich durch die Erhöhung der Zulage für Beamte und Soldaten im Flugsicherheitsdienst, als Folge der Streikaktionen des zivilen Flugsicherheitsdienstes, ab 01.01.1974 hervorgerufen.

 

Auch ich bin der Ansicht, daß es sich hier um eine gerechte Forderung handelt.

 

Und: „Es muß befremdend wirken, wenn eine kleine Gruppe von Staatsdienern wegen fehlender Mittel schlechter gestellt wird, nur weil von diesem kleinen Kreis die Durchsetzung ihrer gerechten Forderung wegen des fehlenden Rückhaltes in der Öffentlichkeit nicht zu befürchten ist.“

 

(Abschrift des gesamten Vorganges Anlage 1).

 

 

Am 25.05.1974 – Kommandierender General der Luftflotte, Generalleutnant Wehnelt, an den Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Limberg –

 

„Hiermit stelle ich den Antrag, die Flieger- und die Stellenzulage für Besatzungen von Strahlflugzeugen zu überprüfen mit dem Ziel, sie den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.

Ich habe in den letzen Jahren die Bemühungen um eine neue Regelung der Fliegerzulage aufmerksam verfolgt, und halte es nunmehr aus Fürsorgegründen für meine Pflicht, den vorstehenden Antrag zu stellen.

Ich kann es nicht länger vertreten, den unterstellten Strahlflugzeugbesatzungen meines Bereiches nur negative oder hinhaltende Informationen zu geben.“

 

Und: „Mehrere Kommandeure berichten sachgleich über eine gewisse Unruhe und Unzufriedenheit unter den Piloten. Von ihnen haben einige schon den Weg der förmlichen Beschwerde gewählt, um ihr Anliegen zum Ausdruck zu bringen.“

 

und: „Es erscheint nicht gerechtfertigt, gerade diese Gruppe weiterhin mit ausweichenden oder abschlägigen Informationen und Antworten zu bescheiden.“

 

(Abschrift des gesamten Vorganges Anlage 2)

 

 

Am 01. August 1975 – Kommandierender General der Luftflotte, Generalleutnant Krupinski, an MdB Buchstaller –

 

„Sicher ist, daß der Jet-Pilot seit einigen Jahren nicht weiß, daß die Flugsicherungszulage von 80,- DM im Jahre 61 auf 425,- DM bis 465,- DM monatlich im Jahre 1974 gestiegen ist, und die von ihnen erwähnten Flugzeugbesatzungen von Transportflugzeugen, „die nicht als Beschwerdeführer aufgetreten sind“, 1974 eine Erhöhung erhielten. Halten Sie das für gerecht?“

 

(Abschrift des gesamten Vorganges Anlage 3).

 

 

Am 20. Oktober 1975 – Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Limberg, an Bundesverteidigungsminister Leber –

 

„Der Kommandierende General der Luftflotte hat mit meinem Einverständnis eine Stabsstudie erarbeitet, die auf dem Ergebnis einer Arbeitsgruppe im LF1Kdo basiert.

In ihr werden die Probleme der Strahlflugzeugführer (Strahl FF) und Kampfbeobachter (Kbo) hinsichtlich der Zulagenhöhe Versorgung von Strahlflugzeugführern BO_40 dargestellt.

 

Entsprechende Lösungsmöglichkeiten sind aufgezeigt. Dieses Problem hat grundsätzliche Bedeutung für die Luftwaffe.

Das Interesse der Öffentlichkeit ist aus mehreren Presseberichten zu erkennen.

 

und: „Die in der Stabsstudie erhobenen Forderungen werden von mir nachdrücklich unterstützt.“

 

(Abschrift des gesamten Vorganges Anlage 4).

 

 

18 Jahre wurde blinder Motivationsraubbau getrieben. Mit der aufrichtigen, vorurteilsfreien Regeneration dieser ein­satz­entscheidenden Motivation, nicht nur finanziell, sollte im In­teresse der Schlagkraft des westlichen Bündnisses, aber auch im Interesse eines jeden Steuerzahlers (Verantwortung für die Waffensysteme F4-Phantom II und MRCA) sofort begonnen werden.

 

 

2. Versorgung der Berufsoffiziere mit der besonderen Altersgrenze 40 Jahre (BO 40)

 

b) Hinterbliebenenversorgung bei Dienstunfall

 

Die Hinterbliebenen von BO 40 sind aufgrund der Regelung gemäß Soldaten-Versorgungsgesetz (SVG) schlechter gestellt als die Hinterbliebenen von tödlich verunglückten Berufsoffizieren, bei sonst gleichen dienstlichen Bedingungen. Dieser Mißstand ist rechtlich und moralisch unhaltbar und bedarf einer sofortigen Behebung.

 

 

b) Die Versorgung nach Dienstende

 

Der BO 40 erhält Versorgungsbezüge, die seiner Dienstzeit entsprechen. Eine Anhebung der Versorgungsbezüge auf 75 % ist nicht vorgesehen, obwohl sie bei allen anderen Berufs­sol­daten praktiziert wird, die bis zu 13 Jahren vor dem 65. Le­bensjahr in den Ruhestand versetzt werden. (Ungleiche Behandlung nach § 26 (2) SVG)

 

Ein Berufssoldat, der mit dem 52. Lebensjahr in den Ruhestand versetzt wird, ist in der Regel arbeitsfähiger als ein abgeflogener, ausscheidender BO 40 der besonderen Altersgrenze unterliegen – einmal gegenüber den Beamten, die mit dem 65. Lebensjahr ausscheiden, zum anderen gegenüber den BO 40 – ist daher absolut unverständlich.

 

Der Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Fingerhut, hat in einem Schreiben 1974 deutlich gemacht, weshalb Flugzeugführer BO 40 in den Ruhestand versetzt werden müssen, „weil nach flugmedizinischen Erkenntnissen diese Soldaten den physischen und psychischen Anforderungen, die an ihre Verwendung gestellt werden, in aller Regel mit Überschreitung des 40. Lebensjahres nicht mehr gewachsen sind.“ – Frührentnern rechnet man 1/3 des Zeitraumes von dem Datum der vorzeitigen Zurruhesetzung bis zum Datum des Erreichens der normalen Altersgrenze auf die Dienstzeit zur Ermittlung der Versorgungsbezüge an; beim BO 40 wird der erhebliche Verschleiß, der zur vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand führt, ignoriert.

 

 

c) Übergang in einen Zivilberuf

 

Die bestehenden Bestimmungen, nach denen der Ausbildungszuschuß gewährt wird, lassen weder Nebenverdienst ohne Anrechnung auf den Ausbildungszuschuß, noch Kapitalisierung desselben zu. Hier wird Eigeninitiative zur Verbesserung der Einkommenssituation während der ohnehin schwierigen Übergangsphase verhindert.

 

Die eigentliche Arbeitsplatzbeschaffung mit 43 Jahren, die angesichts der derzeitigen mangelhaften Versorgung ja eine absolute Notwendigkeit ist, in einer Zeit mit über einer Million Arbeitslosen, ist ein Problem, das schon Jahre vor dem Aus­scheiden Zukunftsangst, ja Existenzangst hervorruft. Die mög­lichen Folgen auf die Einsatz- und Leistungsbereitschaft der Betroffenen sollten den Verantwortlichen zu denken geben und sie zum Handeln veranlassen.

 

 

3. Chronologie der bisherigen Tätigkeit zum Thema dieser Petition.

 

25.03. 1974 – Eingabe an die Mitglieder des Deutschen Bundestages Hermann Schmidt, Dr. Manfred Wörner, Lothar Krall, Dr. Friedrich Zimmermann. Nachrichtlich an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages und an den Deutschen Bundeswehrverband e.V. und zusätzlich auf dem Dienstweg. (Anlage 5)

31.07.1974 – Erläuterung zu o.g. Eingabe an den gleichen Verteiler. (Anlage 6)

04.05.1975 – Erste Reaktionen in den Presse- und Informationsmedien. (Anlage 7)

Die Öffentlichkeit zeigte ein beständiges Interesse. Darstellungen und Grunddarstellungen führten schließlich zu dem Fall „Buchstaller“.

1975 – Vorbereitungen zu einer Gesetzesinitiative im Deutschen Bundestag, nachdem meine Eingaben beim Zweiten Besoldungsvereinheitlichungs- und Neuregelungsgesetz (2. Bes.VNG) keine Berücksichtigung gefunden hatten. (Anlage 8)

1975 – Meine Kommandierung zur Luftflotte zur Erarbeitung der Grundlagen für eine Stabsstudie zum Problemkreis dieser Petition. (Diese Studie wurde am 20. Oktober 1975 durch den Inspekteur der Luftwaffe dem Bundesministerium der Verteidigung vorgelegt).

Die Chronologie zeigt einige Stationen des langen, beschwerlichen Weges meiner bisherigen Bemühungen, die Anwendung eines Grundrechtes auf die Zulagen der Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge zu erreichen; bisher ohne Erfolg!

Ich bitte Sie nun im Rahmen dieser Petition um Veranlassung zügiger Bearbeitung des Problempaketes und schlage folgende Lösung vor:

 

Umwandlung der Flieger- und Stellenzulagen in eine Stellen­zu­lage und Neufestsetzung dieser Stellenzulage nach fol­gen­den Kriterien:

Erstmalige Zahlung der Stellenzulage nach Beendigung der Ausbildung zum Besatzungsmitglied für strahlengetriebene Kampfflugzeuge. (Ersterwerb der Erlaubnis)

Jährliche Erhöhung der Stellenzulage bis höchstens 10 Jahre, jeweils mit Verlängerung der Erlaubnis.

Ruhegehaltsfähigkeit der Stellenzulage und der jeweiligen Erhöhung nach Erwerb der Erlaubnis (wie Flug­si­che­rungs­zu­lage).

Auszahlung der Stellenzulage als steuerpflichtiges Einkommen. Sie wird nach mindestens 5jähriger fliegerischer Verwendung noch fünf Jahre bei anderer Verwendung weitergezahlt; danach 75 % (wie Flugsicherheitszulage).

 

Höhe

 

Basisbetrag 800,- DM brutto

jährliche Erhöhung 65,- DM brutto

Höchstbetrag 1.450,- DM brutto

 

 

Maßnahme zur Lösung der BO 40 Probleme.

 

Gleichstellung der Hinterbliebenen der BO 40 mit denjenigen eines BO bei Dienstunfall

Wahlweise Kapitalabfindung oder Berufsförderungsmaßnahmen

Anhebung der Höhe der Versorgungsbezüge von 55 % auf 65 % (Berücksichtigung des Verschleißes durch langfristige, fliegerische Verwendung – Frührentnergesetz § 26 (2) SVG)

Einführung von Verzahlungsämtern A 12/A 13 für BO 40 Hauptleute, die nicht mehr zum Major befördert werden können (wie Hauptfeldwebel A 9).

Die Vorschläge sind sofort realisierbar! Der finanzielle Aufwand dafür wird gering sein in Relation zu dem erreichbaren Ziel. – Die Anpassung der Flieger/Stellenzulage der Besatzung strahlengetriebener Kampfflugzeuge an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse und die gestiegenen Anforderungen nach 18 Jahren, um deren Verwirklichung mit dieser Petition gebeten wird, wird Prüfstein sein für die Wirksamkeit und Realisierbarkeit unseres Grundgesetzes und Maßstab für die Rechtfertigung der Opferbereitschaft dieser Besatzungen für die derzeitige Lebensform unserer Nation. – Ich trage diese Petition gemäß Artikel 17a Grundgesetz allein vor, aber in der Gewißheit, daß meine Strahlfliegerkameraden und die Öffentlichkeit die weitere Entwicklung wach und kritisch mitverfolgen. – Alle erwarten ein baldiges positives Ergebnis; ich bitte darum!

 

Hochachtungsvoll

 

 

Die Petition stammt von Klaus Langer. Er reichte sie am 13.02.1976, also fast einen Monat vor seinem tödlichen Absturz ein.

 

Die erste Eingabe erfolgte am 25.03.74. Nach knapp zwei Jahren erfolgte die Eingabe einer Petition an den Siebenten Deutschen Bundestag.

Warum setzten sich damals schon Soldaten zusammen, um eine Situation zu beschreiben, die eigentlich bekannt sein mußte? Warum sind sie auch heute noch dazu bereit und opfern ihre Freizeit? Warum arbeiten sie Aktenberge durch, diskutieren und finden den Konsens in der Argumentation?

Deswegen: Die Berufsunzufriedenheit in ihrem „Traumberuf“ ist unübersehbar. Der weitaus größte Teil der Besatzungen hält zur Wahrung einer gerechten Interessenvertretung die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge e.V. (GBsK) für unerläßlich. Fast 50 Prozent der Besatzungen haben sich über ihre Lage mit persönlichen Petitionen an den Bundestag beklagt.

Es gab den 13.04. 1987 mit „Dienst nach Vorschrift“ in praktisch allen Einsatzgeschwadern. Ein Hilferuf.

 

Verteidigung ist notwendig. Getragen wird Verteidigungsbereitschaft durch den Menschen – im Vordergrund muß der Mensch stehen. Und ein/der Mensch äußert seine Meinung.

 

Die Petition – schon fast eine Legende in der Luftwaffe, erstellt als Dokumentation, um aufzuzeigen, wie mühevoll es sein kann, in einer Demokratie für Rechte zu kämpfen. Und die Wirkung blieb nicht aus. Allein die gesamten Vorgänge sind nahezu unglaublich. Dienstliche Repressalien, MAD[42]-Bespitzelungen – und das in einer Demokratie! Das Verhalten von militärischen Vorgesetzten mit Gold auf den Schulterklappen oder auch nur mit Silber ließ oft sehr viel zu wünschen übrig. Aber dies ist Geschichte – allerdings unvergessene! Aus dieser Geschichte kann, besser: sollte jeder lernen! Die Soldaten, nicht nur die namentlich genannten, haben daraus gelernt, nachdem die langjährigen Versprechungen ausblieben, eine angemessene Bewertung der fliegerischen Tätigkeit zu finden.

 

Zurück in die achtziger Jahre. Eine gewisse Unruhe ist in den Verbänden zu spüren. In nahezu allen Einsatzverbänden gibt es aktive Offiziere, die die Problematik der Laufbahn BO 41 bzw. des fliegerischen Dienstes aufgreifen und ihre Meinung schriftlich äußern. Nachdem mit mündlich vorgebrachten Argumenten keine Reaktionen erzielt werden konnten, wurde von Soldaten eine Dokumentation zu diesem Thema mit dem Titel das „Blaue Buch“ verfaßt. Diese wurde unter direkter Einbeziehung der politisch Verantwortlichen auf dem Dienstweg weitergegeben.

Die folgenden Argumente waren unterschiedlich, sicherlich auch die dienstlichen Reaktionen. Eine war erschütternd: Ein Divisionskommandeur äußerte, man bräuchte wohl wieder den fliegenden Unteroffizier, der nicht denkt, sondern nur fliegt! Worte eines Generals! Innere Führung ade! Erschütternd auch deswegen, weil es mehr als deutlich zeigte, daß man weder eine Diskussion noch eine Auseinandersetzung mit dem „Fußvolk“ wünschte, sondern Ergebenheit nach dem Motto: Wir machen das schon; haltet ihr da unten nur still.

