Dies ist ein Link zum Soldatengesetz       und hier ist noch einer
außerdem noch ein Link auf allgemeine Gesetzwerke
und nun ganz neu Hinweise zur Steuerfreiheit der Versorgungsbezüge

Hallo Kameraden,
hier sind juristische Hinweise, von denen der eine oder andere bei der Beantragung bzw. Erstreitung einer WDB nützlich sein könnte.
Zur Auswahl der Zitate und zu meinen Anmerkungen mache ich darauf aufmerksam, dass ich sie als juristischer Laie gebe.
Doch auch eine blinde Henne findet manchmal ein Korn!

Mit freundlichen Grüßen Karl-Dittmar Klein



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1) Schadensersatzpflicht nach § 823 BGB und Paland

Autor: Dr. Karl-Dittmar Klein
Datum: 07.02.02 16:46
1) Schadensersatzpflicht nach § 823 BGB und Palandt
die Basis ist der
§ 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Unerlaubte Handlungen, Schadensersatzpflicht:
"(I) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(II) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein."

Es folgen hierzu einige Auszüge aus dem Kommentar von Palandt, 60. Auflage, Verlag C. H. Beck, München, 2001, mit einigen wenigen Anmerkungen von mir:

Seite 1002: "In Sondergesetzen findet sich allgemeiner Ausschluss weitergehender Ansprüche, der auch für unerlaubte Handlungen gilt. ... Der Ausschluss des § 847 BGB ((Schmerzensgeld)) ist verfassungsmäßig (BVerfG NJW 73, 502). ... Ebenso §§ 81 ff BVersG: Versorgungsberechtigter kann gegen Staat nur Anspruch nach Versorgungsrecht erheben; ebenso § 91a SVG ..."

Seite 1007: "Anspruchsvoraussetzung ist - erfolgsbezogen - die Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts (Absatz I) oder eines Schutzgesetzes (Absatz II). Beides kann zutreffen. Die Verletzung muss zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs rechtswidrig und schuldhaft geschehen sein und einen dem Verletzer zurechenbaren Schaden verursacht haben, ..."

Seite 1007: "Körper-, Gesundheitsverletzung. Das Recht am eigenen Körper ist ein gesetzlich ausgeformter Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Körperverletzung ist jeder unbefugter Eingriff in die körperliche Befindlichkeit. Schutzgut ist der Körper als Basis der Persönlichkeit (BGH 124, 52). Eingriff ist jede Störung der körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge, auch wenn der Verletzte noch nicht geboren (BGH 58, 48, NJW 89, 1535) oder erzeugt war (BGH 8, 243), jedes Hervorrufen oder Steigern eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustands auch ohne Schmerzen oder tiefgreifende Veränderung der Befindlichkeit (BGH NJW 91, 1948). ..."

Seite 1011: "Rechtswidrigkeit. Bedeutung: Das Rechtswidrigkeitsurteil hat die Aufgabe, über die Normwidrigkeit des schädigenden Verhaltens zu befinden. Zur Haftung des Schädigers ist im Rahmen der unerlaubten Handlung grundsätzlich außerdem Verschulden erforderlich, d.h. die endgültige Beurteilung der Verantwortlichkeit des Schädigers für sein normwidriges Verhalten im Sinne der Vorwerfbarkeit (RGRK/Steffen Rn 106). ..."

Seite 1012: "Unterlassung. Die Verletzung eines geschützten Rechts oder Rechtsguts durch rein passives Verhalten ist rechtswidrig nur, wenn der Schädiger gegen eine Rechtspflicht zum Handeln verstoßen hat ( ... )."

Seite 1016: "Fahrlässigkeit. ... Jeder ist im Rahmen seines Wirkungskreises verpflichtet, sich über das Bestehen von Schutzgesetzen (BGH LM (BC) Nr 1) und polizeilichen Verordnungen zu unterrichten. Untergeordnete Arbeitskräfte, die auf Weisung der Bauleitung risikobehaftete Arbeiten ausführen, sind für spätere Schäden nicht verantwortlich, wenn sie davon ausgehen durften, dass sich die Bauleitung anschließend um die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen kümmert (Hamm NJW-RR 99, 1324)."

Seite 1031: "Verschulden. ... Geschäftliche Ungewandtheit, niedriger Bildungsgrad und sonstige Umstände sind kein genügender Entschuldigungsgrund für Unkenntnis gesetzlicher Bestimmungen, wohl aber die Betrauung einer zuverlässigen Fachkraft (BGH LM (Bc) Nr 1)."

Seite 1034. "Anspruch auf Schadensersatz. ... Schadensersatz umfasst unmittelbar und mittelbar verursachten Schaden, der aus der Verletzung des Rechts bzw. Rechtsguts entstanden ist, das Absatz I oder das Schutzgesetz schützen will (BGH 46, 23). Die Tatfolge, für die Ersatz begehrt wird, muss innerhalb des Schutzbereiches der verletzten Norm liegen (BGH NJW 68, 2278; ...). ... Zu den dem Verletzten geschuldeten Heilungskosten gehört auch der Aufwand nächster Angehöriger, auch des Lebensgefährten (LG Münster NJW 98, 1801), für medizinisch notwendige Krankenhausbesuche, nämlich unvermeidbare Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungsmehrkosten sowie durch Vor- oder Nacharbeit nicht auffangbarer Verdienstausfall (BGH NJW 91, 2340, ...)."

