(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

 

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen (Einsatzversorgungsgesetz - EinsatzVG)

- Drucksache 15/3416 -

Überweisungsvorschlag:

Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss

Verteidigungsausschuss

Haushaltsausschuss

gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache wiederum eine halbe Stunde vorgesehen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Fritz Rudolf Körper.

Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die im besonderen Auslandseinsatz wahrzunehmenden Aufgaben sind nicht mit den normalen Tätigkeiten im Inlandsdienst oder mit Tätigkeiten im Ausland gleichzusetzen, die nicht im Rahmen von internationalen und humanitären, Frieden sichernden und Frieden schaffenden Einsätzen erfolgen. Dies hat auf tragische Weise das in Kabul auf Angehörige des deutschen ISAF-Kontingents verübte Sprengstoffattentat vom 7. Juni 2003 gezeigt, bei dem vier Soldaten getötet und 29 Soldaten verletzt wurden. Diesen neuen Herausforderungen wird die bisherige Unfallversorgung nicht in vollem Umfang gerecht.

 

Mit dem Einsatzversorgungsgesetz werden wir unserer Verantwortung gegenüber denen, denen wir besondere Gefahren zumuten müssen, und ihren nächsten Angehörigen gerecht. Ohne diese Frauen und Männer könnten wir unsere internationalen Verpflichtungen nicht wahrnehmen. Sie haben daher Anspruch auf angemessene Hilfe und Unterstützung. Die Versorgungsleistungen für die Soldatinnen und Soldaten sowie die Beamtinnen und Beamten und ihre Angehörigen dürfen weder an fiskalischen noch an bürokratischen Hürden scheitern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Max Stadler [FDP])

Das ist das Anliegen des Einsatzversorgungsgesetzes. Es berücksichtigt die besonderen Gefahren und Belastungen von Auslandseinsätzen. Daraus folgt eine verbesserte Versorgung bei Einsatzunfällen im Ausland. Zugleich werden langwierige und oftmals bürokratische Untersuchungsverfahren in Zukunft vermieden.

Lassen Sie mich zur Verdeutlichung auf Folgendes hinweisen: Ein Einsatzunfall liegt vor, wenn ein Soldat oder Beamter bei einer Verwendung im Ausland aufgrund einer internationalen Vereinbarung auf Beschluss der Bundesregierung oder bei einer Verwendung im Ausland mit vergleichbar gesteigerter Gefährdungslage aufgrund eines im Dienst eingetretenen Unfalls oder einer Erkrankung gesundheitlich geschädigt wird. Damit werden die Einsätze im Ausland typisiert, denen eine generell höhere Gefährdung des Dienstes geradezu immanent ist.

Bei diesen Einsatzunfällen wird die erhöhte Unfallversorgung gewährt, das heißt 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe. Ferner wird eine einmalige Unfallentschädigung in Zukunft bereits bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert statt bisher 80 vom Hundert gewährt. Dies gilt im Übrigen auch für qualifizierte Dienstunfälle im Inland. Für Witwen und versorgungsberechtigte Kinder wird die einmalige Unfallentschädigung von 38 500 Euro auf 60 000 Euro erhöht. Diese einmalige Soforthilfe wird gewährt, wenn der Einsatz zum Tode eines Soldaten oder Beamten geführt hat. Sie ist dringend erforderlich. Die Hinterbliebenen bedürfen einer angemessenen Fürsorge und Absicherung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Soweit zu den bedeutsamen Regelungen dieses Gesetzentwurfs.

Der Bundesrat hat die Notwendigkeit einer verbesserten Absicherung der Soldatinnen und Soldaten, Beamtinnen und Beamten sowie der sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes im Auslandseinsatz und der engsten Angehörigen anerkannt. Er hat die auf Anträge der Länder Bayern und Hessen zurückgehenden Ausschussempfehlungen abgelehnt, die gegen die materiellen Verbesserungen gerichtet waren und mit denen diese Länder an den bürokratischen Verfahren festhalten wollten.