Es bleibt festzustellen: Sollte sich die Haltung eines Generals durchsetzen, Flugzeuge wieder mit Unteroffizieren zu besetzen, die nur fliegen und nicht denken, wird der letzte Rest der „Inneren Führung“ über Bord gehen. Wer heute bereit ist, für ein Flugzeug mehr als 50 Millionen Euro hart erarbeiteter Steuergelder auszugeben, sollte nicht an denen sparen, die diese Waffensysteme von höchster Komplexität und Technologie bedienen.

Wenn einer von tausend Entwicklungsingenieuren, dessen persönlicher Beitrag zu einem solchen „Wunderwerk“ der Technik nur einen Bruchteil des Gesamtsystems darstellt, mehr verdient und ungefährdet einen Konflikt überstehen wird, dann ist das falsch. Nur die Besten können und sollten in diesen Maschinen sitzen, auch wenn man dazu die generelle Bewertung dieser spezifischen Tätigkeit neu definieren müßte.

 

Der Vorwurf, die Mitglieder der Arbeitsgruppe würden Gegebenheiten bei anderen Truppenteilen in ihrer Darstellung nicht berücksichtigen, war eines der oft genannten Argumente. Dazu ist jedoch zu sagen: Flieger waren immer Vorreiter. Nur ihre eigene Situation darzustellen, war sinnvoll, die Probleme anderer Teilbereiche bzw. Tätigkeiten konnten sie – nicht nur aus Zeitgründen – nicht darstellen; dazu fehlte ihnen auch der Einblick. Aber der „Führung“ kam dieses Argument natürlich gelegen, vor allem, weil z.B. im Bereich Lufttransport auf den „Alleingang“ negativ verwiesen wurde.

Nur schwerwiegende Pflichtversäumnisse können Offiziere veranlassen, als letztes Mittel zur Lösung von Problemen den Weg vors Parlament und damit in die Öffentlichkeit zu wählen. Treue ist nicht Hörigkeit. Der Eid verpflichtet zu gegenseitiger Treue. So Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 30jährigen Bestehen der Bundeswehr. Diese Aussage kann weder manipuliert noch ins Abseits gedrängt werden. Sie beinhalten so vieles, das den Beruf des Soldaten in einer Nachkriegsgeneration prägen sollte. Sie reflektiert die Grundwerte menschlicher Ideen und Gestaltung einer verantwortlichen Gemeinsamkeit.

 

 

Am 23.03.1976 stürzte Major Langer tödlich ab. Major Dieter Bartholomes wird neuer Fürsprecher der Arbeitsgruppe. Am 25.03.1976 schrieb er:

 

 

An den

Petitionsausschuß des

Deutschen Bundestages

Bundeshaus

5300 Bonn

 

 

Betr.: Petition zu den tätigkeitsbezogenen Zulagen der Besatzung strahlengetriebener Kampfflugzeuge der Bundeswehr und zur Versorgung von Berufsoffizieren mit der besonderen Altersgrenze von 40 Jahren (BO 40)

 

Vorgang: Schreiben – L – vom 13. Februar 1976

 

Bei einem Flugunfall ist Major Langer am 23.03.1976 tödlich verunglückt. – Als Kampfbeobachter einer RF 4 Besatzung bitte ich unter Berufung auf Artikel 17 GG unter Berücksichtigung des Artikel 17 a GG, die von Major Langer vorgelegte Pe­tition weiterbearbeiten zu dürfen. Seine Forderungen wer­den von mir in vollem Umfang aufrechterhalten.

 

Hochachtungsvoll

 

 

Am 16.06.76 hält der damalige Verteidigungsminister in Husum eine Rede vor den Besatzungen, in der er die Forderungen der Besatzungen mit erstaunlichen Argumenten ablehnt. Am 19. Juni des gleichen Jahres schreibt Major Bartholomes erneut an den Petitionsausschuß, um die sachlich notwendigen Forderungen des fliegenden Personals aufrechtzuerhalten.

In einem Rundschreiben (06.10.76) an alle Geschwader wird kurz der Sachstand aufgezeigt; die Forderungen werden neu aufgeschlüsselt:

 

Die seit dem 01.01.1973 (Basis der Berechnungen der „Petition Langer“) gestiegenen Lebenshaltungskosten haben es erforderlich gemacht, Änderungen vorzunehmen, die folgendermaßen aufgeschlüsselt sind:

 

Höhe

 

Basisbetrag: Statt 800,- DM brutto: 1000,- DM

jährliche Erhöhung: Statt 65,- DM brutto: 80,- DM

Höchstbetrag: Statt 1.450,- DM brutto: 1800,- DM

 

 

Die Arbeitsgruppe hoffte, mit Sachargumenten sachbezogene Ent­scheidungen herbeizuführen, die trotz „funktionaler Technokratie“ das Verständnis für den Menschen nicht vermissen lassen, sowie, Beständigkeit in der Sache werde zu diesen Entscheidungen führen. Die Hoffnung erfüllte sich nicht.

 

Mehr denn je gilt es heute, anstehende Probleme im Bereich der Bundeswehr und der Landesverteidigung zu lösen, denn weder hat sich inzwischen etwas an der Bewertung der Beschwerdegründe noch an der Verfahrensweise der Verantwortlichen geändert. Die damals von der Arbeitsgruppe gestellten Forderungen liegen über den Forderungen der „Luftwaffe 86“. Sie waren damals wie heute mehr als gerechtfertigt. Sie lagen im Rahmen des sozial und leistungsbezogenen Vergleichs zu gesellschaftlich vergleichbaren Gruppen. Aber die Reaktionen sind zumindest für den aufmerksamen Leser – oder besser: für den demokratisch gesinnten und im Sinne der „Inneren Führung“ geprägten Leser – interessant:

 

Am 15.10.1976 erhielten Major Pospich und Major D. Bartholomes den Befehl, sich am 26.10.1976 bei ihrem Divisionskommandeur zu melden. Gründe für die Dienstreise wurden nicht mitgeteilt.

Während eines über dreistündigen Gespräches waren sie zunächst heftiger Kritik ausgesetzt, da sie sowohl mit der Herausgabe des Rundschreibens 25 als auch durch die erneute Vorlage der Petition – diesmal beim 8. Deutschen Bundestag – gegen den ausdrücklichen Wunsch (was einem Befehl gleichkommt) des Inspekteurs der Luftwaffe verstoßen hätten...

 

Zitat Divisionskommandeur:

 

... keine neuen Verstöße in Sachen Fliegerzulage und Probleme BO 40/41 zu unternehmen und Ruhe zu halten, da der Inspekteur in dieser Sache erneut tätig geworden sei, die Aussicht auf Erfolg nicht gefährdet werden solle, er für seine Verhandlungen mit der politischen Führung eines freien Rückens bedürfe und nicht unter Druck verhandeln könne.

 

Da beide stichhaltig beweisen konnten, zu keiner Zeit über den „Wunsch“ des Inspekteurs der Luftwaffe belehrt worden zu sein, meldeten sie dies nach Aufforderung durch den Divisionskommandeur sofort schriftlich. Die Arbeitsgruppe bewies Rückgrad. Sie kämpfte weiter. Anders kann man die zu bewältigende Arbeit nicht bezeichnen. Was war das Ergebnis? Die Stellenzulage wurde von 250 DM (seit 1966) 1978 auf 450 DM angehoben. Dieser Betrag blieb bis heute unverändert. In den Augen vieler der damaligen Besatzungsmitglieder war dies eigentlich nur eine „Abspeisung“ einer kleinen Gruppe von „Funktionsträgern“. Man gab sich resigniert „zufrieden“. Weiter geschah nichts.

 

Der gesamte Verlauf läßt sich hier nicht darstellen, aber es fallen erhebliche Ähnlichkeiten zur gegenwärtigen Situation auf, die genannt werden müssen. Die Forderungen der heutigen Luftwaffenführung entsprechen nicht einmal den Forderungen der damaligen Arbeitsgruppe. Bemerkenswert ist, daß 1978 der damalige Inspekteur der Luftwaffe die Forderungen der seinerzeitigen Arbeitsgruppe mittrug. Das war vor fünfundzwanzig Jahren. Doch die damalige Konstellation hat sich nicht geändert. Auch heute bestehen Koalitionsvereinbarungen, die neue Leistungsgesetze ausschließen. Erstaunlich, daß sich eine „grundlegende“ Argumentation der Verantwortlichen über einen so langen Zeitraum halten läßt. Oder hat jemand aus dem verantwortlichen Bereich zwischen 1978 und 1986 den Versuch unternommen, die damals aufgezeigte Problematik aufzugreifen?

 

Es gab mehr als genügend Anstöße von „unten“. Das Ergebnis war meist „Unverständnis“ oder mangelnde Bereitschaft der Verantwortlichen der militärischen Ebenen, die Problematik des fliegenden Personals selbst darzustellen. Es blieb nur ein Weg:

-                 von „unten“ eine klare und umfassende Grundlage für weitere Diskussionen zu schaffen,

-                 die nicht mehr beschönigt werden kann,

-                 die grundsätzliche Probleme aufzeigt,

-                 die eine Gefährdung der Einsatzbereitschaft der Luftwaffe möglicherweise gerade noch verhindern kann.

 

Nach vielen Tagen der Diskussionen einigte man sich damals in der Arbeitsgruppe darauf, einen Weg zu beschreiten, der den „Primat der Politik“ direkt mit einschloß, oder in die Verantwortung nahm. Nicht die Maschine steht im Vordergrund, sondern der Mensch. Er ist nach wie vor das Maß aller Dinge. Dazu gehört auch das sogenannte Menschliche: Motivation, innere Einstellung, Gefühle, persönliche Meinungen, Ängste; und man mag es technokratisch verzeihen: auch Emotionen.

 

 

Abs.

Eugen Sczesny, Bernd Adler, Hubertus von Grolman

 

11. Februar 1988

 

An das

Bundeshaus

5300 Bonn 1

 

Betreff: Problematik der Laufbahn BO 41 in den fliegerischen Einsatzverbänden der Luftwaffe.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

aufgrund der seit Jahren anhaltenden Unruhen unter den Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge der Bundeswehr sehen wir uns gezwungen, eine kurze Sachstandsdarstellung zu dieser Problematik zu geben.

Mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes wurde am 24.03.1969 das Dienstverhältnis der verwendungsbezogenen Altersgrenze des 40. Lebensjahres für Strah­lenflugzeugbesatzungen BO 40 eingeführt.

Hintergrund dafür ist, daß dieser Personenkreis den physischen und psychischen Anforderungen, die an ihre Verwendung gestellt werden, in aller Regel mit Überschreiten des 40. Lebensjahres nicht mehr gewachsen ist.

Die derzeitige Unruhe beeinflußt negativ die notwendige Mo­tivation der Besatzungen und gefährdet den Einsatzwillen in nicht mehr vertretbarem Maße. Die „innere Kündigung“ ist nicht nur Gesprächsthema. Dies wird verursacht durch

-                 hohe Dienstbelastung, steigende Tendenz

-                 hohe Abwesenheitsrate von der Familie, steigende Tendenz

-                 nicht adäquate, finanzielle Bewertung der Tätigkeit während der aktiven Dienstzeit

-                 kontinuierlich schwindende, ungerechte Versorgung nach der Dienstzeit

-                 die Darstellung in manchen Medien als ursächlicher Erzeuger von Tieffluglärm

-                 Nichtanerkennung der fliegerischen Tätigkeit innerhalb der Bundeswehr

-                 Kontinuierlich anwachsende Anforderungen an das fliegende Personal

-                 restriktive, ungesetzliche Maßnahmen durch Absprache Luftwaffenführung/Lufthansa

-                 bewußt erschwerte Auflage der militärischen Fluglizenzen im zivilen Bereich

-                 Nichtbeachtung Soldatengesetz § 10 (3) und § 31 durch die militärische Führung und den Dienstherrn

-                 mangelnde Loyalität der Führungsebene gegenüber den Einsatzbesatzungen

-                 deprimierende zukünftige Personallage im fliegerischen Dienst

-                 quantitativ unzureichende Personallage bezogen auf die Durchführung des Einsatzauftrages hauptsächlich der Tor­nadoverbände

 

Die Notwendigkeit einer durchgreifenden Problemlösung ist für die Luftwaffe der kommenden 90er Jahre von existentieller Bedeutung. Eine personell qualitativ hochwertige Bedarfsdeckung ist unter den gegebenen Umständen mehr als fraglich. Die Entspannung der knappen Personalsituation durch den geplanten Einsatz von Reservisten als Besatzungsmitglieder von Kampfflugzeugen ist schlichtweg illusorisch.

 

Bisher erfolglose Aktivitäten zur Lösung dieser Problematik in den letzten 15 Jahren:

-                 1974 Eingabe des Arbeitskreises Leck „Aktion Fliegerzulage“ an Abgeordnete des Deutschen Bundestages

-                 13.02 1976 Petition an den 7. Deutschen Bundestag durch den am 23.03.1976 tödlich abgestürzten Major Langer

-                 04.10.1976 Petition an den 8. Deutschen Bundestag durch Major D. Bartholomes

-                 1985 Situationsbeschreibung fliegendes Personal durch Major W. Oehl an militärische Führung

-                 18.09.1987 Petition des Major H. v. Grolman

 

Als aktive Flugzeugführer auf A-Jet bzw. Tornado von einer Flug­erfahrung von je ca. 2.500 Flugstunden möchten wir Ihnen hiermit unsere Sorgen und Probleme nahebringen und stehen für weitere Mitarbeit jederzeit zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Eugen Sczesny Bernd Adler Hubertus von Grolman

 

 

Die Antworten fielen unterschiedlich aus. Ein Großteil der Angeschriebenen antwortete nicht – verständlich in einer Demokratie, aber nicht verständlich, wenn der Primat der Politik gefordert ist. Der damalige Bundestagsabgeordnete Professor Dr. Horst Ehmke bat jedoch um eine ausführliche Stellungnahme, ebenso die 1. Luftwaffendivision – allerdings war die damit verfolgte Änderung äußerst unterschiedlich.

 

 

 

 

 

 

Prof. Dr. Horst Ehmke, Mitglied des Deutschen Bundestages

Stellv. Vorsitzender der Sozialdemokratischen Bundestagsfraktion

 

14. März 1988

 

Herrn

Eugen Sczesny

8933 Untermeitingen

 

Sehr geehrter Herr Sczensny,

 

für das von Ihnen sowie Herrn Adler und von Grolman unterzeichnete Schreiben vom 11.2.1988 danke ich Ihnen, zugleich im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen, an die Sie sich gleichlautend wandten.

Ich brauche nicht zu erläutern, daß die vielfältigen Probleme, die Sie ansprechen, nicht mit einer einzigen konkreten administrativen oder parlamentarischen Initiative angegangen werden können, sondern, zunächst detailliert und mit Daten belegt, dokumentiert werden müssen, ehe darüber weiter befunden werden kann. Wir als Abgeordnete bedürfen dazu notwendigerweise der von Ihnen angebotenen Mitarbeit. Ich schlage Ihnen daher vor, daß Sie zu jedem einzelnen der von Ihnen angeführten Problemfelder beweiskräftige Faktensammlungen zusammenstellen, zu denen dann zunächst die Bundesregierung Stellung zu beziehen hätte.