Seite 1035: "Beweislast. ... Objektiven Tatbestand, Verschulden, Schaden, Ursächlichkeit (haftungsbegründend und haftungsausfüllend, ...) hat grundsätzlich der Verletzte zu beweisen. ..."

Seite 1035: "Anscheinsbeweis und Umkehr der Beweislast. ... Die gleichen Grundsätze gelten auch für deliktische Ansprüche wegen Emissionen/Immissionen. Danach hat der Emittent die Ortsüblichkeit und außerdem zu beweisen, dass er die zumutbaren Vorkehrungen zur Verhinderung einer Schädigung Dritter durch Immission getroffen hat (BGH 92, 143). Beweiserleichterung bis zur Beweislastumkehr für die Kausalitätsfrage kommt auch bei festgestellter Überschreitung der durch Verwaltungsvorschrift oder Auflage im Rahmen einer Betriebsgenehmigung festgelegten Emissions-/Immissionswerte in Betracht (BGH NJW 97, 2748)."

Anmerkung: § 81 (5) Satz 1 SVG lautet: "Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs." Anstelle des ursächlichen Zusammenhangs (Kausalität) wird also nur die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs gefordert. Die Beweislast zur Ursächlichkeit ist durch § 81 (5) Satz 1 SVG also bereits erleichtert.
Nach dem letzten zitierten Palandt-Satz kann in den Fällen, in denen wenigstens einmal an den Original-Radargeräten zeitnah zum Eintritt der Schädigungen Röntgenstrahlungs-Ortsdosiswerte gemessen worden sind, die die Grenzwerte der Röntgenverordnungen vom 7. Februar 1941 und 1. Oktober 1973 sowie der ersten Strahlenschutzverordnung vom 24. Juni 1960 und der folgenden Strahlenschutzverordnungen überschritten haben, Beweislastumkehr verlangt werden. Da die Radargeräte innerhalb eines Typs gleichartig aufgebaut waren, gelten die Überschreitungen der Grenzwerte der Ortsdosis von Röntgenstrahlung und die damit verbundene Beweislastumkehr für jeweils alle Geräte des selben Typs. Beispielsweise reichen die in dem Bericht des Arbeitsstabes Dr. Sommer auf Seite 79 angegebenen, 1958 gemessenen Grenzwertüberschreitungen der Röntgenstrahlung an Geräten vom Typ AN/CPN-4 aus, um für alle von Geräten dieses Typs Geschädigten Beweislastumkehr für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Röntgenstrahlungsexposition und Gesundheitsstörung zu fordern. - Weitere Erörterungen der beiden zuletzt zitierten Bundesgerichtshofs (BGH) - Urteile folgen.

Seite 1036: "Bei Verstoß gegen Schutzgesetz muss Geschädigter den Verstoß, den ursächlichen Zusammenhang zwischen Verstoß und Schaden und grundsätzlich das Verschulden des Schädigers beweisen. Steht der objektive Verstoß fest, so muss der das Schutzgesetz Übertretende in der Regel Umstände darlegen und beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens auszuräumen (BGH VersR 85, 452).Voraussetzung für diese Beweislastumkehr ist, dass das Schutzgesetz das geforderte Verhalten konkret umschreibt; nicht genügend ist, dass es lediglich einen bestimmten Verletzungserfolg verbietet (BGH 116, 104 (114)). Ebenso kommt dem Verletzten für den ursächlichen Zusammenhang der Anscheinsbeweis zugute, wenn das verletzte Schutzgesetz typischer Gefährdungsmöglichkeit entgegenwirken will und wenn zeitlich nach diesem Verstoß gerade derjenige Schaden eingetreten ist, zu dessen Verhinderung das Schutzgesetz ergangen ist (BGH NJW 84, 432, NJW 94, 945). Das Verschulden bezieht sich hier auf die Schutzgesetzverletzung. Bei Unterlassung einer durch Gesetz gebotenen Tätigkeit kehrt sich die Beweislast hinsichtlich der für das Verschulden maßgeblichen Tatsache, nicht jedoch auch hinsichtlich der Ursächlichkeit regelmäßig dahin um, dass Beklagter sich entlasten muss (BGH NJW 73, 2207), d.h. dass er alles getan hat, um Ausführung des Schutzgesetzes zu sichern. ..."



2) Darlegungs- und Beweislast: Kupolofen

Autor: Dr. Karl-Dittmar Klein
Datum: 07.02.02 16:48
2) Darlegungs- und Beweislast: Kupolofen


hier sind einige Auszüge aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes für Zivilsachen BGHZ 92, 143 vom 18. September 1984 - VI ZR 223/82:

"Leitsätze: "Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage (Kupolofen), die die in der TA-Luft vorgesehenen Emissionswerte überschreiten, geschädigt worden."

Gründe:
Tatbestand:
Die Beklagte betreibt in einem Industriegebiet seit März 1979 eine nach § 4 BImSchG genehmigte Anlage zum Einschmelzen von Roheisen und Rohstahl (Heißwind-Kupolofen-Schmelzanlage) mit einer Nassentstaubung. Eine Überprüfung der Anlage im Januar 1980 hat ergeben, dass der Staubauswurf, der mit dem Abgas aus dem Kupolofen getragen wird, den in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) vom 28. August 1974 (GMBl. 1974 S. 426) vorgesehenen Grenzwerte nicht erreicht.