Vom Land Hessen wurde noch der Antrag gestellt, das In-Kraft-Treten des Gesetzes nicht auf den 1. Juli 2003, sondern bereits auf den 1. Dezember 2002 festzusetzen. Damit soll erreicht werden, dass der Hubschrauberabsturz nahe Kabul am 21. Dezember 2002 bereits von der Neuregelung erfasst wird. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass der Unfall in Kabul nach bisherigem Recht als qualifizierter Dienstunfall mit entsprechend erhöhten Leistungen behandelt wird.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr gut!)

Inwieweit es einer weiter reichenden Rückwirkung des Gesetzes in diesem Punkte bedarf, wird die Bundesregierung entsprechend ihrer Zusage in der Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates prüfen.

Der Bundesregierung kommt es darauf an, dass eine der gestiegenen Außenverantwortung der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Absicherung der Soldatinnen und Soldaten sowie Beamtinnen und Beamten im Auslandseinsatz und deren engsten Angehörigen verwirklicht wird. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile dem Kollegen Helmut Rauber, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Helmut Rauber (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundeswehr war bis Ende der 80er-Jahre bzw. bis zu Beginn der 90er-Jahre, als die Mauer fiel und der Warschauer Pakt nicht länger fortbestand, eine Armee des Kalten Krieges mit mehr oder weniger klar kalkulierbaren Fronten. Auf diese Lage waren Strategie, Taktik, Ausrüstung und auch Ausbildung ausgerichtet. Abschreckung hieß das alles dominierende Prinzip, das deshalb funktionierte, weil alle Akteure diesseits und jenseits des Eisernen Vorhanges rational handelten. Diese bipolare Welt, in der es trotz aller Explosivität zu keinen Kampfeinsätzen unserer Soldaten kam, existiert nicht mehr.

Heute sind wir mit einer Vielzahl von Gefahren konfrontiert, die es in dieser Intensität bisher nicht gab. Dazu zählen ethnische Spannungen ebenso wie die neue Qualität des internationalen Terrorismus oder der religiöse Fanatismus, die zu viel Leid in der Welt geführt haben.

Die Welt hat sich verändert und deshalb müssen auch neue Antworten auf die neuen Herausforderungen gegeben werden. Eine dieser neuen Antworten ist das Einsatzversorgungsgesetz, das wir heute in erster Lesung diskutieren. Wer wie wir als Parlamentarier die Bundeswehr in gefährliche Auslandseinsätze schickt, der muss dies nicht nur politisch schlüssig begründen und unsere Soldaten bestens ausstatten und ausbilden, sondern ihnen auch dann materielle Sicherheit geben, wenn es zu einem Unfall mit schlimmen Folgen kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir als CDU/CSU haben Mitte Januar dieses Jahres im Verteidigungsausschuss dem vorliegenden Gesetzentwurf ohne Gegenstimmen zugestimmt und wir werden dies auch heute tun. Dennoch sehen wir einige Schwachstellen bzw. offene Fragen, die korrigiert und geklärt werden sollten.

Ein wesentlicher Beschleuniger dieses Gesetzes war der schon angesprochene Absturz eines CH-53 Hubschraubers am 21. Dezember 2002 - kurz vor Weihnachten - in Kabul. Wenn es bei der ursprünglichen Absicht der Bundesregierung bleibt, dass das Gesetz rückwirkend am 1. Juni 2003 in Kraft tritt, dann würden gerade die Angehörigen der Absturzopfer vom Dezember 2002 nicht mehr unter die Regelung des jetzigen Gesetzes fallen. Sie haben das klargestellt, Herr Staatssekretär; wir werden das prüfen. Wir legen Wert darauf, dass das Gesetz, so wie vom Bundesrat am 11. Juni dieses Jahres beschlossen, bereits am 1. Dezember 2002 rückwirkend in Kraft tritt. Wir gehen davon aus, dass die von der Bundesregierung zugesagte Prüfung positiv ausfällt.