Als Ansprechpartner darf ich Ihnen meinen Kollegen Erwin Horn, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Sicherheitsfragen der SPD-Fraktion und Obmann der Fraktion im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, nennen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ehmke

 

 

Kommando 1. Luftwaffendivision

Leiter A 1

 

7475 Meßstetten, 10. März 1988

 

Herrn Major Hubertus von Grolman

Stab Fliegende Gruppe/

Jagdbombergeschwader 32

Fliegerhorst Klosterlechfeld

 

Identisches Schreiben an Major Adler und Hptm Sczesny über: Kommodore o.V.i.A.

 

Betreff: Problematik der Laufbahn BO 41 in den fliegerischen Einsatzverbänden der Luftwaffe

 

Bezug: Ihre Eingabe an das Bundeshaus in Bonn zu o.a. Problematik vom 11. Februar 1988

 

Bezugnehmend auf Ihre dienstlich zur Kenntnis gelangte Eingabe (vgl. Bezug) fordere ich Sie hiermit im Auftrag des Kommandeur 1. Luftwaffendivision auf, zu folgenden – in Ihrer Eingabe enthaltenen – Behauptungen ausführlich schriftlich Stellung zu nehmen;

-                 Die derzeitige Unruhe beeinflusse negativ die notwendige Motivation der Besatzungen und gefährde den Einsatzwillen in nicht mehr vertretbarem Maße. Die „Innere Kündigung“ sei nicht nur Gesprächsthema.

-                 Kontinuierlich schwindende, ungerechte Versorgung nach der Dienstzeit.

-                 Restriktive, ungesetzliche Maßnahmen durch Absprache Luftwaffenführung/Lufthansa.

-                 Bewußt erschwerte Anerkennung der militärischen Fluglizenzen im zivilen Bereich.

-                 Nichtbeachtung Soldatengesetz §10 (3) und § 31 durch die militärische Führung und den Dienstherrn.

-                 Mangelnde Loyalität der Führungsebene gegenüber den Einsatzbesatzungen.

-                 Deprimierende zukünftige Personallage im fliegerischen Dienst.

-                 Quantitativ unzureichende Personallage, bezogen auf die Durchführung des Einsatzauftrages, hauptsächlich der TORNADO-Verbände.

 

Die geforderte Stellungnahme dient dem Zweck, dem Kommandeur die Hintergründe für Ihre Behauptungen näher zu erläutern, um ggf. Abhilfemaßnahmen einleiten oder eine disziplinarrechtliche Überprüfung des Inhaltes Ihrer Eingabe vom 11.02.88 vornehmen zu können.

Sie ist dem Kommandeur 1. Luftwaffendivision bis spätestens 21. März 1988 vorzulegen.

 

Im Auftrag

 

Geppert

Major i.G.

 

 

Hubertus von Grolman Major

Stab Fliegende Gruppe

Klosterlechfeld

 

20.03.1988

 

An

Kommandeur o.V.I.A.

1. Luftwaffendivision

Meßstetten

 

Betreff: Problematik der Laufbahn BO 41 in den fliegenden Einsatzverbänden der Luftwaffe

Bezug: Schreiben Leiter A 1 Kommando 1. Luftwaffendivision vom 10. März 1988

 

Hiermit lege ich meine Stellungnahme zu den einzelnen von Ihnen zitierten Strichaufzählungen vor.

 

Die derzeitige Unruhe beeinflußt die notwendige Motivation der Besatzungen und gefährdet den Einsatzwillen in nicht mehr vertretbarem Maße. Die „Innere Kündigung“ sei nicht nur Gesprächsthema.

 

Die Einsatzbereitschaft eines Kampfverbandes ist abhängig vom Einsatzwillen seiner Besatzungen. Nur wer täglich mit den Besatzungen arbeitet, kann erkennen, wie sich die Unruhe in den letzten Jahren entwickelt hat und damit negativ die Motivation beeinflußt. Die Besatzungen haben erkannt, daß der Stellenwert des fliegenden Personals in der Luftwaffe zunehmend schwindet; siehe:

-                 Schreiben Chef des Stabes 3. LwDiv an LflKdo vom 19.01.88

-                 (Fliegen: keine anspruchsvolle Tätigkeit...; kein fordernder Dienstposten...;) Diese und ähnliche Erkenntnisse lassen die Besatzungen an ihrem Stellenwert zweifeln und Unzufriedenheit mit ihrer Tätigkeit aufkommen. Die natürliche Reaktion hieraus ist fehlender Einsatzwille, an dessen Ende die „Innere Kündigung“ stehen wird. Ich schließe dies aus täglichen Gesprächen und Beobachtungen in den Einsatzverbänden.

Siehe auch:

-                 Meldung Vertrauensmänner der Fliegenden Gruppe JaboG 32 vom 21.04.87 an Kdr 1.LwDiv

-                 Stellungnahme Hptm Andreas E. Gebhard, 1. AG 52, vom 08.03.88 an 3.LwDiv

-                 Stellungnahme JaboG 32 zum Schreiben Chef des Stabes Kdo 1. LwDiv „Materielle Fürsorge“ vom 09.01.86

-                  

„Kontinuierlich schwindende, ungerechte Versorgung nach der Dienstzeit.“

-                 kontinuierlich schwindende...: Stellenzulage nicht dynamisiert, dadurch inflationärer Entwicklung unterworfen. Höhe der Stellenzulage wird den Anforderungen an die Besatzungen bei weitem nicht gerecht. (Empfehlung Arbeitsgruppe Luftflotte unter Oberst Krah)

-                 ungerechte...; Ausschluß fliegendes Personal aus SVG § 25 (1) und § 25 (2), Relation zum BO 46 ist ungerecht.

-                 „Restriktive, ungesetzliche Maßnahmen durch Absprache Luftwaffenführung/Lufthansa.“

-                 siehe Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.12.86

 

„Bewußt erschwerte Anerkennung der militärischen Fluglizenzen im zivilen Bereich.“

-                 da die Schulung der Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge nicht nach Richtlinien des Luftfahrtbundesamts (LBA) durchgeführt und dadurch die Umschreibung in zivile Lizenzen unmöglich gemacht wird, konnte bei einigen Besatzungsmitgliedern der Eindruck entstehen, dies sei bewußt so. Im Rahmen der Fürsorgepflicht sollte es möglich sein, die Ausbildung so zu organisieren, daß sie den Anforderungen des LBA genügt.

 

[43]„Nichtbeachtung Soldatengesetz §10 (3) und § 31 durch die militärische Führung und den Dienstherrn.“

-                 die langen Zeiträume zwischen den Anhebungen der Flieger -/Stellenzulage sind bekannt. Meines Wissens wurde in keinem Fall eine Erhöhung dieser Bezüge durch die militärische Führung initiiert (Starfighterkrise, Aktion Langer, Aktion in jüngster Vergangenheit)

-                 Fürsorge/Versorgung der Hinterbliebenen des Leutnant Kastners (TORNADO-Absturz Cottesmore)

-                 Nichtanerkennung der fliegerischen Tätigkeit bei der Festsetzung der Pensionsbezüge (siehe Petition des Major Hubertus von Grolman vom 18.09.87)

-                 Relation BO 41 zu BO 46 ungerecht

 

„Mangelnde Loyalität der Führungsebene gegenüber den Einsatzbesatzungen.“

-                 mir wurde aus mehreren Verbänden mitgeteilt, daß Versuche unternommen wurden, die Gründung von Vereinen (BSK) zu verhindern

-                 Aussagen BM Dr. Wörner vor Besatzungen des AG 52 am 31.08.87 in Goose Bay, siehe Schreiben Hptm Gerhard Elsner 1. AG 52, an Kdre AG 52 vom 18.09.87

-                 Siehe Interview Generalmajor Rimmek vom 11.11.87 im „Moin“ vom Januar 1988: der Status BO 41 bie­te „dem Betroffenen wie dem Dienstherrn große Vorteile“.

 

„Deprimierende zukünftige Personallage im fliegerischen Dienst.“

– zu hohe Ablösequoten in der fliegerischen Ausbildung lassen eine Entlastung der bereits unter STAN-Stärke arbeitenden Staffeln in absehbarer Zeit nicht erwarten.

 

„Quantitativ unzureichende Personallage, bezogen auf die Durchführung des Einsatzauftrages, hauptsächlich der TORNADO-Verbände.“

– Reservistenkonzept für fliegendes Personal zeigt eindeutig einen gravierenden Personalmangel auf

– Geplante Neuaufstellung von zwei Staffeln TORNADO bedeutet zusätzlicher Personalbedarf

– Umrüstung JaboG 41 auf TORNADO

– Neues Aircrew/Aircraft-Verhältnis bei TORNADO und F 4

 

Mit Zufriedenheit stelle ich fest, daß die von uns zusätzlich aufgezeigten Probleme offensichtlich anerkannt und dafür mögliche sowie dringend notwendige Abhilfemaßnahmen eingeleitet sind. Ich hoffe mit meiner Darstellung zu den unklaren Problemkreisen Unterstützung für Maßnahmen zur alsbaldigen Abhilfe geleistet zu haben.

 

 

„Treue ist nicht Hörigkeit. Der Eid verpflichtet zu gegenseitiger Treue“. Diese Worte von Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 30jährigen Bestehen der Bundeswehr, blieben nur Worte. Das fliegende Personal zeigt auch heute noch Unzufriedenheit. Am System wurde nichts verändert. Es ist veraltet und zeigt, daß ohne Umgestaltung des gesamten Bundeswehrsystems die „finanzielle Misere“ bleibt. Verschwendung an Material, Standortverlagerungen, Personalmangel, bedingt durch finanzielle Einsparungen und Unsicherheit für die Zukunft der Soldaten.

 

Seit 1988 beträgt die Aufwandsentschädigung für Besatzungen strahlengetriebener Kampfflugzeuge 600 DM. Diese Zulage ist steuerfrei und nicht ruhegehaltsfähig.

 

Alle diese Beiträge in meinem Buch, zeigen, wie sich Mißmut und Unzufriedenheit in der Bundeswehr breitmachen, wie un­sensibel mit unseren Soldaten umgegangen wird und wie Steuergelder verschwendet werden. Sicher wären wir alle froh, wenn wir keine Armee und keine Rüstung brauchten. Jedoch läßt es die Welt nicht zu.

 

Eine funktionierende Bundeswehr gibt jedem von uns Sicherheit, und wenn ich bedenke, wie sich die Situation im Nahen Osten entwickelt, so glaube ich, es war die Angst vor unserer (angeblich) einsatzbereiten Bundeswehr, die mitunter einen Krieg verhindern half.

Warum wollten die USA mit allen Mitteln einen Krieg gegen den IRAK? Es war Angst, Angst vor den Waffen von Saddam Hussein, Angst vor Angriffen und den tödlichen Folgen, Angst vor der Zerstörung großer Staaten, Angst vor einem krankhaften Trieb, die westliche Welt zu vernichten. Mitunter ist es verständlich, seinen Staat schützen zu wollen!

 

Krieg ist für mich grausam. Doch die Welt ist grausam, vor allem die Menschen sind es, die sinnlose Kämpfe provozieren. Kriege gab es immer schon, und sie waren immer schon schrecklich. Kriege entstehen durch Machtstreben. Niemanden von den Machtgierigen auf dieser Welt scheint zu interessieren, daß Macht nur von kurzer Dauer ist. Wir wurden in eine wunderschöne Welt geboren, um sie erleben zu dürfen. Jeder von uns ist aber nur Gast auf dieser Welt, und jeder wird sie „ohne Macht“ verlassen.

Wenn die Machthaber dieser Welt solch schlichte, aber wich­tige Erkenntnisse verinnerlichten, gäbe es keine Kriege und vor allem keine Waffen.

Jedes Land hat seine Armee, auch die Schweiz, obwohl dieses Land nie in einen Krieg verwickelt war.

Auch wir brauchen eine Armee, zu unserem Schutz und unserer Sicherheit. Die Rüstung spielt dabei eine große Rolle, ein­satzfähiges Material. Vor allem brauchen wir die Soldaten., Men­schen mit Verstand und bereit, uns Bürger zu schützen. Die­sen Menschen gebührt Respekt, Achtung und ein gehöriges Maß an finanzieller Sicherheit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

 


 


Bildteil
 
Frau Dr. Christine Bauer
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Das Erbe des Krieges
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Kinder in Afghanistan
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Der Hubschrauber CH 53 in Kabul
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Die Ankunft
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Russische Transportmaschine
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Entladen der russischen Transportmaschine
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Aufbauvorbereitungen für das Lager
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Lageraufbau
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Aufbau des Lagers
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Fertigstellung des Lagers
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Das Leben im Lager
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Standort deutsche Armee in Kabul
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Soldatenunterkunft
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Soldatenunterkunft (2)
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Bau von Schutzwällen
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Techniker bei der Arbeit
Techniker bei der Arbeit
 
Abgestürzter Hubschrauber in Kabul
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Absturzstelle (2)
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Absturzstelle (3)
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Dokumententeil


Wortlaut:

 

Staatsanwaltschaft Augsburg

Aktenzeichen: 170 AR 2005/0 1

(Bitte stets angeben)

Sachbearbeiter: Herr LOStA N.

Gögginger Straße 101

86199 Augsburg                                                              

Augsburg, 18.12.2001/huf

 

Herrn

Ernst G. Jurczyk

Hermann-Löns-Str. 53

29320 Hermannsburg

 

Anzeige von Ernst G. Jurczyk vorn 02.08.2001 gegen Herrn Bundesminister der Verteidigung Rudolf Schar­ping wegen fahrlässiger Tötung

Der Anzeige wird keine Folge gegeben, § 152 Abs. 2 StPO.

Gründe:

Die verstorbene Fliegerärztin Dr. Christine Bauer war Sanitätsstabsoffizierfliegerärztin im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Sie war von April 1988 bis Juli 1999 als Fliegerärztin im Stab LTG 61, Penzing eingesetzt.

Im November 1998 wurden gegen sie dienstaufsichtliche Maßnahmen ergriffen. So wurden am 17. und 18.11.1998 durch den Beschuldigten Dr. R. Kommandoarzt des Lufttransportkommandos in Münster und unmittelbarer Fachvorgesetzter für den ärztlichen Bereich, die Diensträume von Dr. Bauer im Fliegerhorst Landsberg überprüft. Aufgrund dieser Überprüfung wurden gegen Dr. Bauer disziplinäre Ermittlungen eingeleitet. Es wurden ihr verschiedene Dienstvergehen zur Last gelegt.

Gegen die Durchsuchung ihrer Diensträume und die Beschlagnahme von Patientenakten erstattete Dr. Bauer durch Rechtsanwalt Hermann Winzen am 17.12.1998 Strafanzeige wegen Verletzung des Briefgeheimnisses und von Privatgeheimnissen sowie wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz bei der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den Beschuldigten R..

Mit Verfügung vom 02.03.1999 wurde das Verfahren gern. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Bescheid des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München vom 07.06.1999 keine Folge gegeben. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Oberlandesgericht München wurde mit Beschluß vom 18.08.1999 als unzulässig verworfen.