Die Kläger sind Betriebsangehörige der Firma O., deren Betriebsparkplatz östlich an das Gelände der Beklagten angrenzt. Sie stellen während der Arbeitszeit ihre PKWs auf diesen Parkplatz ab. Mit der Klage verlangen sie von der Beklagten Ersatz des Schadens, der ihnen dadurch entstanden sei, dass ihre Fahrzeuge durch Staub aus dem Kupolofen der Beklagten beschädigt worden seien. Um die Monatswende November/Dezember 1980, am 26. Januar 1981 sowie am 1. und 10. April 1981 sei es zu ungewöhnlich kräftigen Auswürfen von Eisenoxydstaub gekommen. Infolge fehlerhafter Bedienung und Wartung der Anlage seien an diesen Tagen die zulässigen Emissionsgrenzwerte überschritten worden; dies sei mit Duldung der Betriebsleitung der Beklagten geschehen. Der Staub habe sich in den Lack, das Glas und die Chromteile ihrer Fahrzeuge eingefressen. Schon der erste Niederschlag habe zu den eingetretenen Schäden geführt.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass der Kopolofen täglich kontrolliert werde; die Höchstemissionswerte würden nicht überschritten. Ihre Kontrollunterlagen wiesen aus, dass an den genannten Tagen keine Besonderheiten aufgetreten seien; allenfalls seien die zulässigen Emissionswerte weitergehend als in der übrigen Zeit ausgeschöpft worden. Als Schadenverursacher kämen vier weitere Werke in Betracht. Im übrigen treffe die Kläger an den behaupteten Schäden ein überwiegendes Mitverschulden.

Die Kläger sind in beiden Vorinstanzen unterlegen. Mit der Revision verfolgen sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
...
2. Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht für die Klageforderungen nur Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung in Betracht gezogen. Der Senat vermag jedoch nicht den das Berufungsurteil tragenden Erwägungen zur Behauptungs- und Beweislast für diese Ansprüche zu folgen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die Kläger nicht allein die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beklagte für den von ihr verursachten Fahrzeugschaden wegen Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten verantwortlich ist. Vielmehr ist es Sache auch der Beklagten, zur Klärung des Sachverhalts beizutragen.

a) Das hat unterstellt, dass die Schäden an den Fahrzeugen der Kläger auf Staubemissionen aus dem Kupolofen der Beklagten zurückzuführen sind. Hiervon ist für die revisionsrechtliche Prüfung auszugehen. Mithin kann es auf sich beruhen, ob dem Anspruchsteller, der aus unerlaubter Handlung Ersatz für die Schadensfolgen von ihn treffenden Immissionen begehrt, wegen der regelmäßig erheblichen Beweisschwierigkeiten aus dem Gesichtspunkt der Schadensnähe Beweiserleichterungen für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zugute kommen können. Auch wenn grundsätzlich der Geschädigte zu behaupten und zu beweisen hat, dass vom Anspruchsgegner ausgehende Emissionen die behauptete Rechtsgutsverletzung verursacht haben, sind solche Beweiserleichterungen bei festgestellter Überschreitung der durch Verwaltungsvorschriften festgelegten Emissions- oder Immissionswerte denkbar (vgl. BGHZ 70, 102, 107 m. Anm. Walter in NJW 1978, 1158f.). Im Einzelfall mag sogar eine Beweislastumkehr in Betracht zu ziehen sein (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Januar 1983 - VI ZR 24/82 - VersR 1983, 441,442). Auch mögen die Maßstäbe des § 287 ZPO (vgl. BGHZ 66,70,75) Bedeutung erlangen ( ... ). ...

cc) ... Allein der Betreiber vermag zu übersehen, ob die Emission unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen unter Beachtung aller zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen bewirkt worden ist. ...

c) Daraus ergibt sich, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Kläger einen Pflichtenverstoß der Beklagten darzutun haben, sondern dass es vielmehr grundsätzlich Sache der Beklagten ist, darzulegen und nachzuweisen, die ihr zumutbaren Vorkehrungen getroffen zu haben, um eine Schädigung der Kläger durch Staubemissionen ihres Kupolofens zu verhindern. ... ... Die Werte der TA-Luft sind allerdings nur ein allgemeiner Richtwert dafür, dass bei Einhaltung ihrer Emissionswerte schädliche Immissionen für die umliegenden Grundstückseigentümer verhindert werden (vgl. BGHZ 70, 102, 111; ferner BGH NJW 1983, 751 f. zur Bedeutung von VDI-Richtlinien; ...). Die konkreten Verhältnisse können anders liegen; an ihnen hat sich der Emittent auszurichten. Zwar entlastet ihn die Einhaltung der Emissionswerte der TA-Luft regelmäßig von dem Verschuldensvorwurf. Anderes kann sich indes ergeben, wenn den Emittenten besondere Umstände zu Zweifeln daran veranlassen mussten, dass die Beachtung der Werte der TA-Luft nicht ausreicht, um unzulässige Immissionen zu vermeiden. ..."

Anmerkung: Der letzte Punkt ist für uns wichtig: Welche Bedeutung haben Richtwerte im Strahlenschutz aus biologischer und juristischer Sicht? Darauf wird im Beitrag Nr. 4 eingegangen.