Der zweite Kritikpunkt besteht nach unserer Meinung in der nach wie vor ungleichen Behandlung zum Beispiel von Reservisten und Wehrpflichtigen gegenüber Zeitsoldaten. Ein Soldat auf Zeit, der sich für zehn Jahre verpflichtet hat, erhält zum Beispiel bei einem Unfall 45 000 Euro, während der Reservist, der drei Monate im Einsatz war, bei demselben Unfall nur 15 750 Euro - sprich: fast 30 000 Euro weniger - bekommt. Entscheidend ist nach unserer Meinung nicht die Dienstzeit, die im Übrigen auch völlig ungefährlich verlaufen kann, sondern die Gleichbehandlung nach einem Unfall.

Wir sind des Weiteren der Meinung, dass der Ausschluss der Einsatzversorgung im Falle grober Fahrlässigkeit nicht zu mehr, sondern zu weniger Rechtssicherheit und eventuell zu einer Konterkarierung der positiven Regelungen führen kann. Nach höchstrichterlicher Entscheidung handelt derjenige grob fahrlässig, der einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und das unbeachtet lässt, was jedem einleuchten müsste. Nicht berücksichtigt bleibt bei dieser Definition, dass es in Kampfeinsätzen Situationen gibt, in denen der einzelne Soldat unter extrem hohem Stress steht, und dass sich deshalb Fehler einschleichen können, die unter normalen Bedingungen als grob fahrlässig zu bezeichnen wären.

Wir sind des Weiteren mit dem Bundeswehrverband und seiner speziellen Interessenvertretung - unter anderem die Hubschrauberverbände - der Meinung, dass die geplanten Verbesserungen bei der Einmalentschädigung nicht nur für Strahlenflugzeugführer, Kampfschwimmer und Minenuntersuchungspersonal gelten sollten, sondern für alle Soldaten, das heißt auch für Hubschrauberbesatzungen, die einen besonders gefährlichen Dienst verrichten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht vom Gesetz erfasst ist ein weiterer Punkt, der schon einige Male Gegenstand von Erörterungen im Verteidigungsausschuss war. Es geht dabei um die Entlassung von durch Unfälle behinderten Soldaten und Soldatinnen aus der Bundeswehr. Wir bitten zu prüfen, ob ein Verbleib solcher Personen per eigenen Antrag in der Bundeswehr oder an anderer Stelle des öffentlichen Dienstes möglich gemacht werden kann.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Fortschritt. Aber wir bitten darum, dass die genannten Bedenken ernst genommen werden und dass sie sich in der endgültigen Fassung des Gesetzes positiv niederschlagen. Wir hoffen, dass das Gesetz nie zur Anwendung gelangt.

In diesem Sinne stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf in erster Lesung zu.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurzeit sind mehr als 7 000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sowie - bald - 400 Polizistinnen und Polizisten von Bundesgrenzschutz, Bundeskriminalamt und Länderpolizeien im Ausland im Einsatz, beispielsweise in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, in Georgien, in Mazedonien, am Horn von Afrika und in Afghanistan. Sie alle tragen in diesen Regionen zur Gewalteindämmung bei. Zugleich sind sie aber erheblichen Risiken für Leib und Leben ausgesetzt. Deshalb sind wir ausgesprochen erleichtert, dass die Bundesregierung heute den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Einsatzversorgung in den Bundestag einbringt.

Vor fünf Jahren verunglückte der Oberstabsarzt Sven Eckelmann in Albanien tödlich. Er stürzte mit seinem Transportpanzer von einer Brücke herab. Um die Einordnung, die Bewertung dieses Unfalls hat es einen sehr unerfreulichen Rechtsstreit zwischen Ministerium und den Hinterbliebenen gegeben. Hieran ist sehr deutlich geworden, dass das bisherige Versorgungsrecht ganz erhebliche Lücken aufweist, die auch das Vertrauen in den Dienstherrn schädigen. Aus diesem Anlass erhob nicht zuletzt der Deutsche Bundeswehr-Verband die Forderung, alle Schädigungen im Einsatz als qualifizierten Dienstunfall anzuerkennen und die Versorgung im Schädigungsfall für Soldaten auf Zeit an die Regelungen für die Berufssoldaten anzupassen. Der Hubschrauberabsturz kurz vor Weihnachten 2002 - er ist schon angesprochen worden - hat dieses Thema regelrecht in das Parlament und in das Ministerium hineingetragen.