Am 28.12.1998 wurde Dr. Bauer durch den Vertreter des Commodore LTG 61 UTL S. für die Zeit vom 29.12.1998 bis 12.03.1999 zum flugmedizinischen Institut Luftwaffe Abteilung III nach Fürstenfeldbruck kommandiert. Am 29.12.1998 legte Dr. Bauer hiergegen Beschwerde ein.

Am 05.02.1999 wurde durch das Lufttransportkommando Münster ein disziplinargerichtliches Verfahren nach den § 86, 87 WDO mit Bekanntgabe der Anschuldigungen eingeleitet.

Nach Stellungnahme des Personalamtes der Bundeswehr, des Wehrdisziplinaranwaltes bei dem Truppendienstgericht Süd für den Bereich des Lufttransportkommandos, des flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe und des Commodore des Lufttransportgeschwaders 61 Penzing wies der Bundesminister der Verteidigung mit Entscheidung vom 01.03.1999 die Beschwerde zurück.

Die Kommandierung wurde weiter verlängert bis zum 19.07.1999.

Am 17.03.1999 wurde mit Dr. Bauer ein Personalgespräch in Köln geführt, um unter anderem ihre persönlichen Vorstellungen zu ihrem weiteren militärischen Werdegang zu erörtern. In diesem Gespräch nahm der von ihr beauftragte Rechtsanwalt Ahnert teil. Dr. Bauer betonte im Personalgespräch sowie in allen darauf folgenden Stellungnahmen immer wieder, daß sie auch weiterhin einen Einsatz als Fliegerärztin im flugmedizinischen Institut der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck strikt ablehne. Auch an einer anderen Verwendung als der als kurativ tätigen Fliegerärztin in Penzing sei sie nicht interessiert.

Auf Wunsch des Generalarztes der Luftwaffe sollte Dr. Bauer nach Möglichkeit in die Entwicklung und Erprobung eines computergesteuerten Simulationsprogramms für Hubschrauberbesatzungsmitglieder am Flugorientierungstrainer mit eingebunden werden, da im Bereich der Luftwaffe allein sie über die hierfür notwendigen waffensystemspezifischen Expertise als Fliegerärztin verfügte.

Bereits am 22.02.1999 hatte der Leitende Sanitätsoffizier des Luftwaffenführungskommandos der BST die Versetzung von Dr. Bauer aus fachlichen Eignungsgründen sowie unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Vermeidung einer potentiellen Gefährdung der Flugsicherheit sowie wegen gesundheitlicher Risiken für die von ihr betreuten Patienten vorgeschlagen. Mit Stellungnahme vom 01.03.1999 teilte der Kommander des Lufttransportkommandos der personalbearbeitenden Dienststelle mit, daß nach seiner Einschätzung eine weitere Verwendung von Dr. Bauer nicht mehr zu verantworten sei, da sie unter anderem eine Gefahr für die Flugsicherheit und die militärische Ordnung darstelle. Am 24.06.1999 wurde der personalbearbeitenden Dienststelle vom Kommander des Lufttransportkommandos dann ein detailliert begründeter Vorschlag zur Versetzung vorgelegt. Zuvor wurde der Entwurf Dr. Bauer am 07.06.1999 zur Stellungnahme bis 10.06.1999 zugeleitet.

Nach eingeräumter Fristverlängerung bis 23.06.1999 nahm sie durch ihren Rechtsanwalt Hermann Winzen am 28.06.1999 hierzu Stellung.

Nach Stellungnahme der Vertrauensperson der Offiziere des Stabes LTG 61 vom 05.07.1999 versetzte das Personalamt der Bundeswehr Abteilung IV mit Entscheidung vom 12.07.1999 Dr. Bauer ab 20.07.1999 bis zum 30.10.2001 an das flugmedizinische Institut der Luftwaffe Abteilung III -Forschung und Lehre -, Fürstenfeldbruck. Die Entscheidung über die Versetzung wurde Dr. Bauer am 16.07.1999 er­öff­net.

Am 16.07.1999 nahm Dr. Bauer verschiedene Medikamente ein in der Absicht, sich das Leben zu nehmen. Sie verfiel aufgrund der Medikamente ins Koma und verstarb infolge der Medikamentenintoxikation am 13.07.2001.

Der Anzeigeerstatter erhob gegen die Beschuldigten Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen sowie sämtlicher weiter in Frage kommender Straftaten. Zur Begründung bezog er sich unter anderem auf den Abschiedsbrief von Dr. Christine Bauer. In diesem ist ausgeführt:

„An alle, die es angeht!

Ich habe mir nicht das Leben genommen, weil ich mir irgendeines Fehlverhaltens bewußt bin oder Angst vor dem Ausgang des Truppendienstverfahrens hätte, sondern weil ich diesem unsäglichen und widerwärtigen Mobbing nicht mehr Stand halte.

Mein Lebensinhalt, die Arbeit als Fliegerarzt im LTG 61 wurde mir gezielt genommen, die genauen Beweggründe von OFA Dr. P. und Oberstarzt Dr. R. sind mir nicht bekannt.

...“

Eine fahrlässige Tötung durch Unterlassen des Bundesministers der Verteidigung liegt jedoch nicht vor:

Voraussetzung wäre, daß durch das Unterlassen einer Handlung der Tod eines Menschen verursacht wurde. Das Unterlassen müßte rechtswidrig sein.

Das Verfahren zur Versetzung von Dr. Bauer wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Entscheidungsträger im formell zutreffend durchgeführten Verfahren war das Personalamt der Bundeswehr, Abteilung IV, in Köln.

Anhaltspunkte, daß der Bundesminister der Verteidigung im Rahmen seiner Dienstaufsicht hätte tätig werden müssen, sind nicht ersichtlich. Es lagen weder rechtliche noch sachliche Fehler vor.

Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen wurde jedoch durch Handlungen oder Unterlassen des Bundesministers der Verteidigung nicht der Tod von Dr. Bauer verursacht. Dr. Bauer hat eigenverantwortlich sich selbst Gift in Form von Medikamenten beigebracht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß Dr. Bauer zum Zeitpunkt der Aufnahme der Medikamente nicht mehr in der Lage war, über sich selbst zu bestimmen und der Bundesminister der Verteidigung dies wußte und erkannt hätte. Bereits aus dem Abschiedsbrief ergibt sich, daß Dr. Bauer Herr der Lage war und ihre Entscheidung, sich selbst das Leben zu nehmen, frei von Entscheidungsmängeln war. In Fällen von eigenverantwortlicher Selbstverletzung oder Selbstgefährdung scheidet § 222 StGB in jedem Fall aus.

Auch die § 223, 229 StGB scheiden aus. Zum einen fehlt es an vorsätzlichen Handlungen oder einem rechtswidrigen Unterlassen des Bundesministers der Verteidigung, zum weiteren sind keine konkreten ursächlichen körperlichen Beeinträchtigungen erkennbar oder dargelegt und des weiteren fehlt es am erforderlichen Strafantrag.

Obwohl immer wieder Mobbingvorwürfe geltend gemacht wurden, wurden körperliche Auswirkungen von der Verstorbenen nicht verfolgt trotz Beschreitung des Rechtswegs gegen sämtliche Anordnungen und trotz Einleitung eines Strafverfahrens gegen Dr. R. mit Weiterverfolgung bis zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Nachdem keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Straftaten des Bundesministers der Verteidigung vorliegen, kann der Anzeige gegen den Bundesminister der Verteidigung vom 02.08.2001 keine Folge gegeben werden.

 

B. Staatsanwältin als Gruppenleiterin


 











Wortlaut:

 

Staatsanwaltschaft

Augsburg

Aktenzeichen; 401 Js 128390/01

Gögginger Straße 101, 86199 Augsburg

08.01.2002

 

Herrn

Ernst G. Jurczyk

Hermann-Löns-Str. 53

29320 Hermannsburg

 

Ermittlungsverfahren gegen        Dr. P.

                                               Dr. R.

wegen fahrlässiger Tötung

 

Sehr geehrter Herr Jurczyk,

das Ermittlungsverfahren habe ich mit Verfügung vom 07.12.2001 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozeßordnung eingestellt.

Gründe:

Die verstorbene Fliegerärztin Dr. Christine Bauer war Sanitätsstabsoffizierfliegerärztin im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Sie war von April 1988 bis Juli 1999 als Fliegerärztin im Stab LTG 61, Penzing eingesetzt.

Im November 1998 wurden gegen sie dienstaufsichtliche Maßnahmen ergriffen. So wurden am 17. und 18.11.1998 durch den Beschuldigten Dr. R., Kommandoarzt des Lufttransportkommandos in Münster und unmittelbarer Fachvorgesetzter für den ärztlichen Bereich, die Diensträume von Dr. Bauer im Fliegerhorst Landsberg überprüft. Aufgrund dieser Überprüfung wurden gegen Dr. Bauer disziplinäre Ermittlungen eingeleitet. Es wurden ihr verschiedene Dienstvergehen zur Last gelegt.

Gegen die Durchsuchung ihrer Diensträume und die Beschlagnahme von Patientenakten erstattete Dr. Bauer durch Rechtsanwalt H. W. am 17.12.1998 Strafanzeige wegen Verletzung des Briefgeheimnisses und von Privatgeheimnissen sowie wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz bei der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den Beschuldigten R.

Mit Verfügung vom 02.03.1999 wurde das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Bescheid des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München vom 07.06.1999 keine Folge gegeben. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Oberlandesgericht München wurde mit Beschluß vom 18.08.1999 als unzulässig verworfen.

Am 28.12.1998 wurde Dr. Bauer durch den Vertreter des Commodore LTG 61 UTL S. für die Zeit vom 29.12.1998 bis 12.03.1999 zum flugmedizinischen Institut Luftwaffe Abteilung III nach Fürstenfeldbruck kommandiert. Am 29.12.1998 legte Dr. Bauer hiergegen Beschwerde ein.

Am 05.02.1999 wurde durch das Lufttransportkommando Münster ein disziplinargerichtliches Verfahren nach den §§ 86, 87 WDO mit Bekanntgabe der Anschuldigungen eingeleitet.

Nach Stellungnahme des Personalamtes der Bundeswehr, des Wehrdisziplinaranwaltes bei dem Truppendienstgericht Süd für den Bereich des Lufttransportkommandos, des flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe und des Commodore des Lufttransportgeschwaders 61 Penzing wies der Bundesminister der Verteidigung mit Entscheidung vom 01.03.1999 die Beschwerde zurück.

Die Kommandierung wurde weiter verlängert bis zum 19.07.1999.

Am 17.03.1999 wurde mit Dr. Bauer ein Personalgespräch in Köln geführt, um unter anderem ihre persönlichen Vorstellungen zu ihrem weiteren militärischen Werdegang zu erörtern. In diesem Gespräch nahm der von ihr beauftragte Rechtsanwalt A. teil. Dr. Bauer betonte im Personalgespräch sowie in allen darauf folgenden Stellungnahmen immer wieder, daß sie auch weiterhin einen Einsatz als Fliegerärztin im flugmedizinischen Institut der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck strikt ablehne. Auch an einer anderen Verwendung als der als kurativ tätigen Fliegerärztin in Penzing sei sie nicht interessiert.

      Auf Wunsch des Generalarztes der Luftwaffe sollte Dr. Bauer nach Möglichkeit in die Entwicklung und Erprobung eines computergesteuerten Simulationsprogramms für Hubschrauberbesatzungsmitglieder am Flugorientierungstrainer mit eingebunden werden, da im Bereich der Luftwaffe allein sie über die hierfür notwendigen waffensystemspezifischen Expertise als Fliegerärztin verfügte.

Bereits am 22.02.1999 hatte der leitende Sanitätsoffizier des Luftwaffenführungskommandos der personalbearbeitenden Dienststelle die Versetzung von Dr. Bauer aus fachlichen Eignungsgründen, sowie unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Vermeidung einer potentiellen Gefährdung der Flugsicherheit sowie wegen gesundheitlicher Risiken für die von ihr betreuten Patienten vorgeschlagen. Mit Stellungnahme vom 01.03.1999 teilte der Kommander des Lufttransportkommandos der personalbearbeitenden Dienststelle mit, daß nach seiner Einschätzung eine weitere Verwendung von Dr. Bauer nicht mehr zu verantworten sei, da sie unter anderem eine Gefahr für die Flugsicherheit und die militärische Ordnung darstelle. Am 24.06.1999 wurde der personalbearbeitenden Dienststelle vom Kommander des Lufttransportkommandos dann ein detailliert begründeter Vorschlag zur Versetzung vorgelegt. Zuvor wurde der Entwurf Dr. Bauer am 07.06.1999 zur Stellungnahme bis 10.06.1999 zugeleitet.

Nach eingeräumter Fristverlängerung bis 23.06.1999 nahm sie durch ihren Rechtsanwalt H. W. am 28.06.1999 hierzu Stellung.

Nach Stellungnahme der Vertrauensperson der Offiziere des Stabes LTG 61 vom 05.07.1999 versetzte das Personalamt der Bundeswehr Abteilung IV mit Entscheidung vom 12.07.1999 Dr. Bauer ab 20.07.1999 bis zum 30.10.2001 an das flugmedizinische Institut der Luftwaffe Abteilung III -Forschung und Lehre-, Fürstenfeldbruck.

Die Entscheidung über die Versetzung wurde Dr. Bauer am 16.07.1999 eröffnet.

Am 16.07.1999 nahm Dr. Bauer verschiedene Medikamente ein in der Absicht, sich das Leben zu nehmen. Sie verfiel aufgrund der Medikamente ins Koma und verstarb infolge der Medikamentenintoxikation am 13.07.2001.

Der Anzeigeerstatter erhob gegen die Beschuldigten Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen sowie sämtlicher weiter in Frage kommender Straftaten. zur Begründung bezog er sich unter anderem auf den Abschiedsbrief von Dr. Christine Bauer. In diesem ist ausgeführt:

„An alle, die es angeht!

Ich habe mir nicht das Leben genommen, weil ich mir irgendeines Fehlverhaltens bewußt bin oder Angst vor dem Ausgang des Truppendienstverfahrens hätte, sondern weil ich diesem unsäglichen und widerwärtigen Mobbing nicht mehr Stand halte.

Mein Lebensinhalt, die Arbeit als Fliegerarzt im LTG 61 wurde mir gezielt genommen, die genauen Beweggründe von OFA Dr. P. und Oberstarzt Dr. R. sind mir nicht bekannt.

...“

Eine fahrlässige Tötung durch Unterlassen der Beschuldigten liegt jedoch nicht vor:

Voraussetzung wäre, daß durch das Unterlassen einer Handlung der Tod eines Menschen verursacht wurde. Das Unterlassen müßte rechtswidrig sein.

Zunächst ist bereits fraglich, welche Handlungen die Beschuldigten Dr. P. und Dr. R. unterlassen haben sollen. In Frage kommen könnte die Verhinderung der Versetzung. Hier ist auszuführen, daß die Beschuldigten Dr. P. und Dr. R. nicht verantwortliche Entscheidungsträger für die Versetzung waren. Zwar mögen die Beschuldigten vom Anzeigeerstatter und von Dr. Bauer als die Initiatoren der Versetzung angesehen werden, Entscheidungsträger im formell zutreffend durchgeführten Verfahren, war das Personalamt der Bundeswehr, Abteilung IV in Köln. Es fehlt daher bereits an einer Handlung bzw. an einem Unterlassen der Beschuldigten.