3) Darlegungs- und Beweislast: Lackieranlage

Autor: Dr. Karl-Dittmar Klein
Datum: 07.02.02 16:51

3) Darlegungs- und Beweislast: Lackieranlage
dies ist ein weiterer Beitrag zur Darlegungs- und Beweislast bei Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Emissionen. Es folgen Zitate aus dem Bericht in der Neuen Juristischen Wochenschrift NJW 1997, 2748 zum BGH - Urteil vom 17. 6. 1997 - VI ZR 372/95. Anstelle der TA-Luft gelten für uns Röntgen- und Strahlenschutzverordnungen.

"Zu Umfang und Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, zu Beweiserleichterungen und zur Pflicht des Gerichts zur Ausschöpfung des Tatsachenvortrags und der Beweisangebote der Parteien im Hinblick auf die Voraussetzungen eines auf § 823 BGB sowie auf § 1 UmweltHG gestützten Schadensersatzanspruchs wegen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Schadstoff Emissionen aus einem Industriebetrieb.

Zum Sachverhalt: Die Kl. nimmt die Bekl. auf Schadensersatz wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Schadstoffemissionen in Anspruch. Die im Jahre 1980 geborene Kl. wohnte bis Ende Mai in der D-Straße in O. Hiervon etwa 3 km entfernt betreibt die Bekl. zwei Lackieranlagen mit vier Lackierkabinen und eine weitere Lackieranlage mit einer Lackierkabine. Die Anlagen sind nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bestandskräftig genehmigt. Die Abluft aus den Lackierkabinen wird über zwei Schornsteine abgeführt. Unstreitig im Laufe des Jahres 1990, nach Behauptung der Kl. darüber hinaus bereits seit Dezember 1988 und noch im Frühjahr 1991, traten aus den Lackieranlagen erhebliche Geruchsemissionen aus, die sich mit dem Geruch von "Katzendreck" vergleichen ließen. Diese führten zu zahlreichen Beschwerden von Anwohnern im Umkreis des Unternehmens der Bekl. und hatten ihre Ursache in chemischen und Stoffwechselreaktionen in dem in einem geschlossenen Kreislauf geführten Waschwasser der Lackierkabinen. Die Kl. hat vorgetragen, die mit den Geruchsbelästigungen einhergehenden, die Grenzwerte der Betriebsgenehmigung überschreitenden Schadstoffemissionen aus den Anlagen der Bekl., insbesondere von Lösungsmitteln, aber auch von anderen toxischen chemischen Substanzen hätten bei ihr erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Ödembildung, Sehstörungen, Haarausfall, Schwächung des Immunsystems etc. verursacht und ihre Schulunfähigkeit herbeigeführt. Die Bekl. habe gebotene Maßnahmen zur Verhinderung solcher Emissionen pflichtwidrig unterlassen.

Das LG hat die auf Zahlung von Schmerzensgeld in Kapital- und Rentenform sowie auf Feststellung der Pflicht der Bekl. zum Ersatz allen materiellen und immateriellen Schadens der Kl. gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das BerGer.

Aus den Gründen: ...
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die Klageabweisung ist, sowohl im Hinblick auf einen deliktischen Schadensersatzanspruch als auch auf mögliche Ansprüche aus dem Umwelthaftungsgesetz, von durchgreifenden Verfahrensfehlern beeinflusst.

1. Die Revision wendet sich in erster Linie gegen die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 823 I, 847 BGB. Sie rügt insoweit zu Recht, dass das BerGer. entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisantritt der Kl. unter Verstoß gegen § 286 ZPO übergangen hat.

a) Das BerGer. geht zwar zutreffend davon aus, dass im Rahmen eines auf unerlaubte Handlung gegründeten Anspruchs grundsätzlich der Geschädigte darzulegen und nachzuweisen hat, dass vom Unternehmen des Anspruchgegners ausgehende Schadstoffemissionen die behauptete Rechtsgutsverletzung verursacht haben. Eine Beweiserleichterung für die Kausalitätsfrage im Einzelfall, gegebenenfalls auch eine Beweislastumkehr, kommt bei festgestellter Überschreitung der durch Verwaltungsvorschriften (auch durch die Bestimmungen und Auflagen im Rahmen einer Betriebsgenehmigung) festgelegten Emissions- und Immissionswerte in Betracht (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 92, 143 (146f.) = NJW 1985, 47 = ...). Die Revision beanstandet insoweit mit Recht, dass die Feststellung des BerGer., im vorliegenden Fall seien die entsprechenden Werte nicht überschritten worden, vielmehr habe die Bekl. die ihr mit der Betriebsgenehmigung vorgegebenen Grenzwerte für Emissionen sogar unterschritten, nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden ist. ...

aa) ... Es darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass an die prozessualen Darlegungen einer Partei, die mangels besonderer eigener Sachkunde und ohne Kenntnis einzelner betrieblicher Abläufe zu den Zusammenhängen zwischen chemischen und physikalischen Vorgängen und von ihr hierauf zurückgeführten Rechtsgutsverletzungen teilweise nur Vermutungen in den Rechtsstreit einführen kann, keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. ... ). ... cc) ... Dabei ist auch zu bedenken, dass eine Einhaltung von Einzelgrenzwerten der TA-Luft nichts darüber auszusagen vermag, ob möglicherweise gerade die eigentümliche Kombination emittierter Stoffe gesundheitsschädliche Wirkung haben kann; gerade hierauf hat sich die Kl. in ihrem Sachvortrag berufen. Im übrigen handelt es sich bei den Grenzwerten der TA-Luft um allgemeine Maßstäbe, die - soweit konkreter Parteivortrag und Beweisantritt dies erfordert - das Gericht nicht der Einzelfallprüfung unter Heranziehung eines Sachverständigen enthebt; denn auch dann, wenn eine Emissionsbelastung unterhalb der festgesetzten Werte bleibt, ist damit eine schädliche unter Gesichtspunkten der Deliktshaftung relevante Einwirkung auf das Rechtsgut eines Dritten nicht zwingend ausgeschlossen (vgl. BGHZ 70, 102 (107) = ... ). ... c) ... Sollte von einer solchen (wesentlichen Immissionsbeeinträchtigung) auszugehen sein, wäre es grundsätzlich Sache der Bekl., darzulegen und nachzuweisen, dass sie die ihr zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um ein Schädigung der Kl. durch Schadstoffausstoß aus ihren Lackieranlagen zu verhindern (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 92, 143 (151) = NJW 1985, 47 = ...).