Es war gut, dass sowohl alle Fraktionen im Verteidigungsausschuss als auch der Minister nicht nur den Handlungsbedarf gesehen und die Situation einmütig beurteilt haben, sondern auch entsprechende Forderungen erhoben haben. Im Verteidigungsausschuss ist dann am 15. Januar 2003 ein entsprechender Beschluss gefasst worden. Uns allen ist klar: Wenn der Dienstherr und wenn die Politik, das heißt wir, von Beamten und Soldaten verlangen, ein besonders hohes Risiko einzugehen, dann haben die betroffenen Beamten und Soldaten selbstverständlich auch einen Anspruch auf verlässliche und beste Fürsorge.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf sorgt für die geforderte Anpassung. Beamte und Soldaten in besonderen Auslandsverwendungen erhalten danach im Schadensfall deutlich verbesserte Versorgungen. Dabei geht man von der völlig richtigen Feststellung aus, dass die Risiken und Unbilden bei besonderen Auslandsverwendungen nicht mit denen in der deutschen Heimat gleichzusetzen sind. Die einzelnen Regelungen sind ja bereits aufgeführt worden. Herr Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, hat hierzu festgestellt:

Damit sind wir einen großen Schritt weiter auf dem Weg zur Verbesserung der sozialen Rahmenbedingungen für Soldaten und Soldatinnen in Auslandseinsätzen.

Zu ergänzen ist noch: von Beamtinnen und Beamten ebenfalls.

 

Vor ungefähr einem Monat gab es im Bundesrat - das ist vom Staatssekretär schon angesprochen worden - sehr eigenartige und unverständliche Manöver: Auf Initiative der Länder Hessen und Bayern wurden Beschlüsse des Ausschusses für Innere Angelegenheiten und des Finanzausschusses formuliert, mit deren Umsetzung die notwendige Erneuerung im Grunde völlig zurückgeschraubt worden wäre. Das ist Gott sei Dank nicht durchgekommen.

Dieser Gesetzentwurf enthält - Kollege Rauber hat es eben zu Recht angesprochen - als Ausschlussklausel "grobe Fahrlässigkeit". Hier muss in der Tat sehr darauf geachtet werden, dass diese Klausel so angewandt wird, dass sie den Intentionen dieses Gesetzes eben nicht zuwiderläuft oder diese sogar unterläuft.

Ich will es am Beispiel Verkehrsverhalten deutlich machen. Ein angepasstes Verkehrsverhalten in Kabul bedeutet für die Polizisten und Soldaten - auch aus Sicherheitsgründen - sehr schnell, sehr offensiv zu fahren. Ein solches Verhalten wäre hier möglicherweise als "fahrlässig" oder "grob fahrlässig" zu werten. Da muss man wirklich sehr genau aufpassen.

Zusammengefasst: Der Werdegang dieses Gesetzes ist ein gutes Beispiel dafür, wie alle Fraktionen und die Bundesregierung zum Wohle der betroffenen Beamten, Soldaten und ihrer Angehörigen zusammenwirken. Danke schön! Ich bin mir sicher, dass das auch in den weiteren Lesungen der Fall sein wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Max Stadler, FDP-Fraktion.

Dr. Max Stadler (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion kann ich mich bei diesem Thema relativ kurz fassen, nicht etwa, weil es ein unbedeutendes Thema ist - ganz im Gegenteil, ein sehr wichtiger Gesetzentwurf ist zu beraten -, sondern deswegen, weil kein politischer Streit über die Notwendigkeit der Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen besteht.