Darüber hinaus fehlt es an der Rechtswidrigkeit. Das Verfahren zur Versetzung von Dr. Bauer wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Die Beschuldigten hatten auch keine Pflicht zur Verhinderung dieses

Verfahrens.

Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen wurde jedoch durch Handlungen oder Unterlassen der Beschuldigten nicht der Tod von Dr. Bauer verursacht. Dr. Bauer hat eigenverantwortlich sich selbst Gift in Form von Medikamenten beigebracht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß Dr. Bauer zum Zeitpunkt der Aufnahme der Medikamente nicht mehr in der Lage war, über sich selbst zu bestimmen und die Beschuldigten dies wußten und erkannt hätten. Bereits aus dem Abschiedsbrief ergibt sich, daß Dr. Bauer Herr der Lage war und ihre Entscheidung, sich selbst das Leben zu nehmen, frei von Entscheidungsmängeln war. In Fällen von eigenverantwortlicher Selbstverletzung oder Selbstgefährdung scheidet § 222 StGB in jedem Fall aus.

Auch die § 223, 229 StGB scheiden aus. Zum einen fehlt es an vorsätzlichen Handlungen oder einem rechtswidrigen Unterlassen der Beschuldigten, zum weiteren sind keine konkreten ursächlichen körperlichen Beeinträchtigungen erkennbar oder dargelegt und des weiteren fehlt es am erforderlichen Strafantrag.

Obwohl immer wieder Mobbingvorwürfe geltend gemacht wurden, wurden körperliche Auswirkungen von der Verstorbenen nicht verfolgt, trotz Beschreitung des Rechtswegs gegen sämtliche Anordnungen und trotz Einleitung eines Strafverfahrens gegen Dr. R. mit Weiterverfolgung bis zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Nachdem keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Straftaten der Beschuldigten vorliegen, kann der Anzeige gegen die Beschuldigten vom 07.08.2001 keine Folge gegeben werden.

Hochachtungsvoll

Baur


 







Wortlaut:

 

Ernst G. Jurczyk

Mobbing-Zentrale Hamburg e.V.

Hermann-Löns-Str. 53

D -  29320 Hermannsburg

 

Staatsanwaltschaft Augsburg

Gögginger Straße 101

86199 Augsburg

01. Februar 2002

 

Betrifft: 401 Js 128390/01 Bezug: Zeichen: 01-08-02/bau      

 

Sehr geehrte Damen und Herren.

 

Am 23.01.2002 habe ich Ihre Einstellungsverfügung zu o.a. Aktenzeichen erhalten.

Die Einstellungsverfügung basiert auf falschen Voraussetzungen und ist in der Begründung weder schlüssig noch im erforderlichen Umfang recherchiert. Ein Verdächtiger wird nicht erwähnt. Wichtige Zeugen wurden nicht gehört.

Die Einstellungsverfügung kann so nicht akzeptiert werden. Die Strafanzeige vom 02.08.2001 bleibt aufrecht erhalten.

Ich bitte, nunmehr eine objektive Untersuchung der Gründe, die zu dem Suizid von Frau Dr. Bauer geführt haben, durchzuführen. Dazu gehört auch die Klärung der Frage, wurde Frau Christine Bauer gemobbt.

 

Begründung:

 

Christine Bauer, weitere Personalien bekannt, hat am 16.07.1999 einen Giftcocktail zu sich genommen mit dem Ziel, aus dem Leben zu scheiden. Sie verfiel in ein Wachkoma und verstarb an den Folgen am 13.07.2001. Sie hinterließ den in Kopie vorliegenden Abschiedsbrief, in dem sie die Motive für ihren Suizid anführte. Sie sagt darin dezidiert aus, dass sie aus dem Leben scheidet, weil sie das gegen sie betriebene Mobbing nicht mehr aushält. Sie benennt als Mobber die Vorgesetzten P. und R.. Sie wirft den von ihr kontaktierten Politikern Untätigkeit vor und unterstreicht damit einmal mehr ihre Verzweiflung über die Ignoranz der sie emotional sehr stark belastenden Situation.

Nach den mir vorliegenden Hinweisen von ihnen bereits benannten Zeugen, war Frau Dr. Bauer -  wie sie selbst es auch immer wieder formuliert hat - einem Mobbing von Seiten der Vorgesetzten ausgesetzt. Man hat von höchster Ebene aus angeblich seit Jahren versucht, die unbequeme Person Bauer los zu werden. Schließlich war man durch Aufbauschung von alltäglichen Kleinigkeiten erfolgreich und konnte die unliebsame Mitarbeiterin „beseitigen“.

Sicher lag es nicht unbedingt im Interesse der diese „Beseitigung“ betreibenden Personen, Frau Bauer restlos zu vernichten und in den Tod zu treiben, doch hat man die psychische Belastung bewusst und erfolgreich eingesetzt, um ihr das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl zu nehmen. Wie Sie wissen, war Frau Bauer mit ihrem Widerstand auf dem Rechtsweg noch nicht am Ende. Man hat letztlich das Verfahren für beendet erklärt, weil Frau Bauer nicht mehr handlungsfähig war.

Sie dagegen begründen Ihre Einstellung ausschließlich mit den Ergebnissen der disziplinären

Untersuchung und vertrauen damit den Aussagen der von mir Verdächtigten mehr, als die

Gesamtumstände einmal aus neutraler oder der Sicht der Betroffenen zu betrachten.

Die Ansicht der Geschädigten wird von mehreren Beteiligten geteilt. Die Klärung der Mobbingfrage ist obligatorisch, will man den gesamten Sachverhalt strafrechtlich würdigen.

Frau Dr. Bauer ist tot. Sie starb nicht freiwillig, sondern befand sich in schwerer depressiver Phase, in der sie keine Kontrolle mehr über sich hatte. Auslöser war die endgültige Versetzungsverfügung, die nicht zurückgehalten wurde, obwohl sie bis zuletzt auf eine Intervention ihres höchsten Vorgesetzten, dem Verteidigungsminister, gehofft hatte.

Ihre Vorgesetzten waren die Initiatoren dieser als Verschwörung zu bezeichnenden Aktion. Sie waren gezwungen, den von ihnen beschrittenen Weg weiter zu gehen, obwohl es ihnen als Vorgesetzte nach § 30 Wehrstrafrecht untersagt war, Untergebene zu mißhandeln. In den Folgeparagraphen wird die entwürdigende Behandlung, der Mißbrauch der Befehlsbefugnis, die Unterdrückung von Beschwerden und der Mißbrauch der Disziplinargewalt behandelt. Ich empfehle Ihnen daher als Lektüre das Wehrstrafgesetz, um sich eine Vorstellung davon machen zu können, welche Verstöße die belasteten Vorgesetzten begangen haben könnten, wenn wir unterstellen, Frau Bauer sagte die Wahrheit.

Als Vorgesetzte hatten die Beschuldigten aber auch eine Fürsorgepflicht für die Untergebene. Mit ihrer Ausbildung hätten sie in der Lage sein müssen, die Verzweiflung ihrer Mitarbeiterin zu erkennen und waren verpflichtet, ihr Hilfe zur Stabilisierung ihres Gemütszustandes zukommen zu lassen. Da sie gleichzeitig aber die emotionalen Gegner ihrer Untergebenen waren, mußten sie zwangsläufig alles unterlassen, was der Stärkung ihres bekämpften „Gegners“ dienlich sein konnte. Mobbingaktionen gehen einher mit einer gezielten, nachhaltigen Rufschädigung des Opfers. Als Vorgesetzte mußten sie Argumente gegen ihre lästige Mitarbeiterin suchen, um ein potentielles Disziplinarverfahren erfolgreich durchführen zu können. Ihrem Opfer gleichzeitig den Rücken zu stärken hatte die gesamte Aktion gefährdet und mußte aus taktischen Gründen unterbleiben.

Auch der höchste Vorgesetzte, Verteidigungsminister Schar­ping, wurde von der Soldatin in ihrer Verzweiflung um Hilfe gebeten. Er hat den (vorausgesetzt, es handelte sich tatsächlich um eine Willküraktion, die gezielt gegen Frau Bauer durchgeführt wurde) manipulierten Berichten, die auch Ihnen als Einstellungsbegründung als Vorlage dienten, geglaubt und kein Bedürfnis gehabt, der verzweifelten Frau ein Gespräch anzubieten, geschweige denn, die den Suizid auslösende Versetzungsverfügung zurück zu halten.

Herrn Scharping war die Situation durch Fürsprache von U. T. und der damaligen Wehrbeauftragten C. M. bekannt. Er sollte auch die Reaktionen kennen, zu denen Menschen in Extremsituationen fähig sind. Mobbing kann jeden Men­schen an die Grenze der Belastungsfähigkeit bringen.

Da er die Vorgänge um Frau Dr. Bauer gekannt haben muß und nicht reagierte, hat er gegen die Fürsorgepflicht verstoßen, die ihm das Gesetz als Dienstherr vorschreibt.

Sein Nichthandeln geschah natürlich nicht mit der gleichen Intention wie bei den anderen Verdächtigen und ist im Bereich der Fahrlässigkeit anzusiedeln.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die direkten Vorgesetzten, als auch der höchste Vorgesetzte aufgrund ihrer Garantenstellung aus der Fürsorgepflicht die Verantwortlichkeit hatten, sich der Untergebenen anzunehmen. Da sie es nicht taten, handelten sie rechtswidrig.

Durch ihr rechtswidriges Nichthandeln haben sie den Tod eines Menschen verursacht, wobei es unerheblich ist, ob sie für die Versetzung direkt verantwortlich waren. Allerdings ist bei der Schuldfrage zu berücksichtigen, wie intensiv die vorher gezeigten Bestrebungen zu bewerten sind, die das Opfer in die psychische Extremsituation getrieben haben.

Den Beschuldigten R. und P. wird auch nicht die Verantwortung für die Versetzung gegeben, wie die Staatsanwaltschaft richtig argumentiert, doch war dies den Beschuldigten auch nicht vorgeworfen worden. Sie hatten auch keine Pflicht zur Verhinderung des Verfahrens. Die Staatsanwaltschaft hat aber die Prüfung der eigentlichen Verpflichtungen dieser Vorgesetzten unterlassen, die bereits in der Strafanzeige definiert wurden.

In dem Zusammenhang mutet es schon als Zynismus an, wenn die Staatsanwaltschaft argumentiert, daß Frau Dr. Bauer sich eigenverantwortlich das Gift beigebracht hat und zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung „Herr“ der Lage war und ihre Entscheidung frei von Entscheidungsmängeln war.

Ein Mensch hat sich das Leben genommen, der sich in psychischer Ausnahmesituation befand und seinen Lebensinhalt genommen sah. Die Versetzungsverfügung steht in Korrelation mit dem Suizid, denn beides erfolgte am gleichen Tag, und der Suizid wird von der Verstorbenen mit dem gegen sie gerichteten Mobbing begründet.

Wegen gravierender Ermittlungsfehler muß daher gegen die Einstellungsverfügung Beschwerde eingelegt werden. Es wird gebeten, gemäß § 160 StPO dem gesetzlichen Auftrag zu genügen und den Sachverhalt objektiv zu erforschen und

>          nunmehr einen Sachverständigen hinzuzuziehen, der eine Untersuchung durchführt mit dem Ziel der Sachverhaltsfeststellung und Bewertung der Situation von Frau Dr. Bauer unter besonderer Berücksichtigung des Mobbingvorwurfes,

>     ein psychologisches Gutachten einzuholen, um die Zurechnungsfähigkeit des Opfers vor Einnahme des Giftcocktails festzustellen,

>     die Zeugen zu den Vorgängen gegen Frau Dr. Bauer zu vernehmen und die Aussagen den Sachverständigen zur Verfügung zu stellen (Zeugen wurden in der Strafanzeige und im Nachtrag benannt).

Es gilt auch die Frage zu klären, ob Frau Dr. Bauer auch aus dem Leben geschieden wäre, wenn man ihr geglaubt hätte und ob die Bundeswehrführung nicht auch dann eine Verpflichtung zur Intervention gehabt hätte, wenn man Mobbing gegen Frau Dr. Bauer zwar negiert, die psychischen Folgen von dann vorliegendem „Putativmobbing“ aber hätte erkennen müssen.

Bitte teilen Sie mir die neue Geschäftsnummer und den Ausgang der Beschwerde mit.

Mit freundlichem Gruß

 

Anmerkung:

 

Wir können den Tod von Frau Dr. Bauer nicht rückgängig machen, doch werden wir es auch nicht hinnehmen, daß leichtfertig über die Ursache ihres Freitodes hinweggegangen wird.

Wie stark das Gewissen der Mitschuldigen ausgeprägt ist, vermögen wir nicht zu beurteilen, doch wäre es für Frau Dr. Bauer und alle anderen Mobbingopfer, die den Freitod gewählt haben, eine Rehabilitation und ein Zeichen von Demut, würden die Schuldigen Reue zeigen und bekennen.

Nicht die Bestrafung ist das Ziel, sondern Schaffung von Bewußtsein.

Zu Ihrer Information fügen wir eine Arbeitshilfe bei, die von der Gewerkschaft der Polizei  herausgegeben und von Dr. Axel Esser verfaßt wurde. Sie ist einfach und verständlich und gibt die Situation eines Betroffenen bei stattfindendem Mobbing wieder.

 

 


 









Wortlaut:

 

Der Generalstaatsanwalt

bei dem Oberlandesgericht München

München, den 20. März 2002

Geschäftszeichen:        IV Zs 755/2002 /

(Bitte stets angeben!)

 

„Mobbing-Zentrale Hamburg e.V.“

z. Hd. Herrn Ernst G. Jurczyk

Hermann-Löns-Straße 53

29320 Hermannsburg

 

Ermittlungsverfahren gegen Dr. P. und Dr. R. wegen fahrlässiger Tötung

hier: Aufsichtsbeschwerde der Antragstellerin „Mobbing-Zen­trale Hamburg e.V.“, vertreten durch Ernst G. Jurczyk, Hermann-Löns-Straße 53, 29320 Hermannsburg, vom 01. Februar 2002 gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 03. Dezember 2001, Gz. 401 Js 128390/01

 

Bescheid

 

Der Aufsichtsbeschwerde vom 01. Februar 2002 gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 03. Dezember 2001 gebe ich keine Folge.

Auf die vorbezeichnete Beschwerde wurden die einschlägigen Vorgänge von mir unter Beiziehung der Akten überprüft. Ergebnis ist, daß die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Augsburg, der Anzeige gemäß § 152 Abs. 2 StPO keine Folge zu geben, der Sach- und Rechtslage entspricht.

Insoweit wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die zutreffende Begründung der angegriffenen Verfügung Bezug genommen.

Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Bei dem Begriff Mobbing handelt es sich nicht um einen eigenständigen juristischen Tatbestand. Die rechtliche Einordnung der unter diesen Begriff zusammenzufassenden Verhaltensweisen beurteilt sich ausschließlich danach, ob diese die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift erfüllen, aus welcher sich die gewünschte oder behauptete Rechtsfolge herleiten läßt.