Eine Einhaltung der Emissionsgrenzwerte der Ta-Luft könnte die Bekl. zwar regelmäßig vom Verschuldensvorwurf entlasten; anderes würde sich jedoch dann ergeben, wenn der Bekl. besondere Umstände zu Zweifeln daran Anlass gegeben haben sollten, dass die Beachtung der TA-Luft im konkreten Fall nicht ausreicht, um unzulässige Emissionen zu vermeiden (vgl. Senatsurteil BGHZ 92, 143 (152) = ...)."




4) Stochastische Strahlenwirkungen; Richtwerte

Autor: Dr. Karl-Dittmar Klein
Datum: 07.02.02 16:56
4) Stochastische Strahlenwirkungen; juristische Bedeutung von Richtwerten

die für die Anerkennung von Wehrdienstbeschädigungen (WDB) zuständigen Behörden gehen oft so vor: Wenn der für einen Antragsteller geschätzte Ersatzwert der Orts- bzw. Personendosis der Strahlung bezogen auf ein Jahr nicht höher ist als der jeweilige Richtwert in den entsprechenden Röntgen- und Strahlenschutzverordnungen, ist die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Strahlenexposition und Gesundheitsstörung nicht gegeben. Gemäß § 81 (5) Satz 1 SVG wird die Anerkennung einer WDB dann verweigert. Hier sollen diese Richtwerte etwas genauer betrachtet werden:
Biologisches:

Zitat aus der Deutschen Norm DIN 6814-5 vom März 2001: "Begriffe in der radiologischen Technik, Teil 5: Strahlenschutz" ((wegen der Nützlichkeit etwas länger als erforderlich)):

"4.1 Biologische Strahlenwirkung
Folgen der Bestrahlung lebender Objekte, unabhängig davon, wie diese zu bewerten sind und unabhängig davon, ob es möglich ist, die Bestrahlungsfolgen erkennbar zu machen. Anmerkung Zwischen unbeabsichtigten, gesundheitlich nachteiligen Strahlenwirkungen, häufig als "Strahlenschäden" bezeichnet, und unvermeidbaren Nebenwirkungen der medizinischen Strahlenanwendung ist zu unterscheiden. Strahlenschäden an Personen unterliegen zusätzlich zur medizinischen einer juristischen Bewertung.

4.1.1 Somatische Strahlenwirkung
Biologische Strahlenwirkung, die sich als Änderungen von Struktur und/oder Funktion des bestrahlten Organismus äußert.

4.1.1.1 Frühwirkung
Somatische Strahlenwirkung, die beim Menschen innerhalb der ersten Monate nach Beginn der Bestrahlung erkennbar wird.

4.1.1.2 Spätwirkung
Somatische Strahlenwirkung, die beim Menschen erst Jahre nach Beginn der Bestrahlung erkennbar wird. Dabei ist ohne Bedeutung, ob Frühwirkungen aufgetreten sind oder nicht. Anmerkung 1 Die Unterteilung der somatischen Wirkungen in Früh- und Spätwirkungen soll die Übersicht über die verschiedenen Strahlungsfolgen für Strahlenschutzbetrachtungen erleichtern. Die angegebenen Zeiträume gelten für Strahlenwirkungen beim Menschen. Die zeitliche Abgrenzung der Wirkungen dient nur als Anhaltswert.
Anmerkung 2 Für die Bestrahlungsfolgen nach Strahlentherapie dient als internationale Festlegung der 90. Tag nach Bestrahlungsbeginn zur Trennung von Früh- und Spätwirkungen.
4.1.2 Genetische Strahlenwirkung
Biologische Strahlenwirkung am Erbgut von Organismen, die sich entweder an deren Nachkommen als somatische Veränderung bemerkbar macht, oder die die Lebensfähigkeit der Nachkommenschaft schon in frühen Entwicklungsstadien ausschließt.

4.1.3 Kombinationswirkungen
Somatische oder genetische Wirkung, die durch das Zusammentreffen von Strahlenwirkung mit biologischer Wirkung anderer Ursache entstehen.

4.1.4 Praenatale Strahlenwirkung
Somatische oder genetische Strahlenwirkung, die beim Menschen nach der Geburt aufgrund einer vorausgegangenen Strahlenexposition im Mutterleib auftritt oder vorliegt.

4.1.5 Stochastische Strahlenwirkung
Biologische Strahlenwirkung, bei der die Eintrittswahrscheinlichkeit - nicht der Schweregrad - als eine Funktion der Dosis ohne Schwellenwert zu betrachten ist. Anmerkung Die genetischen Strahlenwirkungen sowie die Kanzerogenese sind stochastische Strahlenwirkungen. Bei stochastischen Strahlenwirkungen werden dosisabhängige Eintrittswahrscheinlichkeiten ohne Dosisschwellenwert angenommen. Das resultierende Krankheitsbild ist nicht von der Strahlendosis abhängig.