Zwar hat bereits die damalige Koalition von FDP und CDU/CSU im Jahr 1995 eine Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen herbeigeführt; aber angesichts der höheren Risiken, die mit den Auslandseinsätzen von Soldaten, Beamten und sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes verbunden sind, besteht eine allgemeine Einigkeit darüber, dass die damaligen Regelungen heute nicht mehr ausreichen. Aus diesem Grund ist, wie schon erwähnt, im Verteidigungsausschuss einstimmig beschlossen worden, dass man eine Neuregelung auf den Weg bringen muss. Wir finden, dass die jetzt gemeinsam gefundene Lösung eine angemessene Verbesserung der Versorgungssituation darstellt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die einzige kritische Frage, die man stellen muss, lautet: Aus welchem Grund hat es eigentlich so lange gedauert, warum beraten wir diesen Gesetzentwurf erst heute? Diese Frage ist selbstkritisch an uns alle gerichtet. Eine vermehrte Anzahl an Auslandseinsätzen mit hohen Risiken gibt es schließlich nicht erst seit gestern, sondern schon längere Zeit. Wir von der FDP finden gemeinsam mit allen anderen, dass es die selbstverständliche Fürsorgepflicht des Gesetzgebers ist, für diejenigen, die im Auftrag des Bundestages solche Risiken für Leib und Leben auf sich nehmen, eine angemessene Absicherung in finanzieller Hinsicht sicherzustellen.

Das geschieht jetzt. Man kann eigentlich nur noch darüber sprechen, ob dieses Gesetz, wie es die Bundesregierung wünscht, rückwirkend zum 1. Juni 2003 oder wegen des Hubschrauberabsturzes im Dezember 2002 in Afghanistan schon zum 1. Dezember 2002 in Kraft zu setzen ist. Ich muss schon sagen: Es wäre etwas schäbig, wenn die finanziellen Folgen dieses Absturzes nicht vernünftig aufgefangen würden. Was da passiert ist, ist ohnehin schlimm genug. Ich werte die Aussage von Staatssekretär Körper von heute so, dass die Bundesregierung bereit ist, dies noch einmal zu prüfen, und dass eine einstimmige Verabschiedung dieses Gesetzes an diesem einen Punkt am Ende nicht scheitern sollte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat die Kollegin Petra Heß für die SPD-Fraktion.

Petra Heß (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Einsatzversorgungsgesetz wird das Versorgungsrecht unserer Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen an die veränderten Anforderungen angepasst und auch verbessert. In den letzten zehn Jahren hat sich die Bundeswehr in zunehmendem Maße an zahlreichen internationalen Einsätzen beteiligt. Für unsere Soldatinnen und Soldaten bedeuten diese Auslandseinsätze eine deutlich höhere Gefährdung für Leib und Leben, als dies bei Einsätzen im Inland der Fall ist. Das Aufgabenspektrum bei Auslandseinsätzen ist nicht mit den Tätigkeiten im Inlandsdienst zu vergleichen. Dies hat sich besonders bei dem tragischen Attentat in Kabul gezeigt, bei dem tote und verletzte Soldaten beklagt werden mussten.

Der Verteidigungsausschuss hat bereits am 15. Januar 2003 einen Antrag auf Anpassung des Versorgungsrechts an die veränderten Anforderungen für Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen einstimmig verabschiedet. Es ist gerade für unsere Soldatinnen und Soldaten sowie vor allem für ihre Angehörigen ein wichtiges Signal, denke ich, dass alle Fraktionen im Deutschen Bundestag hinter dem Einsatzversorgungsgesetz stehen und auf diese Art und Weise die gefährliche Arbeit der Bundeswehr bei den verschiedenen Auslandseinsätzen anerkennen.

(Beifall im ganzen Hause)

Es sollte in diesem Zusammenhang aber nicht unerwähnt bleiben, dass es im Bundesrat nicht von Anfang an Einstimmigkeit gab. Bayern und Hessen standen dem Gesetzentwurf zuerst ablehnend gegenüber. Dass insoweit eine Änderung eingetreten ist, ist unter anderem dem lobenswerten Engagement des Bundeswehr-Verbands zu verdanken, der bei den Ländern nachdrücklich und letztlich erfolgreich für eine Zustimmung zum Einsatzversorgungsgesetz warb. Ich halte es für sehr bedenklich - das möchte ich persönlich anmerken -, dass Bayern und Hessen unseren Soldatinnen und Soldaten sowie ihren Angehörigen die im Einsatzversorgungsgesetz geplanten Verbesserungen aus parteipolitischen Gründen vorenthalten wollten.