Das Landesarbeitsgericht Thüringen hat in seiner Entscheidung vom 10. April 2001, Az.: 5 Sa 403/00, folgenden Leitsatz entwickelt:

„Ob ein Fall von ‚Mobbing‘ vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umfang und im allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhal­ten erforderlich. Im wie hier gegenständlichen ar­beits­recht­lichen Verständnis erfaßt der Begriff des Mob­bings fort­ge­setzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung erforderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen....

Zur rechtlich zutreffenden Einordnung kann dem Vorliegen von falltypischen Indiztatsachen eine ausschlaggebende Rol­le zukommen, wenn eine Konnexität zu den von dem Be­troffenen vorgebrachten Mobbinghandlungen besteht. Ein wechselseitiger Eskalationsprozeß, der keine klare Täter-Op­fer-Beziehung zuläßt, steht regelmäßig der Annahme ei­nes Mobbingsachverhalts entgegen.“

Im hier gegenständlichen strafrechtlichen Verfahren ist zu sehen, daß insbesondere von dritter Seite pauschale Mobbingvorwürfe gegen diverse Personen erhoben werden. Konkretisierbare Handlungen bestimmbarer Personen, die unter den Begriff des Mobbings subsumierbar wären und nicht rechtmäßige im Rahmen des bundeswehrrechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses Maßnahmen dar­stellen, werden nicht behauptet. Es geht nicht an, Ver­mu­tungen, was gewesen sein könnte, aufzustellen, sondern notwendig sind nachweisbare Handlungen, die einzelnen Personen zugeordnet werden können, die die Verstorbene Dr. Christine Bauer in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder in ihren Rechten wie Ehre oder Gesundheit verletzt haben. Im strafrechtlich relevanten Zusammenhang bedeutet dies, daß die Tatbestände etwa der Beleidigung, falschen Verdächtigung oder Körperverletzung gegeben sein müßten.

Anhaltspunkte für eine falsche Verdächtigung, d. h. das Behaupten wider besseren Wissens einer rechtswidrigen Tat, liegen, selbst in den umfangreichen Schriftsätzen der Verstorbenen nicht vor.

Für die Tatbestände der Beleidigung und Körperverletzung fehlt es allein schon an den zur Verfolgung notwendigen Strafanträgen. Darüber hinaus hat selbst die Verstorbene in ihren umfangreichen Beschwerdeschriftsätzen nicht die Behauptung aufgestellt, in ihrer Ehre verletzt worden zu sein oder durch konkretisierbare Mobbinghandlungen an der Gesundheit geschädigt worden zu sein. Daher läßt sich auch aus den pauschal erhobenen Vorwürfen der Anzeigeerstatterin kein derartiger strafrechtlicher Tatbestand bejahen.

Zum Tötungsvorwurf des Beschwerdeführers ist auszuführen, daß Selbsttötung straflos ist und daher auch der Versuch oder die Teilnahme einer solchen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes straflos ist. Daraus folgt nach ständiger Rechtsprechung auch, daß die fahrlässige Mitverursachung einer Selbsttötung oder eine sonstige fahrlässige Veranlassung des eigenverantwortlichen Handelns eines Selbstschädigers straflos ist. Eine Handlungspflicht im Sinne von § 13 StGB tritt beim freiverantwortlichen Suizidenten nach ständiger Rechtsprechung erst mit dessen Handlungsunfähigkeit ein. Dieser Zeitpunkt war bei der Verstorbenen frühestens ab Einnahme des Giftcocktails anzunehmen. Aber selbst die Anzeigeerstatter behaupten nicht, daß die Beschuldigte ab diesem Zeitpunkt eine Handlungspflicht nicht beachtet hätte, zumal keiner der Beschuldigten von der Einnahme des Giftes durch die Verstorbene Kenntnis hatte. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Verstorbene nicht frei verantwortlich gehandelt hätte. Allein schon ihr berufliches Agieren sowie ihre Beschwer­devorbringen vor der Tat wie auch die klare Diktion des Abschiedsbriefes belegen, daß die Verstorbene nicht in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt oder gar aufgehoben war. Die pauschale Behauptung, die Verstorbene sei psychisch stark angegriffen gewesen, belegt weder die Aufhebung der Freiverantwortlichkeit noch ist sie ein Indiz hierfür. Auch die Tatsache, daß Dr. Christine Bauer Selbstmord verübt hat, ist nicht per se ein Indiz für Handlungsunfähigkeit.

Daher muß es mit der Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 03. Dezember 2001 sein Bewenden haben.

 

Im Auftrag

 

J. Oberstaatsanwalt


 

 



Wortlaut:

 

Ernst G. Jurczyk

Leiter „AK Polizei“ der

Mobbing-Zentrale Hamburg e.V.

Hermann-Löns-Str. 53

D - 29320 Hermannsburg

 

Eva Christ

 

03. April 2003

 

Liebe Eva,

 

anliegend übersende ich Ihnen den erbetenen Schriftwechsel mit der Staatsanwaltschaft und der ehem. Justizministerin Prof. Dr. Herta Däubler Gmelin.

Leider habe ich keine schriftliche Antwort erhalten sondern nur Rückrufe von einem Herrn S. aus dem Justizministerium. Seine Telefonnummer war vermutlich

Er war sehr nett und suggerierte Verständnis, doch ergab sich letztlich, daß sich das Justizministerium nicht in die Belange des Sozialministeriums einmischen wollte/konnte. Na ja, einen Versuch war es allemal wert.

Ich hoffe sehr, daß Ihr Buch ein Erfolg wird und etwas bewirkt. Gegen mich hatte übrigens der Dr. R. eine Beschwerde über das Nds. Innenministerium verfaßt, weil ich ihn namentlich im Internet genannt und als Mobber bezeichnet hatte. Er „litt darunter sehr“. Aus dem Grunde hatte ich vor einiger Zeit die Namen gekürzt (auch, weil das Verfahren ja nun endgültig eingestellt worden ist und keine aktuelle Notwendigkeit der vollen Namensnennung mehr besteht). Die Untersuchung hat ergeben, daß meine Handlungsweise nicht zu beanstanden ist, da ich die Antworten der StA auch zur Verfügung gestellt hatte.

So, zur Zeit läuft die 0190er Aktion. Bin hier sehr gespannt, was dabei herauskommt, denn hier werden Familien in finanzielle Nöte gestürzt, weil sie als Endnutzer nicht alle Schlichen der Betrüger und ihre Unterstützer (z.B. Telekom) kennen und nicht wissen, welche Kosten entstehen können.

Würde mich freuen, mal wieder etwas von Ihnen zu hören und wünsche Ihnen alles Gute






Wortlaut:

 

Ernst G. Jurczyk

Hermann-Löns-Str. 53

29320 Hermannsburg                                                                                            URL:       www.poli2.de

                                                                                                                                        

Der Generalstaatsanwalt

bei dem OLG München

Nymphenburger Straße 16

80335 München

21. April 2002

 

Betrifft: Aufsichtsbeschwerde Bezug: Zeichen: IV Zs  755/ 2002                               

 

Sehr geehrte Damen und Herren.

 

Am 22.03.2002 habe ich Ihren Bescheid zu o.a. Aktenzeichen erhalten.

In den Ermittlungsverfahren gegen Dr. P. und Dr. R. waren von der StA Augsburg unter Az. 401 Js 128390/01 nach § 170 (2) StPO sowie gegen den Bundesverteidigungsminister R. S. unter Az. 170 AR 2005/01 nach § 152 (2) StPO Einstellungen verfügt worden.

Diese Einstellungen konnten von uns nicht akzeptiert werden, da unseres Erachtens nicht im erforderlichen Umfang recherchiert worden sein konnte. Wir hielten unsere Strafanzeige mit Schreiben vom 01.02.2002 aufrecht.

In Ihrem Bescheid vorn 20.03.2002 folgen Sie der Auffassung der StA Augsburg in Sachen Einstellung zu

Az. 401 Js 128390/01. Die Einstellung zu dem Az. 170 AR 2005/01 erreichte uns später, wurde aber bereits von der Beschwerde mit erfaßt.

 

Da wir immer noch der Meinung sind, daß hier nicht in dem erforderlichen Umfang recherchiert wurde, erheben wir auch gegen Ihren Bescheid

 

Beschwerde.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden, verweisen wir im Grundsatz auf unsere vorausgegangenen Ausführungen und geben in Bezug auf die Begründung der Generalstaatsanwaltschaft zu bedenken, daß der Suizid von Frau Dr. Bauer in Korrelation zu der Umsetzungsverfügung steht. Dieser Umsetzungsverfügung ist ein jahrelanger Streit vorausgegangen, den wir und auch die Verstorbene als Mobbing definieren, das von Vorgesetzten ausgegangen ist, um eine unliebsame Mitarbeiterin aus dem Dienstbereich zu entfernen. Diesbezüglich liegen mir Notizen über Äußerungen von Freunden und Bekannten und eine Kopie des Abschiedsbriefes vor.

Zweifellos gibt es immer einmal dienstliche Erfordernisse, Mitarbeiter disziplinieren zu müssen. Diese Disziplinarmaßnahmen dürfen aber nicht vorgeschoben werden, um einen anderen Zweck als Abschaltung eines dienstlich potentiell falschen Verhaltens zu erreichen. Wenn diese Disziplinarmaßnahmen willkürlich und überzogen und nur mit dem Ziel der Versetzung durchgeführt werden, bezeichnen wir dieses Verhalten - gerade bei den besonderen Unterstellungsverhältnissen (Befehl und Gehorsam) bei der Bundeswehr - als Mobbing oder Bossing. Es ist dann keinesfalls mehr ein wechselseitiger Eskalationsprozeß, der keine klare Täter-Opfer-Beziehung zulässt. Frau Dr. Bauer war der unterlegene Part, weil die Untersuchung von vornherein nach unseren Erkenntnissen mit dem Ziel der Entfernung geführt wurden und ihr nicht das garantierte Wohlwollen Ihrer Vorgesetzten entgegengebracht wurde.

Sie selbst empfand die Behandlung ebenfalls als Mobbing und bekräftigte ihre Einschätzung damit, daß sie in ihrem Abschiedsbrief Anklage erhob. Dieser Abschiedsbrief ist durchaus als Strafantrag zu definieren.

Die Staatsanwaltschaft begründet ihren Bescheid unter anderem damit, „daß insbesondere von dritter Seite pauschale Mobbingvorwürfe gegen diverse Personen erhoben werden, die unter dem Begriff des Mobbing subsumierbar wären.“

Dies ist in der Tat richtig, denn unser Verdacht entstand nach Kenntnisnahme des Abschiedsbriefes der Verstorbenen und nach Eingang weiterer Informationen von Zeugen.

Dieser Anfangsverdacht sollte unseres Erachtens durchermittelt werden. Dabei erscheint es nicht ausreichend, sich allein anhand der bestehenden Aktenlage zu informieren, da hier sicher keine Widersprüche zu finden sind. Gerade bei Mobbing liegt die den Betroffenen belastende Situation ja in den subversiven Aktionen der Täter, die nach außen Loyalität und Ehrhaftigkeit zeigen und dafür volle Glaubwürdigkeit ernten. Bei den besonderen Unterstellungsverhältnissen wirken sich Willkür und Manipulation auf die Betroffenen in besonderem Maße aus und werden als Mobbing empfunden, da sich der für sie als rechtssicher empfundene Raum ihrer Arbeitswelt in proportionaler Relevanz zu dem Wohlwollen und der Aufrichtigkeit der Vorgesetzten befindet.

Frau Dr. Bauer empfand sich ungerecht und in den Maßnahmen überzogen behandelt. Diese Behandlung durch ihre Vorgesetzten hatte definitiv zur Folge, daß Frau Dr. Bauer einen Selbsttötungsversuch unternahm, an dessen Folgen sie starb.

Mit ihrer öffentlichen Anklage „Ich habe mir nicht das Leben genommen, weil ich mir irgendeines Fehlverhaltens bewusst bin oder Angst vor dem Ausgang des Truppendienstverfahrens hätte, sondern weil ich diesem unsäglichen und widerwärtigen Mobbing nicht mehr standhalte...“ hat sie ihre Motive mitgeteilt.

 

Es ist nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die ursächlichen Zusammenhänge zu ermitteln. Sollte sich dabei herausstellen, daß Frau Dr. Bauer willkürlich und überzogen behandelt wurde und die Maßnahmen gegen sie tatsächlich als Mobbing zu bezeichnen sind, dann sind die Schuldigen auch zu verurteilen.

Frau Dr. Bauer hätte sicher keinen Suizidversuch unternommen, wären die Maßnahmen auch von ihr nachvollziehbar gewesen und hätte sie ihre Schuld für sich einräumen können. Insofern besteht schon eine starke Korrelation zwischen der letztlich ergangenen Versetzung aufgrund der Vorgesetzteninitiative und dem Suizid.

Dieser Suizid - und da sollte die Staatsanwaltschaft sich von sachverständigen Ärzten beraten lassen - geschah in der Situation, in der sich Frau Dr. Bauer befand, durchaus in einem Zustand starker Frustration und Hoffnungslosigkeit, der ihre freie Entscheidung auf ihre Gefühlsebene beschränkte und keinen Platz für rationale Erwägungen ließ. Gerade die klare Diktion des Abschiedsbriefes harmoniert nicht mit dem folgenden Suizid. Kein Mensch von klarem Verstand bereitet seinem Leben ein Ende, wenn nicht der Körper aufgrund einer Krankheit das Leben nicht mehr lebenswert machte. Frau Dr. Bauer war aber offensichtlich körperlich gesund. Und doch litt sie psychisch und emotional an der Behandlung ihrer Vorgesetzten. Diese Behandlung machte das Leben für einen körperlich gesunden Menschen nicht mehr lebenswert. Wie ein unheilbar Kranker, der erkennen muß, daß seine Krankheit nicht mehr heilbar ist, meinte Frau Dr. Bauer zu erkennen, daß ihre seelische Qual mit Erhalt der Versetzungsverfügung unheilbar sei und beendete durch den Suizid ihr Leiden.

Unseres Erachtens irrt daher die Staatsanwaltschaft, wenn sie behauptet, das berufliche Agieren sowie ihre Beschwerdevorbringen vor der Tat wie auch die klare Diktion des Abschiedsbriefes sei ein Beleg dafür sei, daß die Verstorbene nicht in ihrer Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit erheblich eingeschränkt oder gar aufgehoben gewesen wäre.

Sie selbst empfand die Behandlung ebenfalls als Mobbing und bekräftigte ihre Einschätzung damit, daß sie in ihrem Abschiedsbrief Anklage erhob. Dieser Abschiedsbrief ist durchaus als Strafantrag zu definieren.

Die Staatsanwaltschaft begründet ihren Bescheid unter anderem damit, „daß insbesondere von dritter

Seite pauschale Mobbingvorwürfe gegen diverse Personen erhoben werden, die unter dem Begriff des Mobbing subsumierbar wären.“

Dies ist in der Tat richtig, denn unser Verdacht entstand nach Kenntnisnahme des Abschiedsbriefes der Verstorbenen und nach Eingang weiterer Informationen von Zeugen.