4.1.6 Deterministische Strahlenwirkung
(zu vermeiden: die bisher benutzte Bezeichnung nicht-stochastische Strahlenwirkung) Biologische Strahlenwirkung, bei der der Schweregrad mit steigender Dosis zunimmt und bei der in der Regel ein Dosisschwellenwert angenommen wird. Anmerkung Zu den deterministischen Strahlenwirkungen gehören allgemeine und lokale Strahleneffekte wie die Schädigung des Haut- oder Lungenepithels, die Schädigung des hämatopoetischen oder die Fertilitätsstörung sowie das akute Strahlensyndrom bei der Ganzkörperbestrahlung. Bei gegebener Dosis kann der Schweregrad deterministischer Strahlenwirkungen, z.B. beim akuten Strahlensyndrom, individuell deutlichen Schwankungen unterliegen."

Die drei Strahlungsarten am Radargerät, die unsere Gesundheit hauptsächlich gestört haben, sind den Strahlenwirkungen so zuzuordnen:
Stochastische Strahlenwirkungen
von der Röntgenstrahlung der Senderöhren und von der Alpha-Strahlung der selbstleuchtenden Beschriftungen der Konsolen.

Deterministische Strahlenwirkungen
Worauf es hier besonders ankommt, sind die unter 2.1.4 definierten stochastischen Strahlenwirkungen. Wer von Röntgen- oder Alphastrahlung getroffen worden ist, muss mit einer gewissen statistischen (stochastischen) Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt kanzerogener und genetischer Strahlenwirkungen rechnen. Die Höhe der Wahrscheinlichkeit (mathematisch ausgedrückt durch einen Wert von null bis eins, wobei die Null für keine Wahrscheinlichkeit und die Eins für höchste Wahrscheinlichkeit = Gewissheit steht) ist eine Funktion der absorbierten Dosis. Der funktionelle Zusammenhang hängt kompliziert von der Art der Strahlung und den Umständen der Exposition ab. Näherungsweise wird oft ein linearer funktioneller Zusammenhang angenommen. Einen Schwellenwert gibt es nicht. Das heißt, auch bei einer Strahlungsexposition mit sehr kleiner Personendosis ist die (mathematische) Wahrscheinlichkeit des Eintritts von stochastischen Strahlenwirkungen größer als null. Formal ist also auch dann eine Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung des § 81 (5) Satz 1 SVG gegeben.
Durch Anwendung von Richtwerten für die Personendosen im Zusammenhang mit stochastischen Strahlenwirkungen trotz Nichtexistenz von Schwellenwerten werden einerseits zwar viele sog. Trittbrettfahrer eliminiert, andererseits wird Radarsoldaten, die trotz niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit doch an Krebs erkrankt sind oder/und aufgrund genetischer Defekte Gesundheitsstörungen an ihre Kinder vererbt haben, eine Versorgung versagt.
Dieses Unrecht lässt sich nur so vermeiden, indem Radarsoldaten WDB's immer dann anerkannt werden, wenn a) anzunehmen ist, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeitsmerkmale und -bereiche ionisierender Strahlung ausgesetzt waren und wenn sie b) an Krebs erkrankt sind oder/und aufgrund genetischer Defekte Gesundheitsstörungen an ihre Kinder vererbt haben.

Die Bundeswehr muss aus Fürsorgepflicht alle von ionisierender Strahlung vom Radargerät Erkrankten versorgen, auch wenn dabei sog. Trittbrettfahrer mitversorgt werden, die ihre Krebserkrankung oder/und genetischen Defekte nicht vom Radargerät haben, dies aber meistens gar nicht wissen können.

Juristisches:
Die Rechtsprechung zweifelt die Verbindlichkeit von Richtwerten für Verwaltungsbehörden und -gerichte sowie für ordentliche Gerichte ganz generell an. Im Folgenden wird dazu aus einer Diskussion in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) 1978, 1158, zitiert, die ein in NJW 1978, 419 abgedrucktes BGH-Urteil behandelt.

"IV. Zu Recht weist der BGH das OLG darauf hin, dass die Richtwerte als allgemeine Maßstäbe nicht dazu führen dürfen, eine "unwiderlegbare Vermutung" des Inhalts aufzustellen, (Un)Wesentlichkeit, Ortsüblichkeit und vor allem die Kausalität einer Emission für einen Schaden hingen davon ab, dass die in der TA Luft festgesetzten Richtwerte erreicht bzw. nicht erreicht würden. So weise zwar die Überschreitung der Werte darauf hin, dass eine "Belastung mit schädlicher Umwelteinwirkung" vorliege. Aber auch dann, wenn eine Immissionsbelastung unterhalb der festgesetzten Werte bleibe, brauche die Kausalität im Einzelfall nicht ausgeschlossen zu sein. Hier komme es auf die sachverständige Beurteilung an, die das OLG gerade wegen der Nichterreichung der "Gefährlichkeitsgrenze" glaubte vernachlässigen zu dürfen. Auch bei Immissionen, die geringer seien als die in der TA Luft festgesetzten Werte, könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie die konkrete Benutzung des Grundstücks nur unwesentlich beeinträchtigten. Allerdings sei den Beweisschwierigkeiten bei der Kausalitätsfeststellung mit § 287 ZPO zu begegnen.