(Beifall des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD])

Die vom Bundesrat erhobene Forderung, das rückwirkende In-Kraft-Treten des Einsatzversorgungsgesetzes vom 1. Juni 2003 auf den 1. Dezember 2002 vorzuverlegen, wird ausdrücklich begrüßt und findet auch die Zustimmung des gesamten Verteidigungsausschusses. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass es uns gelingt, diese Forderung in den noch anstehenden Beratungen umzusetzen.

Durch diese Änderung werden dann auch die Hinterbliebenen der am 21. Dezember 2002 bei dem tragischen Hubschrauberabsturz in Kabul verunglückten Soldaten erfasst. Dabei ist uns sehr bewusst, dass durch eine materielle Entschädigung der Schmerz über den Tod eines Menschen nicht gelindert werden kann.

Mit dem Einsatzversorgungsgesetz werden für unsere Soldatinnen und Soldaten sehr umfangreiche Leistungsverbesserungen geschaffen, wird eine größere Rechtssicherheit im Hinblick auf die Voraussetzungen für die einzelnen Versorgungsleistungen erreicht und werden in bestimmten Fällen bestehende Unterschiede zwischen der Versorgung der Soldaten auf Zeit, der freiwillig länger Wehrdienstleistenden und der Berufssoldaten angeglichen. Damit endet eine Phase der Unsicherheit. Gerade auch die Sorge um die Zukunft der Familie wird gelindert.

Als Grundzugangsvoraussetzung zu den einzelnen Versorgungsleistungen genügt stets das Vorliegen eines Einsatzunfalls. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass militärischer Dienst bei einem Auslandseinsatz regelmäßig gefährlicher ist als sonstiger Dienst, ist im Einsatzversorgungsgesetz festgelegt, dass jeder schwere Dienstunfall im Rahmen eines besonderen Auslandseinsatzes oder eines Einsatzes mit vergleichbar gesteigerter Gefährdungslage als Einsatzunfall gilt. Durch diese Definition entfallen die bisherige unsägliche Begrifflichkeit des qualifizierten Dienstunfalls und die damit einhergehenden, zum Teil unterschiedlichen Voraussetzungen für einzelne Versorgungsleistungen sowie die oft langwierigen Prüfungen der Unfallursachen.

Die Entschädigungen für Betroffene erhöhen sich in allen Bereichen, wobei ich insbesondere die Erhöhung für hinterbliebene Ehepartner und versorgungsberechtigte Kinder hervorheben möchte.

Herr Kollege Rauber, ich habe wirklich großes Verständnis für Ihr Engagement für die Reservisten. Ich teile auch Ihre Sorge. Wir alle wissen aber, dass es sich um einen Gesetzentwurf handelt, der in der jetzigen Ausgestaltung ein Kompromiss mit der Länderkammer ist. Nach diesem Kompromiss verbessert sich auch die Situation der Reservisten spürbar und deshalb kann man sagen, dass es letztlich ein guter Kompromiss ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Mit dem Einsatzversorgungsgesetz wird das Versorgungsrecht unserer Soldatinnen und Soldaten bei Auslandseinsätzen an die veränderten Anforderungen angepasst. Die Soldatinnen und Soldaten sowie ihre Angehörigen haben damit die Gewissheit, dass sie im Falle eines Unfalls die ihnen zustehenden Leistungen schnell und unbürokratisch erhalten. Ich bin mir sicher, dass die Verabschiedung des Einsatzversorgungsgesetzes auch einen deutlichen Motivationsschub innerhalb der Truppe bewirken wird.

Abschließend möchte ich allen danken, die am Zustandekommen des Gesetzes beteiligt waren, insbesondere den Kolleginnen und Kollegen im Verteidigungs- und Innenausschuss, und im besonderen Maße unserem Verteidigungsminister Struck, dem ich von hier aus nochmals beste Genesungswünsche übermitteln möchte.

Ich danke Ihnen.

(Beifall im ganzen Hause)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Stephan Mayer, CDU/CSU-Fraktion.

Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Das Thema, mit dem wir uns in der heutigen Debatte beschäftigen, ist mit Sicherheit nicht besonders angenehm und erfreulich, aber es handelt sich um eine außerordentlich wichtige, entscheidende und vor allen Dingen praxisrelevante Thematik. Es geht darum - in diesem Bemühen sind sich, wie ich glaube, alle Fraktionen in diesem Hause einig -, die Unfallversorgung bei Auslandseinsätzen von Soldaten der Bundeswehr, Polizeibeamten des Bundes und der Länder sowie sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes qualitativ erheblich zu verbessern. Deutschland muss und wird auch in Zukunft seiner in den letzten Jahren gestiegenen weltpolitischen Verantwortung durch einen auch quantitativ erhöhten Einsatz von Bundeswehrsoldaten und Polizeibeamten im Ausland Rechnung tragen. Nicht zuletzt werden durch diese Auslandseinsätze von Bundeswehrsoldaten sowie von Polizeibeamten auch originäre deutsche Sicherheitsinteressen vertreten und der Friede in Deutschland gewahrt.

Der bisher schwerste Terroranschlag gegen die Bundeswehr im Ausland am 7. Juni 2003 in Kabul, bei dem leider vier Bundeswehrsoldaten starben und 29 weitere teils schwer verletzt wurden, sowie der hinterhältige und menschenverachtende Anschlag auf den Konvoi der deutschen Botschaftsangehörigen zwischen Amman und Bagdad am 7. April 2004, bei dem leider zwei BGS-Beamte ums Leben kamen, deren Trauerfeier erst gestern in Bonn stattgefunden hat, sind nur zwei Beispiele, die uns auf ernüchternde und erschreckende Art und Weise vor Augen führen, dass diese Auslandsverwendungen mit erheblich höheren und teilweise auch nicht kalkulierbaren Risiken und Gefährdungen für Leib und Leben verbunden sind. So sind seit Beginn der Bundeswehreinsätze im Ausland allein 51 deutsche Soldaten ums Leben gekommen.

Wie die Erfahrungen in der Vergangenheit leider gezeigt haben, ist die bisherige Unfallversorgung bei Auslandseinsätzen nicht in vollem Umfang geeignet, den geänderten Herausforderungen, tatsächlichen Gegebenheiten und Risiken der besonderen Auslandsverwendungen von Soldaten der Bundeswehr und Polizeibeamten des Bundes und der Länder in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen. Deshalb ist es nur recht und billig, dass mit dem heute in erster Lesung debattierten Einsatzversorgungsgesetz eine besondere Dienstunfallfürsorge für Beamte und Soldaten und beispielsweise auch für die Angehörigen des Technischen Hilfswerks geschaffen wird, die im ursächlichen Zusammenhang mit der besonderen Auslandsverwendung erkranken oder geschädigt werden.

So ist es nur sachgerecht, dass vorgesehen ist, dass für Beamte und Berufssoldaten bei Einsatzunfällen, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 Prozent zur Folge haben, stets die erhöhte, das heißt die qualifizierte Unfallversorgung von 80 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der übernächsten Besoldungsgruppe gewährt wird.

Es ist auch richtig, dass die Beträge für die einmalige Entschädigung nach dem Beamtenversorgungsgesetz und dem Soldatenversorgungsgesetz deutlich, wie zum Beispiel durch Anhebung auf 80 000 Euro statt bisher 38 500 Euro im Todesfall, erhöht werden und die Zahlung der einmaligen Entschädigungsbeträge bereits ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 Prozent anstatt bisher 80 Prozent erfolgt.

Ferner ist es sachgerecht, dass mit dem Einsatzversorgungsgesetz geplant ist, die Regelungen zum vermögensrechtlichen Schadensausgleich in besonderen Fällen zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist es als unbürokratisch und bedarfsgerecht zu bezeichnen, dass hinsichtlich der vom Dienstherrn auszugleichenden Lebensversicherungsleistungen, wenn die Lebensversicherungen aufgrund der so genannten Kriegsklausel Zahlungen an die Angehörigen der Versicherungsnehmer verweigern, ohne weitere Prüfung bis zu 250 000 Euro als angemessen gelten.