Dieser Anfangsverdacht sollte unseres Erachtens durchermittelt werden. Dabei erscheint es nicht ausreichend, sich allein anhand der bestehenden Aktenlage zu informieren, da hier sicher keine Widersprüche zu finden sind. Gerade bei Mobbing liegt die den Betroffenen belastende Situation ja in den subversiven Aktionen der Täter, die nach außen Loyalität und Ehrhaftigkeit zeigen und dafür volle Glaubwürdigkeit ernten. Bei den besonderen Unterstellungsverhältnissen wirken sich Willkür und Manipulation auf die Betroffenen in besonderem Maße aus und werden als Mobbing empfunden, da sich der für sie als rechtssicher empfundene Raum ihrer Arbeitswelt in proportionaler Relevanz zu dem Wohlwollen und der Aufrichtigkeit der Vorgesetzten befindet.

Frau Dr. Bauer empfand sich ungerecht und in den Maßnahmen überzogen behandelt. Diese Behandlung durch ihre Vorgesetzten hatte definitiv zur Folge, daß Frau Dr. Bauer einen Selbsttötungsversuch unternahm, an dessen Folgen sie starb.

Mit ihrer öffentlichen Anklage „Ich habe mir nicht das Leben genommen, weil ich mir irgendeines Fehlverhaltens bewusst bin oder Angst vor dem Ausgang des Truppendienstverfahrens hätte, sondern weil ich diesem unsäglichen und widerwärtigen Mobbing nicht mehr standhalte...“ hat sie ihre Motive mitgeteilt.

Es ist nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft, die ursächlichen Zusammenhänge zu ermitteln. Sollte sich dabei herausstellen, daß Frau Dr. Bauer willkürlich und überzogen behandelt wurde und die Maßnahmen gegen sie tatsächlich als Mobbing zu bezeichnen sind, dann sind die Schuldigen auch zu verurteilen.

Frau Dr. Bauer hätte sicher keinen Suizidversuch unternommen, wären die Maßnahmen auch von ihr nachvollziehbar gewesen und hätte sie ihre Schuld für sich einräumen können. Insofern besteht schon eine starke Korrelation zwischen der letztlich ergangenen Versetzung aufgrund der Vorgesetzteninitiative und dem Suizid.

Dieser Suizid - und da sollte die Staatsanwaltschaft sich von sachverständigen Ärzten beraten lassen - geschah in der Situation, in der sich Frau Dr. Bauer befand, durchaus in einem Zustand starker Frustration und Hoffnungslosigkeit, der ihre freie Entscheidung auf ihre Gefühlsebene beschränkte und keinen Platz für rationale Erwägungen ließ. Gerade die klare Diktion des Abschiedsbriefes harmoniert nicht mit dem folgenden Suizid. Kein Mensch von klarem Verstand bereitet seinem Leben ein Ende, wenn nicht der Körper aufgrund einer Krankheit das Leben nicht mehr lebenswert machte. Frau Dr. Bauer war aber offensichtlich körperlich gesund. Und doch litt sie psychisch und emotional an der Behandlung ihrer Vorgesetzten. Diese Behandlung machte das Leben für einen körperlich gesunden Menschen nicht mehr lebenswert. Wie ein unheilbar Kranker, der erkennen muß, daß seine Krankheit nicht mehr heilbar ist, meinte Frau Dr. Bauer zu erkennen, daß ihre seelische Qual mit Erhalt der Versetzungsverfügung unheilbar sei und beendete durch den Suizid ihr Leiden.

Unseres Erachtens irrt daher die Staatsanwaltschaft, wenn sie behauptet, das berufliche Agieren sowie ihre Beschwerdevorbringen vor der Tat wie auch die klare Diktion des Abschiedsbriefes sei ein Beleg dafür sei, daß die Verstorbene nicht in ihrer Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit erheblich eingeschränkt oder gar aufgehoben gewesen wäre.

 

 


 



 

 



Wortlaut:

 

Der Generalstaatsanwalt

bei dem Oberlandesgericht München

München, den 18. Mai 2002

Geschäftszeichen:        IV Zs 1433/2002

(Bitte stets angeben!)

 

„Mobbing-Zentrale Hamburg e.V.“

Ernst G. Jurczyk

Hermann-Löns-Straße 53

29320 Hermannsburg

 

Strafanzeige der „Mobbing-Zentrale Hamburg e.V.“, vertreten durch Ernst G. Jurczyk, Hermann-Löns-Straße 53, 29320 Hermannsburg vom 2. August 2001 gegen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping wegen fahrlässiger Tötung

hier:  Aufsichtsbeschwerde der Antragstellerin „Mob­bing-Zen­trale Hamburg e.V.“, vertreten durch Ernst G. Jurczyk, Hermann-Löns-Straße 53, 29320 Hermannsburg, vom 21. April 2002 gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 18. Dezember 2001 (formlos mitgeteilt mit Datum vom 16. Januar 2002), Gz.: 170 AR 2005/01

 

Bescheid

 

Der Aufsichtsbeschwerde vom 21. April 2002 gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 18. Dezember 2001 (formlos mitgeteilt mit Datum vom 18. Januar 2002) gebe ich keine Folge.

 

 

Auf die vorbezeichnete Beschwerde wurden die einschlägigen Vorgänge von mir unter Beiziehung der Akten überprüft. Ergebnis ist, daß die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Augsburg, der Anzeige gemäß § 152 Abs. 2 StPO keine Folge zu geben, der Sach- und Rechtslage entspricht.

Insoweit wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die zutreffende Begründung der angegriffenen Verfügung Bezug genommen.

Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Im übrigen ist auf die umfangreichen Ausführungen zu verweisen, die im Parallelverfahren gegen OFA Dr. P. und Oberstarzt Dr. R. (Gz.: 401 Js 128390/01 der Staatsanwaltschaft Augsburg) im hiesigen Beschwerdebescheid vom 20. März 2002 (Gz.: IV Zs 755/2002) gemacht wurden. Das Beschwerdevorbringen enthält insoweit keine relevanten neuen ‚Tatsachen, Beweismittel oder rechtliche Erwägungen,. die eine Abhilfe rechtfertigen würden.

Daher muß es mit der Verfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 18. Dezember 2001 (formlos mitgeteilt mit Datum vom 16. Januar 2002) sein Bewenden haben.

 

Im Auftrag

 

J. Oberstaatsanwalt

 

 

 

 

 

 


 







Wortlaut:

 

Ernst 0. Jurczyk

Leiter „AK Polizei“ der

Mobbing-Zentrale Hamburg e.V. Hermann-Löns-Str. 53

D-29320 Hermannsburg

 

Bundesministerium der Justiz

Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin

Mohrenstraße 37

10117 Berlin

                                                                                                                                               22. Mai 2002

 

Betrifft:  Chat in der Augsburger Allgemeinen    Bezug:                             Ihre Bitte um Information         vom: 08.05.2002     Pseudonym: michael k.

 

Sehr verehrte Frau Ministerin Prof. Dr. Däubler-Gmelin.

 

Am Mittwoch, 08.05.2002, konnte man auf Initiative der Augsburger-Allgemeinen zwischen 15:30 Uhr und 16:00 Uhr mit Ihnen chatten. Sie befanden sich zu dem Zeitpunkt offensichtlich in der Redaktion der Zeitung. Ich chattete als „michael k.“ mit Ihnen und teilte Ihnen mit, daß sich ein Mensch nach intensivem Mobbing das Leben genommen hafte. Sie erklärten Ihr Interesse und forderten mich auf, Ihnen zu schreiben, wenn Sie helfen könnten.

Hilfe einer Justizministerin kann ein Mobbingopfer immer gebrauchen, und daher schreibe ich Ihnen.

Die Geschichte, von der ich berichten will, fand vor einigen Jahren, genauer in der Nacht vom 16.07. zum 17.07.1999 in Penzing statt:

An dem Tage erhielt die Bundeswehrärztin Dr. Christine Bauer eine Versetzungsverfügung von Penzing nach Fürstenfeldbruck, die trotz aller Anträge den Weg durch die Instanzen gegangen war. Vorgesetzte hatten der Fliegerärztin vorgeworfen, ihre Dienstpflichten mehrmals verletzt zu haben. Die bei den Soldaten äußerst beliebte Medizinerin wiederum hatte eine Durchsuchung ihres Büros als Teil einer gegen sie lancierten Mobbingkampagne gewertet. Nachdem sie zuvor bereits vorläufig nach Bruck abkommandiert worden war, kam für sie der endgültige Versetzungsbefehl am 16. JuIi 1999 einer Vorverurteilung gleich: In der Nacht zum 17. JuIi verfaßte Christine Bauer daraufhin den folgenden Brief:

An alle, die es angeht!

Ich habe mir nicht das Leben genommen, weil ich mir irgendeines Fehlverhaltens bewußt bin oder Angst vor dem Ausgang des Truppendienstverfahrens hätte, sondern weil ich diesem unsäglichen und Widerwärtigen Mobbing nicht mehr standhalte.

Mein Lebensinhalt, die Arbeit als Fliegerarzt im LTG 61 wurde mir gezielt genommen, die genauen Beweggründe von OFA Dr. P. und Oberstarzt Dr. R. sind mir nicht bekannt.

Ich möchte Dich, (Bekannter), jedoch bitten, alle 7 Ordner (Be­schwerden + Eingaben, Ermittlungsakte, Meldungen und Ein­leitung) mit Hilfe von RA (W.) der Presse zukommen zu lassen, damit das Verhalten meiner Vorgesetzten an die Öffentlichkeit kommt und sich solche Vorfälle nicht wiederholen.

Frau (M.K.) habe ich die Informationen bereits zugesagt. Bitte aber auch über Herrn (H.) vom Marburger Bund (Tel.-Nr. folgt hier) den Spiegel informieren.

Frau (I.B.) soll Monitor informieren.

Im übrigen möchte ich die gesamte Presse beteiligt wissen.

Dabei kann auch (E.S.) behilflich sein, der die Umstände wohl am besten kennt.

(R.S.) vom Aerokurier soll den Focus informieren.

Daß der Inspekteur Luftwaffe und Frau Brigitte Schulte von ihren Beratern falsch informiert werden, ist offensichtlich. Daß meine Versetzung jetzt aber als Vorverurteilung erforderlich ist, damit der Inspekteur „wieder Ruhe in seinen Laden bekommt“, wie mir Frau Titze-Stecher gestern gesagt hat, ist mir unverständlich.

Wie kann einem Menschen sein ganzer Lebensinhalt genommen werden, nur um das Unrecht von Vorgesetzten zu decken und diese unsägliche Mobbinggeschichte vertuschen zu wollen? Warum schauen die ganze militärische Führung und auch die von mir ein geschalteten Politiker zu und unternehmen nichts?

 

gez. Chr. Bauer

 

Christine Bauer spritzte sich einen Giftcocktail und lag seither im Koma.

Am 13.07.2001 verstarb sie an den Folgen des Suizidversuchs.

 

Eine Bayerische Zeitung schrieb dazu:

 

„Für die SPD-Bundestagsabgeordnete Uta Titze-Stecher, die im Ringen um Christine Bauers Rehabilitierung heftigen Streit mit ihrem Parteifreund Scharping in Kauf nahm, war der Tod der „Vorzeigefrau der Bundeswehr“ ein „schlimmes, vermeidbares Ende“. Sie hatte versucht, die Versetzung der Ärztin abzuwenden, und warf dem Minister „gnadenloses“ und „nicht professionelles“ Vorgehen vor. Im übrigen gebe Scharping ein schlechtes Signal für alle von Mobbing Bedrohten, wenn er das für die Bundeswehr unangenehme Verfahren einfach einstellen lasse. „Die Situation ist durch Scharpings Eingreifen nicht geklärt“, stellte die Abgeordnete bitter fest.

Christine Bauer ist eine Mobbingbetroffene, die aus dem Leben geschieden ist, weil sie die Seelenqual nicht mehr ausgehalten hat. Ihr Ego, ihr Selbstwertgefühl und Vertrauen in die Gerechtigkeit wurden vernichtet und führten zu der Selbsttötung. Doch ist Frau Dr. Bauer nicht leise abgetreten. Sie hat eine Anklageschrift in Form ihres Abschiedsbriefes hinterlassen und nennt darin die Verantwortlichen. Ein solcher Suizid ist meines Wissens nach einmalig. Fernsehen und Presse haben schon mehrfach von dem Fall berichtet.

Christine Bauer steht stellvertretend für die Mobbingopfer, die in gleicher Seelennot still abgetreten sind. Es besteht daher besonderes öffentliches Interesse, die Gründe für den Suizid aufzuklären und Beweise zu suchen, die die Behauptungen der Verstorbenen untermauern bzw. die benannten Verantwortlichen vom Vorwurf des Mobbing und somit der Mitschuld am Tod eines Menschen entlasten.

Für uns war dieser Brief Anlaß, bei Bekannten und Freunden der Verstorbenen zu recherchieren. Auch wir konnten uns danach des Eindrucks nicht erwehren, daß Frau Dr. Bauer Opfer von willkürlichen, überzogenen Maßnahmen wurde, die nur zum Ziel hatten, Argumente zu finden, sie von der Stelle versetzen zu können.

Wir schilderten diesen Verdacht in Form einer Strafanzeige erst der Staatsanwaltschaft Augsburg, die unter den Aktenzeichen 401 Js 128390/01 und 170 AR 2005/01 die Verfahren einstellte.

Dagegen legten wir Beschwerde ein und erhielten von der Generalstaatsanwaltschaft bei dem OLG München unter den Az. IV Zs 755/2002 und IV Zs 1433/2002 wiederum Bestätigungsbescheide zu den Entscheidungen der StA Augsburg.

Gegen diese Bescheide wurde abermals Beschwerde eingelegt, da die Staatsanwaltschaften offensichtlich keine Ermittlungen in Richtung Mobbingvorwurf angestellt haften und die Entscheidungen aufgrund der bestehenden Aktenlage getroffen wurden.

Somit müßte die Angelegenheit nun vor dem bayrischen Justizministerium anhängig sein.

Sehr verehrte Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin, es wäre wirklich hilfreich, wenn Sie sich dafür einsetzen könnten, daß in diesem spektakulären Fall alles unternommen wird, eine vollständige Klärung der Zusammenhänge herbeizuführen und ggf. auch Klage gegen die Verursacher erhoben wird. Selbst wenn es nicht zu einer Verurteilung mangels Beweises kommen würde, so wäre der Präzedenzcharakter deutlich zu erkennen. Potentielle Täter wären künftig gewarnt und Verantwortliche in Vorgesetztenpositionen nähmen Mobbingvorwürfe ernster. Mobbingbetroffene selbst könnten wieder Hoffnung auf Rehabilitation haben, und auch Christine Bauer könnte endlich in Frieden ruhen.

Die Texte der Strafanzeigen und der Abschiedsbrief sind auch im Internet nachzulesen. Damit erfüllen wir zumindest einen der letzten Wünsche von Christine Bauer.

Ich würde mich freuen, Frau Ministerin, wenn ich Ihr Interesse und Mitgefühl für diesen Fall geweckt haben sollte und Sie Hilfe leisten könnten, wie Sie es „michael k.“ versprochen haben.