V. Richtigerweise gilt folgendes: geht es um die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe ("wesentlich", "zumutbar") oder sonstiger normativer Tatbestandsmerkmale (ortsüblich) , so haben die genannten Bestimmungen zweifellos eine Bedeutung, da sie aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen gewonnen sind (so Baur, JZ 1974, 659; Mittenzwei, MDR 1977, 104). Dabei kann es sich nun aber nicht um rigide Anweisungen handeln, die dem Richter keinen Entscheidungsspielraum mehr überließen, sondern nur um "Anhaltspunkte". Irgendeine beweisrechtliche Bedeutung kommt diesen Richtwerten hier nicht zu, da es insoweit nicht um die Feststellung von Tatsachen geht. Anders aber, wenn jemand einen Schaden durch eine Immission geltend macht und streitig ist, ob der Schaden auf der Immission beruht. Hier, bei der Feststellung von Tatsachen, ist zu fragen, ob den Richtwerten eine beweiserleichternde Funktion zukommt. Dabei muss man unterscheiden: Werden die zulässigen Richtwerte überschritten, so hat der Emittent zu beweisen (Beweislastumkehr), dass seine Emission den Schaden nicht verursacht hat. Dies rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass die Richtwerte - ähnlich wie Unfallverhütungsvorschriften, bei deren Verletzung eine Beweislastumkehr anerkannt ist ( ... ) - die Grenzwerte der Gefährlichkeit aufzeigen und die Verwirklichung dieser Gefahr gerade verhindern wollen. Kommt es zu einer Verwirklichung dieser Gefahr und besteht die Möglichkeit, dass das Überschreiten der Richtwerte hierfür ursächlich war, so hat der Emittent etwaige Zweifel zu tragen - die Richtwerte sollten ja gerade solchen Schäden wie dem eingetretenen vorbeugen. Der Anscheinsbeweis als Beweiserleichterung ist zwar nicht deswegen ungeeignet, weil "kaum ein allgemeiner Erfahrungssatz bestehen dürfte, dass Immissionswertüberschreitungen regelmäßig zu konkreten Schäden führen " (So aber Meyer-Abich, Anm. zu OVG Münster, NJW 1976, 2360) - der Anscheinsbeweis ist aber wegen seiner Beschränkung auf die Typizität als Begründung für eine Beweiserleichterung oft unbrauchbar ( ... ).

Aber auch dann, wenn die Richtwerte nicht überschritten werden, muss u.U. dem Betroffenen eine Beweiserleichterung gewährt werden. Gerade der vorliegende Fall zeigt eindringlich wie schwierig bei einem geltend gemachten Immissionsschaden mitunter der Kausalitätsnachweis zu erbringen ist. Die Schwierigkeit, die in der Materie selbst begründet liegt, sowie die Erwägung, dass ein Ausgleichs- bzw. Schadensersatzanspruch eines Betroffenen oftmals nur auf dem Papier stünde, würde man von ihm einen Kausalitätsnachweis zur Überzeugung des Gerichts (scil.*: von der Wahrheit) fordern, rechtfertigen eine Herabsetzung des Beweismaßes auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ( ... ). Auch der BGH gelangt zu diesem Ergebnis, allerdings auf dem Weg über § 287 ZPO ( ... ). Hält man jedoch daran fest, dass § 287 ZPO nur für die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität gilt (BGHZ 4, 192 = NJW 1952, ... ), so durfte er hier, wo es um die Feststellung der haftungsbegründenden Kausalität geht ( ... ), nicht angewendet werden. Auch bei dieser Entscheidung zeigt sich wieder, dass bei bestimmten Fallgruppen eine Beweiserleichterung erforderlich ist, und dass die Berufung auf den Anscheinsbeweis und § 287 ZPO nur die Scheu kaschiert, eine notwendige Beweismaßreduzierung offen zuzugeben."

Anmerkung: Eine Beweismaßreduzierung für Fälle, in denen die sog. Ersatzdosiswerte die Richtwerte der jeweiligen Röntgen- und Strahlenschutzverordnungen nicht überschreiten, wäre in den Musterprozessen anzustreben. Dort haben wir jedoch, wie aus den anderen Darlegungen hervorgeht, sehr gute Chancen sogar auf Beweislastumkehr.
Für die Anerkennung einer WDB ist eine Beweismaßreduzierung in § 81 (5) Satz 1 SVG bereits enthalten.
* scil. = scire licet (lateinisch) = was sich zu wissen ziemt (hier mehr ironisch gemeint)



5) Unterlassene Messungen Brunnenwasser

Autor: Dr. Karl-Dittmar Klein
Datum: 07.02.02 16:59

5) Unterlassene Messungen Brunnenwasser
Dieser Beitrag zielt auf den Umstand, dass die Bundeswehr es versäumt hat, zu Originalzeiten an den Original-Radargeräten hinreichende Messungen zum Strahlenschutz vornehmen zu lassen. Zitiert wird aus VersR 1983, 441 zu einem Urteil des BGH vom 25. 1. 1983 (VI ZR 24/82, Hamm).
"2. Kommt der Inhaber einer Wasserversorgungsanlage nicht der ihn gem. § 8 der TrinkwasserVO treffenden Pflicht nach, das Wasser untersuchen zu lassen, und verhindert er dadurch in einem späteren Prozess die Aufklärung darüber, ob im Wasser vorhandene Schadstoffe sich innerhalb der zulässigen Grenzwerte gehalten haben oder nicht (hier überhöhter Nitratgehalt von Brunnenwasser), so trifft ihn die Beweislast dafür, dass die zulässigen Grenzwerte hinsichtlich der einzelnen Schadstoffe nicht überschritten waren."