In puncto Anwenderfreundlichkeit und Transparenz des Einsatzversorgungsgesetzes möchte ich jedoch eine kritische Anmerkung machen. Ich halte es alles andere als für ideal, dass in Art. 11 in den Absätzen 1 bis 3 drei verschiedene Zeitpunkte des In-Kraft-Tretens verschiedener Vorschriften vorgesehen sind. Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ich unterstütze es nachdrücklich und entschieden, dass ein Großteil der gesetzlichen Regelungen im Wege der echten Rückwirkung bereits zum 1. Juni 2003, vielleicht, wie wir eben gehört haben, sogar noch früher, nämlich zum 1. Dezember 2002, in Kraft treten soll, um vor allem den Hinterbliebenen der bei den jüngsten Anschlägen ums Leben gekommenen Soldaten die verbesserten Versorgungsleistungen zukommen lassen zu können.

 

Allerdings halte ich es gesetzessystematisch und ordnungspolitisch für fragwürdig, wenn noch zwei weitere Zeitpunkte des In-Kraft-Tretens anderer Vorschriften, nämlich der 1. Januar 2004 und der 1. Januar 2005, beabsichtigt sind. Dann sollen bitte schön sämtliche Vorschriften des Einsatzversorgungsgesetzes rückwirkend zum 1. Juni 2003 oder, wie gesagt, zum 1. Dezember 2002 in Kraft treten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für besonders unterstützenswert hält es die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, dass nun einzelne Versorgungsleistungen einheitlich definiert und bestehende, nicht nachzuvollziehende Versorgungsunterschiede zwischen den verschiedenen Statusgruppen, das heißt zwischen Soldaten, Beamten und Arbeitnehmern, ausgeglichen werden sollen. Damit dürfte ein größeres Maß an Rechtssicherheit erreicht werden.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte bereits im Jahr 2001 versucht, die Regelungen über den qualifizierten Dienstunfall praxistauglich zu gestalten, was allerdings leider Gottes an der Mehrheit von Rot-Grün in diesem Haus gescheitert ist. Gleichwohl ziehen wir uns nicht in die Schmollecke zurück und verweigern uns nicht sinnvollen Gesetzesnovellierungen, sondern unterstützen vom Grundsatz her den Entwurf des Einsatzversorgungsgesetzes der Bundesregierung.

Dennoch werden wir in den weiteren parlamentarischen Verhandlungen darauf drängen, bestimmte Unebenheiten und Ungenauigkeiten des Gesetzentwurfes zu korrigieren. So ist unserer Auffassung nach beispielsweise darauf zu achten, dass die vorgesehene Definition des Begriffes der groben Fahrlässigkeit - ein juristisch sehr dehnbarer Begriff, wie man sich vorstellen kann - in der Praxis nicht zum Instrument der Leistungsverweigerung werden kann.

Natürlich ist mir vollkommen bewusst, dass auch das beste Einsatzversorgungsgesetz die Ängste und Sorgen der Angehörigen von im Ausland eingesetzten Soldaten und Beamten nicht mindert und auch die Risiken, die mit einem Auslandseinsatz verbunden sind, nicht reduziert. Allerdings bin ich sehr wohl der Überzeugung, dass dieses Einsatzversorgungsgesetz ein nicht zu unterschätzender Beitrag auf dem Weg zur Verbesserung der sozialen Rahmenbedingungen für Soldaten und Polizeibeamte im Auslandseinsatz sein wird und sich positiv auf die Motivation der Soldaten und Beamten in ihrem täglichen harten und schwierigen Dienst im Ausland auswirken wird. Denn die Soldaten und Polizeibeamten werden künftig mit der Sicherheit in Auslandseinsätze gehen können, dass sie bzw. ihre Angehörigen im Falle von schweren Verletzungen oder möglicherweise des Todes bessere Versorgungsleistungen erhalten.

Trotzdem möchte ich abschließend der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass dieses Einsatzversorgungsgesetz in der Praxis möglichst selten zur Anwendung kommt.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zustimmung von Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf der Drucksache 15/3416 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Anderweitige Vorschläge dazu werden nicht gemacht. Dann ist die Überweisung so beschlossen.