Für weitere Erläuterungen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen, hoffnungsvollen Grüßen


 





Wortlaut:

 

Bayerisches Staatsministerium der Justiz

Gz. II - 4972/2002

München, 4. Juni 2002

(bei Antwort bitte angeben)

 

Herrn

Ernst G. Jurczyk

Mobbing-Zentrale Hamburg

Hermann-Löns-Straße 53

29320 Hermannsburg

 

Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen Dr. P. und Dr. R. wegen fahrlässiger Tötung u. a., Gz. 401 Js 128390/01;

hier: Ihre weitere Aufsichtsbeschwerde vom 21. April 2002 gegen den Bescheid des

Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht München vom 20. März 2002, Gz. IV Zs 755/2002

 

Sehr geehrter Herr Jurczyk!

 

Der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht München hat Ihre obenbezeichnete weitere Aufsichtsbeschwerde gegen seinen Bescheid vom 20. März 2002 dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz zur Prüfung und Entscheidung vorgelegt.

Ich habe die einschlägigen Vorgänge anhand der mir vorgelegten Akten überprüft. Dabei hat sich kein Anlass zu einer dienstaufsichtlichen Beanstandung ergeben. Ich teile die Auf­fassung der Staatsanwaltschaft, daß keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Straftaten der Beschuldig­ten vorliegen. Eine Verantwortlichkeit für den Tod von Frau Dr. Bauer kommt bereits wegen fehlender objektiver Zurechenbarkeit nicht in Betracht. Die Beschuldigte dürfte sich zwar in einer für sie psychisch ausgesprochen belastenden Situation befunden haben. Gleichwohl ist nicht ersichtlich, daß sie in strafrechtlicher Hinsicht nicht eigenverantwortlich handelte. Konkrete Verdachtsmomente für weitere strafbare Handlungen der Beschuldigten sind ebenfalls nicht gegeben.

Bei den Ihnen erteilten Bescheiden hat es daher sein Bewenden.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. S.

Ltd. Ministerialrat


 







Wortlaut:

 


Bayerisches Staatsministerium der Justiz

Gz. 11-4972/2002                                                                                 München 11. Juli 2002Herrn

 

Ernst G. Jurczyk

...

 

Ihre Strafanzeige vom 2. August 2001 gegen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping wegen fahrlässiger Tötung u. a., Gz. 170 AR 2005/01 (Staatsanwaltschaft Augsburg);

hier: Ihre weitere Aufsichtsbeschwerde vom 21. Mai 2002 ge­gen den Bescheid des Generalstaatsanwalts bei dem Ober­landesgericht München vom 16. Mai 2002 Gz. IVZs 1433/2002

 

Sehr geehrter Herr Jurczyk,

 

der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht München hat Ihre obenbezeichnete weitere Aufsichtsbeschwerde gegen seinen Bescheid vom 16. Mai 2002 dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz zur Prüfung und Entscheidung vorgelegt.

Ich habe die einschlägigen Vorgänge anhand der mir vorgelegten Akten überprüft. Dabei hat sich kein Anlaß zu einer dienstaufsichtlichen Beanstandung ergeben. Auch ich vermag keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Bundesministers der Verteidigung zu erkennen. Auf mein Schreiben vom 4. Juni 2002, Gz. II - 4972/2002, nehme ich im übrigen Bezug.

Bei den Ihnen erteilten Bescheiden hat es daher sein Bewenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. S., Ltd. Ministerialrat


 


Bücher aus dem Köhler Verlag –

immer ein Erlebnis

 

Von derselben Autorin:

Eine Frau besiegt den Krebs,

gegen viele Widerstände.

Eva Christ schreibt darüber in

 

DEUTSCHLAND, DEINE SCHWÄCHEN...

 

Ärzte, Juristen, Banker, Mitmenschen und andere Enttäuschungen

 

ISBN 3-935277-15-6   € 13,70 (D)

 

 

 

 


 


Leseprobe aus Eva Christ

 

DEUTSCHLAND, DEINE SCHWÄCHEN...

 

1995 kam ein Hilferuf aus Kroatien, noch Kriegsgebiet, von ei­ner jungen Familie, deren dreijährige Tochter an einem Neuro­plastohm erkrankt war und in Kroatien keine Hilfe mehr er­hal­ten konnte.

Eine Nacht lang kämpfte ich, suchte ich verzweifelt nach einer Flugmöglichkeit. Nach dreizehn Stunden hatte ich alles or­ganisiert, eine Firma gefunden, die ihr Privatflugzeug zur Ver­fügung stellte, und eine Klinik, die das Kind ohne Kostenvor­schuß aufnahm. Wir bekamen die Start- und Landeerlaubnis in Zadar, und um zehn Uhr saß ich im Jet, mit dem Piloten, einem TV-Team und einem Sicherheitsbeamten der Firma, die das Flugzeug stellte. Wieder ohne Angst, trotz der schwierigen Kriegslage, saß ich da und betete, dem kleinen Mädchen noch helfen zu können.

Meiner Familie hatte ich, um sie nicht in Sorge zu versetzen, eine kleine Notlüge aufgetischt und erklärt, ich sei in der Klinik, um ein Kind zu betreuen.

Auf der Landebahn in Zadar sah ich erschrocken die Re­ali­tät: Der Tower war zerstört, ein gerade ausgebranntes Flug­zeug schwelte am Rande des Flugfeldes. An der Landebahn la­gen frische Gräber.

Einige Soldaten aus Kroatien und eine Hundertschaft von Deut­schen Bundeswehrsoldaten nahmen mich in Empfang. Dann sah ich die Eltern mit dem kranken, kleinen Mädchen. Wir fielen uns weinend in die Arme und hatten keine Worte.

Das Kind war blaß und mager, bis auf den aufgeblähten Bauch, der zeigte, Eile war dringend geboten.

Auf dem Rückflug, unterhielt ich mich mit dem Vater in Eng­lisch und erfuhr die Leidensgeschichte der Familie. Auf der Flucht vor dem Krieg, hochschwanger und ohne Nahrung, und die kleine Carla kam in einem nassen Keller zur Welt. Eine gehetzte junge Frau gebar unter tragischen Umständen ihr erstes Kind. Nach achtzehn Monaten die Diagnose: Neuroplastohm.

Oft machte ich mir Gedanken über Krebs und konnte nicht verstehen, daß bereits Babys daran erkranken. Häufig erfuhr ich, daß in den Familien, Ehen und im Umfeld einiges an gro­ßem Leid seine Spuren hinterlassen hatte. Wieder der Gedanke Seele in Not.

Ein Kind im Mutterleib trägt bekanntlich das in sich, was die Mutter in sich trägt, in Carlas Fall Angst, Verzweiflung, Hun­ger und Not. Für mich ganz sicher, Krebs ist auch mit psy­chischen Leiden in Verbindung zu bringen. Für viele Ärzte ist das nicht relevant. Andere versehen diese Erkenntnis mit ei­nem großen Fragezeichen.

Ich konnte Carla und ihre Familie in Bielefeld in einer Klinik hinterlassen, wo Carla mit ihrer Mutter betreut wurde. Der Va­ter kam in der Stadt bei einem Onkel unter. Es gab ein kurzes Interview mit dem TV-Team, ein Gespräch mit dem liebens­werten Arzt. Ich konnte meine Heimreise antreten, wieder im Gebet für das kleine kranke Mädchen.

Mein Empfang zuhause war nicht sehr herzlich. Ein böser Blick meines Mannes sagte mir, ich war beim Lügen ertappt worden. Das TV-Team war schnell gewesen, und der Beitrag, den meine Familien sah, voller Dramaturgie: zerstörter Tower, brennendes Flugzeug, Gräber, Soldaten mit Maschinengewehren, die kleine Carla mit Familie und ich. Aufruf zur Spende.

„Du hast kein Verantwortungsgefühl gegenüber deiner Familie“, warf mir mein Mann vor. „Du bist krank im Kopf, und deine Mutter hatte einen Herzanfall.“

 

Vielleicht bin ich wirklich krank im Kopf; vielleicht habe ich vieles falsch gemacht und mache ich noch immer viele Fehler. Aber das, was ich an diesem Tag getan habe, habe ich aus Menschlichkeit und Liebe getan.

Vielleicht ist es für die Gesellschaft nicht zu verstehen, weil die Gesellschaft verdrängt und erwartet, daß andere etwas tun. Doch Geld und Spenden allein reichen nicht aus, pures Mitleid auch nicht.

„Mama ich bin so stolz auf dich und ich verstehe, was du fühlst.“ Ja, mein ältester Sohn hatte verstanden.

Meine Mutter weinte am Telefon. „Was tust du uns allen an! Denke an dich und an deine Familie.“

„Ja, Mutter, daran denke ich, aber ich habe noch Platz in mei­nem Herzen, Platz für Liebe zu Menschen, deren Seelen verzweifelt sind und mich rufen.“

 

Einige Tage wurde ich zuhause nicht sehr herzlich behandelt. Es gab keine Gespräche, keine Liebe. Diese Bestrafung meines Mannes wurden zur Gewohnheit, und es wurden häufig Gründe gesucht, mich zu beleidigen oder zu ignorieren.

 

Ich hatte in der Klinik in München eine junge Frau kennengelernt, die ebenfalls Hilfe suchte, nachdem die Ärzte für ihre vier­jährige Tochter nichts mehr tun konnten. Sie war ein wenig aufgeregt, laut und aufbrausend, übertrieben gesprächig und voller Haß und Wut.

Obwohl auch ich manchmal spüre, wie Haß in mir wächst, versuche ich mich ihm nicht zu unterwerfen. Auch Haß macht krank. Deshalb ist es nicht gut, ja gefährlich, mit Haß zu leben.

Mir schien, zuerst brauche die junge Mutter eine Therapie. Dr. Matschurat und ein anderer Arzt aus Rosenheim nahmen sich des Kindes an. Es zeigten sich kleine Erfolge. Wieder nahm ich den Kampf um Geld, Medikamente und Überleben auf. Erneut fand ich Hilfe bei den Medien. Es folgten zwei TV-Sendungen und Spendenaufrufe über die Presse. Der Heimatort zeigte sich sehr hilfreich, und der Pfarrer der evangelischen Gemeinde und viele Betriebe organisierten Spendensammlungen. Die Mutter der kleinen Patientin benahm sich bei dieser Arbeit ziemlich aufdringlich und versuchte sich vordergründig in Szene zu setzen. Dennoch setzte sie sich sehr für unseren Ver­ein ein.

Nach einer dieser TV-Sendungen meldete sich bei uns ein Arzt einer Klinik in der Pfalz und bot uns seine Hilfe an. Er war sich sicher, einen schnellen Heilungserfolg zu erzielen, und wollte kostenlos therapieren.

Ich fuhr mit der Mutter des Kindes in diese Privatklinik, die in­mitten eines kleinen Waldes in der Pfalz liegt. Wir wurden mit einem hervorragenden Menü begrüßt. Der Arzt sowie der etwas jüngere Klinikleiter führten uns durch das hotelähnliche Gebäude und stellten uns dem Pflegepersonal und dem Psycho­logen vor.

Bei den in diesem Hause angewanden Therapiemitteln handelte es sich um Thymus und um Nabelschnurextrakten von Schafen, die, intravenös verabreicht, angeblich große Erfolge zeigten. Zudem waren Stabilisation des Immunsystems und persönliche Betreuung individuell auf den Patienten abgestimmt.

Die Therapie für Sonja, die kleine Patientin, sollte kostenlos sein, lediglich die Kosten für die Zimmer und das Essen mußten von uns getragen werden.

Man stellte uns Patienten vor, und wir sahen einen kleinen Lichtblick.

Die Mutter der kleinen Sonja, Frau Berger, machte sofort einen Termin für die folgende Woche, an dem sie die erste Therapie für vierzehn Tage beginnen wollte. Die Kosten hierfür waren bereits durch die Spenden des evangelischen Pfarrers gesichert.

Nach bereits zwei Tagen rief mich Frau Berger an und...

 



[1] siehe mein Buch DEUTSCHLAND, DEINE SCHWÄCHEN – Ärzte, Banker, Juristen, Mitmenschen und andere Enttäuschungen; ebenfalls erschienen im Köhler Verlag Winzingen

[2] Grundgesetzes

[3] VERORDNUNG MILITÄRBLATT

[4] die entsprechende Besoldungsgruppe

[5] Beauftragter für Erziehung und Ausbildung

[6] Grundwehrdienstleistende

[7] Kreiswehrersatzämtern

[8] Zentren für Nachwuchsgewinnung

[9] Teilstreitkraft

[10] s. Anm. 5

[11] Führungsakademie

[12] Taktisches Ausbildungskommando der Luftwaffe in Kanada

[13] Allgemeines Militärisches Ausdauertraining

[14] Krisenreaktionskräfte

[15] Global Positional System (engl.)

[16] Freiwilligen Wehrdienstleistenden

[17] Kreiswehrersatzämter

[18] in Auszügen wiedergegeben

[19] s. auch das Einbandfoto und das Foto von Frau Dr. Bauer zu Beginn des Bildanhanges des Buches

[20] SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

[21] damals Rudolf Scharping, SPD

[22] gemeint ist der Bekannte Christine Bauers, an den der Abschiedsbriefgerichtet ist

[23] es folgt die Telefonnummer

[24] s. die entsprechenden Dokumente am Schluß des Buches

[25] s. den Dokumentenanhang am Schluß des Buches

[26] a.a.O.

[27] a.a.O.

[28] a.a.O.

[29] a.a.O.

[30] s. die entsprechenden Fotos im Bildanhang am Schluß des Buches

[31] Einmannproviantpaket

[32] Ich bekomme derzeit ebenfalls täglich mehrere Anrufe von Journalisten in Sachen KSK. Unser Interesse ist die politische Bewertung und Kritik an der Existenz und den konkreten Aktionen der Elitekampftruppe KSK. Für einen Teil der Journalisten steht wohl die Sensation des Geheimen im Vordergrund. Diese Journalisten wollen vor allem Kontakt zu (auch ehemaligen) KSK-Soldaten oder deren Angehörigen. Zwar liegen hierzu auch bei uns einige Informationen vor, wir haben jedoch kein Interesse, sie weiterzugeben. Für alle Journalisten, insbesondere diejenigen, die auch über die politische Kritik am KSK berichten wollen, stehen wir weiterhin selbstverständlich für Informationen, Berichterstattungen, aber auch für Hintergrundsgespräche zur Verfügung.

 

[33]Zumindest die KSK- und DSO-Truppen werden sich ziemlich sicher direkt am Krieg beteiligen“, heißt es in unserer damaligen Analyse

[34] Tobias Pflüger ist Politikwissenschaftler, Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und Mitglied im Bundesausschuß Friedensratschlag. Der Beitrag wird mit Einwilligung des Autors wiedergegeben.

 

[35] s. auch die Beiträge Bundeswehr – Reiter ohne Pferd im SPIEGEL, Heft 11 v. 10.3.2003, S.48, und Fliegendes Flickwerk im STERN, Heft 17 v. 16.4.2003, S. 68, die in Zusammenarbeit mit der Autorin dieses Buches entstanden sind. (Anm. des Verlages)

[36] personelles Informationssystem

[37] Fluglehrberechtigung

[38] Vordringlichen Technischen Anweisung

[39] Verwertungsgesellschaft der Bundeswehr

[40] Westeuropäischen Union

[41] VERORDNUNG MILITÄRBLATT

[42] Militärischer Abschirmdienst, der Geheimdienst der Bundeswehr

[43] der Text ist wortgetreu übernommen