Zum Sachverhalt: Ein Säugling, dessen Nahrung mit dem Wasser aus dem hauseigenen Brunnen zubereitet wurde, erkrankte davon lebensbedrohlich an Blausucht bis hin zu schwerer Hirnschädigung, Lähmung der Beine und spastischer Halbseitenlähmung.

"2. ...
cc) ...
Für das Revisionsverfahren ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine Grenzwertüberschreitung festgestellt worden wäre, da die Bekl. Bisher nicht den Beweis für das Gegenteil geführt haben. Insoweit kehrt sich die Beweislast um. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken, dass derjenige, der fahrlässig die Aufklärung über Tatsachen vereitelt, deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein in einem Rechtsstreit grundsätzlich zur Beweislast des Prozessgegners steht, die prozessualen Nachteile zu tragen hat, die daraus entstehen, dass entsprechend exakte Feststellungen nicht mehr getroffen werden können. Dieser Rechtsgedanke gilt nicht nur, wenn bereits vorhandene Beweismittel vernichtet werden (§ 444 ZPO). Der erkennende Senat hat diesen Rechtsgedanken auch bereits in Fällen angewendet, in denen eine Partei die Aufklärung eines Schadensereignisses nach dessen Eintritt erschwert oder vereitelt hat ( ... ). Er muss in gleicher Weise Anwendung finden, wenn eine Pflicht verletzt wird, durch Vornahme von Untersuchungen oder Kontrollen einen Zustand oder eine Beschaffenheit und damit Umstände zu klären, die nachträglich nicht mehr ermittelt werden können, und wenn diese Pflicht zum Schutz einer in einem späteren Prozess beweisbelasteten Partei begründet wurde. ...
Für die neue Verhandlung wird darauf hingewiesen, dass der Kl. gegen den Vermieter unter Umständen auch Schadenersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB zustehen können. Das Berufungsgericht wird daher für den Fall, dass die Bekl. durch entsprechende Beweisführung eine Haftung aus § 823 Abs.2 BGB i. Vbdg. mit § 8 TrinkwasserVO abwenden können, der Frage nachzugehen haben, ob für die Bekl. etwa deshalb Warn- bzw. Hinweispflichten gegenüber der Mutter der Kl. hinsichtlich der Verwendung des Brunnenwassers für Säuglingsnahrung bestanden, weil - wie die Kl. Vorgetragen und durch Einholung einer Auskunft bei dem HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung unter Beweis gestellt hat - die Medien schon damals immer wieder einmal über Fälle berichtet hatten, in denen Säuglinge durch erhöhten Nitratgehalt von Brunnenwasser geschädigt worden sind."

Anmerkungen:
1. Aus den Beiträgen 1 bis 5 geht hervor, dass die Bundeswehr die Beweislast zu tragen hat. Das BMVg versucht bereits, sie abzuarbeiten, indem sie die Verhältnisse von damals nachstellen und so genannte Ersatzdosiswerte fabrizieren lässt, die angeblich die Richtwerte der jeweiligen, betreffenden Röntgen- und Strahlenschutzverordnungen nicht übersteigen.

Diese sog. Ersatzdosiswerte werden von unserer Seite jedoch nicht anerkannt, weil die nachgestellten Messanordnungen den Originalverhältnissen zu den Originalzeiten nicht einmal annähernd entsprechen: physikalische und technische Daten der aktiven elektrischen Bauteile, ihre elektrische Ansteuerung und ihre räumliche Anordnung sowie die Art und Weise der materiellen Umgebung sind zu unterschiedlich. Die Originalverhältnisse lassen sich nicht mehr reproduzieren.

2. Die erste Strahlenschutzverordnung ist vom 24. Juni 1960. Radarsoldaten, die vor diesem Datum geschädigt worden sind, können sich nicht auf einen Verstoß der Bundeswehr gegen diese Strahlenschutzverordnung berufen. Es wäre noch möglich, einen Verstoß gegen die Röntgenverordnung vom 7. Februar 1941 heran zu ziehen.
Auf eine Alternative weist der letzte Absatz des oben Zitierten hin: Schadensersatzansprüche nicht aus Absatz 2, sondern aus Absatz 1 des § 823 BGB her zu leiten. Prinzipiell können dies alle Geschädigten tun. Es handelt sich dann um eine schuldhafte Handlung (besser: Unterlassung) der Bundeswehr ohne feste Anbindung an ein Schutzgesetz. Die Schuldhaftigkeit ist dadurch gegeben, dass die Bundeswehr beispielsweise im Fall des Radargerätes AN/CPN-4 durch Messungen in den Jahren 1957 und 1958 auf die gesundheitsgefährliche Röntgenstrahlung aufmerksam gemacht worden ist (siehe Seite 79 des Berichtes des Arbeitsstabes Dr. Sommer) und dennoch jahrelang keinerlei Schutzmaßnahmen durchgeführt hat.





Hier noch zwei weitere Beiträge vom Kameraden Volker E.Kummrow

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Forumsbeitrag vom 31.12.01